
Um die Umwelt steht es schlimmer als befürchtet: Die Temperaturen steigen weiter, Arten verschwinden immer schneller, Müllberge wachsen. Das zeigt ein UN-Bericht. Forscher warnen vor kurzsichtigen Entscheidungen.
Von Linda Staude, ARD Nairobi
Neue Dürren in Ostafrika, Hitzewellen und Waldbrände in Europa, Stürme und Fluten in Asien und Amerika – die Naturkatastrophen allein des vergangenen Jahres zeigen, wie zerstörerisch der Klimawandel sich schon jetzt auswirkt.
Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Das ist geschätzt rund jede achte Spezies. Luftverschmutzung und eine wachsende Müllflut sind für neun Millionen Todesfälle jedes Jahr verantwortlich. So die alarmierenden Zahlen aus dem GEO-7-Umweltbericht, der heute auf der UN-Umweltvollversammlung UNEA in Nairobi veröffentlicht wurde. 287 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 82 Ländern haben daran mitgearbeitet. Und ihre Prognosen sind düster.
Umweltziele verfehlt
Wenn die Länder der Welt ihre bisherige Politik fortsetzen, werden sie kein einziges Ziel erreichen, das sie selbst in diversen internationalen Abkommen festgelegt haben, so die Expertinnen und Experten. Allen voran beim Klimawandel: Nach dem Pariser Abkommen soll die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Ära beschränkt werden. Ohne zusätzliche Gegenmaßnahmen wird das laut Bericht bereits Anfang des nächsten Jahrzehnts überschritten. Danach werde die Erderwärmung Werte von zwei bis drei Grad erreichen.
In anderen Bereichen sieht es demnach nicht besser aus. Die Zerstörung von fruchtbarem Land gehe unvermindert weiter. Das heißt, jedes Jahr verschwindet Ackerfläche so groß wie Äthiopien oder Kolumbien. Die Müllmenge wird sich Prognosen zufolge bis 2050 verdoppeln – auf dann vier Milliarden Tonnen pro Jahr. Und auch der Plastikmüll, der die Ozeane verschmutzt und als Mikroplastik in die Nahrungskette gelangt, werde nicht weniger.
„Keine Regierung der Welt tut genug“
Die Kosten für schnelle Gegenmaßnahmen sind hoch. Um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen und gefährdete Arten wirksam zu schützen, müssten weltweit jedes Jahr rund acht Billionen Dollar investiert werden, heißt es. Das schreckt nationale Regierungen ab, die nach Ansicht der Wissenschaftler zu sehr auf kurzfristige Ziele fixiert sind.
„Im Moment reagieren die meisten Regierungen auf die Wünsche ihrer Bevölkerung. Und die will billige Nahrung und billige Energie“, sagt etwa der führende Klimaforscher Robert Watson. „Wenn wir Subventionen streichen und die Umwelt- und Klimakosten mit in die Preise einrechnen, dann wird beides teurer.“ Die Folge: Im Moment tut keine Regierung der Welt genug für den Umwelt- und Klimaschutz. Manche – wie zum Beispiel die der USA – bestreiten immer noch, dass die Umwelt überhaupt ein Problem hat.
Umweltschutz rechnet sich
Diese Haltung ist nach Ansicht der Wissenschaftler extrem kurzsichtig. „Die Kosten für das Nichtstun sind deutlich höher“, warnt Inger Andersen, die Chefin der UN-Umweltorganisation UNEP. Hunger, Wassermangel und Hitze würden Millionen Menschen das Leben kosten. Aber auch die finanziellen Folgen seien katastrophal. Allein Extremwetterereignisse durch den Klimawandel kosteten schon jetzt 143 Milliarden Dollar im Jahr. Die Erderwärmung reduziere die globale Wirtschaftsleistung bis 2050 um mindestens vier Prozent. Rechnet man die übrigen Umweltzerstörungen hinzu, sind die Kosten sehr viel höher.
Umweltschutz ist nicht nur ein Wert an sich, sondern zahlt sich auch finanziell aus. Bereits ab 2050 übersteige der wirtschaftliche Nutzen die Investitionskosten deutlich. Ab 2070 beträgt der Vorteil laut Bericht bereits etwa 20 Billionen Dollar. Später könnte er 100 Billionen erreichen – wenn die Welt die notwendigen Maßnahmen ergreift.
Plädoyer für schnelles und gemeinsames Handeln
Nach Ansicht der Wissenschaftler haben viele Privatunternehmen bereits erkannt, wie viel Klimawandel und Umweltzerstörung sie kostet. Zusammen mit fortschrittlicheren Regierungen und mithilfe der Wissenschaft sowie der Zivilgesellschaft sollen sie die Nachzügler dazu bringen, so schnell wie möglich zu handeln.
Die Menschheit stehe vor einer einfachen Wahl, sagte Inger Andersen. „Den Weg weiterzugehen in eine Zukunft, die von Klimawandel, schwindender Natur, degradierten Böden und verschmutzter Luft verwüstet ist. Oder eine Kursänderung vorzunehmen, um einen gesunden Planeten, gesunde Menschen und gesunde Volkswirtschaften zu sichern.“
Weg vom BIP, hin zu Umwelt und Wohlbefinden
Die Wege, um das zu schaffen, sind nicht neu: Umstellung auf erneuerbare Energien, Kreislaufwirtschaft, Artenschutz und der Erhalt natürlicher Ökosysteme. Darüber wollen die Wissenschaftler weg vom Bruttoinlandsprodukt als Maß des wirtschaftlichen Erfolges. Stattdessen sollen auch der Zustand der Umwelt und das Wohlbefinden der Bevölkerung einbezogen werden. Ein Anreiz, die internationalen Umweltziele zu erreichen, und eine Möglichkeit, um den Erfolg zu messen.
All das muss nur sehr viel schneller angegangen werden als bisher, damit es am Ende nicht doch zu spät ist, die katastrophale Entwicklung noch umzukehren.