Etwa 80 Kilometer nördlich des noch immer hart umkämpften Pokrowsk liegt eine der letzten großen Städte im Donbas, die noch vollends unter ukrainischer Kontrolle steht: Kramatorsk. Einst ein Industriezentrum, wird dort das Leben immer schwieriger, je näher die russischen Truppen rücken.

Dutzende russische Luftangriffe musste die Stadt schon überstehen. Häuser, Tankstellen und Märkte wurden ebenso getroffen wie ein nahegelegenes Kraftwerk, was zu Stromausfällen führte. „Kürzlich wurde das Haus neben meinem getroffen“, sagt die 20-jährige Olena Frolova einer Reporterin des US-amerikanischen „National Public Radio“ vor Ort. „Wir alle spüren, dass die Front näher rückt. Unser Leben hängt davon ab, wie lange unsere Jungs an der Front durchhalten.“

Vergangene Woche behauptete Russland bereits, seine Streitkräfte hätten die Frontstadt Pokrowsk eingenommen. Das ukrainische Militär bestreitet dies. „Es wird nicht möglich sein, lange durchzuhalten“, sagt ein Drohnenpilot dem „National Public Radio“. „Ich würde gerne optimistisch sein, aber das ist die Realität.“

In Kramatorsk spüren die Einwohner den Druck. „Sie beabsichtigen, uns einzuschüchtern, damit wir gehen“, sagt Olha Kasinkovka, die aufgrund der russischen Invasion bereits zweimal vertrieben wurde, dem „National Public Radio“. Ein Schicksal, das sie auch in Kramatorsk ereilen könnte. Es sei denn, zuvor würde ein Friedensabkommen ausgehandelt?

Die Ukraine zu zwingen, Gebiete aufzugeben, werde den Krieg nicht beenden, sagt Kasinkovka. Sie vertraue nach ihren Kriegserfahrungen nicht darauf, dass die Russen die Bedingungen eines Abkommens einhalten würden. „Auf keinen Fall“, sagt sie. „Russland wird erneut angreifen.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Eine überarbeitete Version des US-Friedensplans für ein Ende des Ukraine-Kriegs soll nach Angaben der Staatsführung in Kiew deutlich veränderte Züge tragen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lehnt darin Gebietsabtretungen ab, Washington hingegen bestand wohl darauf. Mehr dazu hier.
  • Der Kreml weist die Behauptungen von Bundeskanzler Friedrich Merz zurück, wonach Präsident Wladimir Putin die Sowjetunion wiederherstellen wolle. Dies sei „nicht wahr“, sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die Vorbereitung eines Angriffs auf die Nato sei zudem „völliger Schwachsinn“Mehr dazu hier.
  • Die Ukraine hat offenbar einen ihrer besten Kampfpiloten verloren. Oberstleutnant Jewgeni Witaljewitsch Iwanow ist laut seiner Einheit am Montag während eines Kampfeinsatzes im Osten des Landes ums Leben gekommen. Iwanow diente seit 1995 in den ukrainischen Streitkräften und flog mehr als 200 Einsätze mit dem Jagdflugzeug Su-27. Mehr dazu im Newsblog.
  • Drei Männer sollen im Auftrag eines russischen Geheimdiensts in Deutschland einen früheren ukrainischen Offizier ausspioniert haben. Wegen der Vorwürfe müssen sie sich seit Dienstag vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt verantworten. Das Ausspähen habe der Vorbereitung der Tötung des Mannes gedient.
  • Selenskyj ist erneut mit Papst Leo XIV. zusammengetroffen. Wie das vatikanische Presseamt mitteilte, fand die Begegnung am Dienstag in der Zweitresidenz in Castel Gandolfo statt. Der Papst habe den dringenden Wunsch erneuert, dass die laufenden diplomatischen Initiativen zu einem gerechten und dauerhaften Frieden führen mögen.
  • Russland wirft der Nato vor, in der Arktis zunehmend zu spionieren. Die Mitgliedstaaten der Militärallianz hätten ihre Spionageaktivitäten in dem Gebiet erheblich verstärkt, sagt Marinechef Alexander Moissejew laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Ziel der Nato sei es, die russischen Aktivitäten in der Arktis einzudämmen. 
  • Litauen hat wegen Ballons aus dem benachbarten Belarus den Notstand ausgerufen. Innenminister Wladislaw Kondratowitsch begründete den Schritt nicht nur mit Störungen des Flugverkehrs, sondern auch mit Interessen der nationalen Sicherheit. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem „inakzeptablen hybriden Angriff“. Die Regierung in Minsk wies die Vorwürfe zurück.
  • Nach nächtlichen Angriffen auf die Energieinfrastruktur waren Haushalte in den Regionen Dnipropetrowsk, Saporischschja und Sumy ohne Strom. Dies teilte das ukrainische Energieministerium mit. Während Notfallreparaturen rund um die Uhr andauerten, galten zusätzlich Notabschaltungen in den Regionen Poltawa, Sumy und Charkiw.
  • In der russischen Großstadt Tscheboksary an der Wolga sind nach offiziellen Angaben Trümmer einer ukrainischen Drohne in ein Wohnhaus gestürzt und haben 14 Menschen verletzt. Unter den Verletzten sei auch ein Kind, schrieb der Vizeregierungschef der russischen Teilrepublik Tschuwaschien, Wladimir Stepanow, bei Telegram.
  • Der deutsche Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, hat sich bei einem möglichen Waffenstillstand in der Ukraine für eine europäische Friedenstruppe mit deutscher Beteiligung ausgesprochen. „Wenn es zu einem Waffenstillstand kommt, muss Europa bereit sein, ihn zu sichern“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ vom Dienstag.
  • Bundesfinanzminister Lars Klingbeil sieht nach G7-Beratungen eine Einigkeit aller Partner, einschließlich der USA, zur Unterstützung der Ukraine. „Dazu gehört, dass alle Staaten gemeinsam betonen, dass sie bereit sind, den Verhandlungsdruck auf Russland weiter zu erhöhen“, sagte der SPD-Chef am Montagabend der Nachrichtenagentur Reuters.
  • Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat eine Gegenklage Russlands gegen die Ukraine wegen angeblicher Verstöße gegen die Völkermordkonvention zur Prüfung angenommen. Die Klage wird im Rahmen des laufenden Verfahrens behandelt, das die Ukraine nach Kriegsbeginn im Februar 2022 eingeleitet hatte. Dabei geht es um aus ukrainischer Sicht unbegründete Behauptungen Russlands über einen angeblichen „Völkermord im Donbas“, die Kyjiw anfechten will. 
  • Das russische Verteidigungsministerium schlägt eine neue Medaille für die Bergung von Leichen aus Kampfgebieten vor. Der veröffentlichte Entwurf gilt als seltener offizieller Hinweis darauf, dass Russland Schwierigkeiten hat, die fast vier Jahre nach Kriegsbeginn vermissten Soldaten zu erfassen.

Hintergrund & Analyse Tödliche Attacke auf Rekrutierungsbeamten Zerreißt die Mobilisierung die Ukraine von innen?