Bastian Schweinsteiger hat noch einen kleinen Vorsprung. Aus seinem bierfassförmigen Metallgrill leuchtet es leicht nach oben heraus, während Felix Neureuther zwei Meter neben ihm noch die Hand in seinen Grill hält, auf dass eines der Holzstückchen doch endlich mal losbrenne. Schweinsteiger und Neureuther, früher Fußball-Weltmeister und Ski-Weltmeister, heute Fußball-Experte und Ski-Experte im Fernsehen, befreundet seit Kindertagen, sind am Montagnachmittag auf der Terrasse einer aufgemotzten Industriehalle im Süden von München als Testimonials für eine Outdoor-Marke im Einsatz. Und da man gerade Männer und gerade Sportler am besten mit einem kleinen Wettkampf zu medialen Höchstleistungen beflügelt, dürfen die beiden 41-Jährigen um die Wette je zwei Grill-Modelle entfachen.

Was hier stattfindet, ist zum einen natürlich eine völlig alltägliche Werbeaktion. Zum anderen aber auch ein zufällig sehr passendes Bild für das, was in diesen Tagen in München an vielen Orten zu beobachten ist: die Weihnachtseinladungen der hiesigen Society, bei denen so klar wird wie selten, dass der Schein trügt.

Schon lange Freunde und jetzt auch gemeinsam Testimonials: Felix Neureuther (l.) und Bastian Schweinsteiger.Schon lange Freunde und jetzt auch gemeinsam Testimonials: Felix Neureuther (l.) und Bastian Schweinsteiger. (Foto: Robert Haas)

Obwohl alle bei den derzeitigen Präsentationen, Auktionen, Charity-Galas oder anderen Events mit rotem Teppich und Blitzlicht-Garantie ganz besonders harmonisch und entspannt wirken, hat im Grunde jeder ein anderes Ziel, ob Gäste, Veranstalter oder die Boulevardmedien. Die zum Beispiel wollen im Grunde nur eins: die nächste Schlagzeile über Schweinsteigers mutmaßliches Scheidungsdrama.

Der Ex-Fußballer schielt rüber in Neureuthers Metallfass, aus dem es mehr raucht als brennt, und sagt: „Na ja.“ Dann greift er zu einem Metallrohr, mit dem man das Feuer anpusten kann, bläst in seinen Grill und ruft: „Scheiße! Ausgeblasen.“ Beide lachen, was sie an diesem Nachmittag sehr häufig tun. Und schon ist das Duell wieder offen.

Zwei Freunde am Lagerfeuer, inszeniert in warmem Licht, das ist ja das, worum es gerade geht auf der Zielgeraden des Jahres. Zusammensein, sich wärmen, dazu etwas essen und natürlich Geschichten erzählen. Die Geschichte dieses Nachmittags ist die: zwei beste Freunde, die eine Grill-Marke wirklich richtig toll finden. Zumindest wünscht sich das die Marketing-Abteilung so. Die Wahrheit wäre eher, dass zwei Freunde sich freuen, zusammen rumblödeln zu können. Und der Wunsch der Boulevard-Kollegen: dass Schweinsteiger etwas zu seiner scheiternden Ehe mit Ex-Tennisspielerin Ana Ivanovic sagt, die sich interessanterweise genau 6,7 Kilometer weiter stadteinwärts an diesem Montag gerade auf ihren öffentlichen Auftritt am Abend vorbereitet.

Gesellschaftsempfänge sind immer eine Art Wettstreit. Jeder möchte seine Geschichte erzählen. Bei Petromax, wie die Grill-Stationen heißen, dürfen vor der Zündelei deshalb der Firmenchef und anschließend die beiden neuen Testimonials, also die beiden, die in den geplanten Werbe-Clips demnächst ihre Köpfe für die löchrigen Metallfässer hinhalten, erzählen, wie gut das alles zusammenpasst. Marke und Menschen seien beide authentisch, sagt der Petromax-Mann. Authentisch ist vor allem der Auftritt der beiden Väter, ziemlich angenehm unernst. Sie flüstern sich zu, witzeln rum, während der Firmenchef so oft von Bodenständigkeit und Freundschaft spricht, dass er es locker mit jedem Floskel-Interview nach einem Fußballspiel aufnehmen könnte. Neureuther erzählt dann noch ganz ernst, dass ein Grill, der einfach zu bedienen sei, gut zu ihnen passe.

Natürlich verliert niemand ein Wort über Familie und Kinder, sämtliche Journalistinnen und Journalisten wurden einzeln zuvor darauf hingewiesen, dass man nur nach Freundschaft und Feuer fragen solle. Als es doch ein Kollege versucht in der Presserunde, wird er zügig eingebremst.

Der Münchner Gastronom Rudi Kull, Ex-Fußballer Thorsten Fink and Johannes Fritz von Mercedes (von links).Der Münchner Gastronom Rudi Kull, Ex-Fußballer Thorsten Fink and Johannes Fritz von Mercedes (von links). (Foto: Gisela Schober/Getty Images / PR for Mandarin O)

Das ist ein paar Kilometer stadteinwärts ebenfalls so. Da treten bei der Laureus-Charity-Gala im Mandarin Oriental gleich einige Damen und Herren in Abendgarderobe und Sneaker vor die Kameras. Laureus, das ist eine Plattform ehemaliger Sportler, die sich für Kinder einsetzt, wie Roman Weidenfeller erklärt, der als Torwart bei Dortmund häufig gegen Schweinsteiger gespielt hat und sich im gediegenen Nobelhotel-Ambiente beim Flying Buffet etwa mit Tatar vom Ikarimi-Lachs die Stücke einer Wohltätigkeitsauktion ansieht, ehe es nach oben zum Dinner geht.

Und was wollen die Journalisten vom Stargast des Abends wissen, der in einem knallroten und knallengen Kleid samt goldenen High Heels dem Aufzug entsteigt? Natürlich alles über ihren Noch-Ehemann. Laut Bild hat Ana Ivanovic in München die Scheidung eingereicht und auf Unterhalt geklagt. Die beiden haben drei gemeinsame Söhne. Ivanovic sagt dazu allerdings erst einmal nichts.

Am Grill wiederum im Münchner Süden wird die Sache immer klarer. Schweinsteigers Vorsprung ist verspielt, weil er falsch gepustet und zu lange bei Neureuther rumkommentiert hat. Der bleibt ganz ruhig und bringt seinen ersten Grill zum Brennen. Die Kindergartenfreunde, „schon unsere Eltern und Großeltern haben sich gekannt“, wie Neureuther erzählt, schließen sich dann zusammen und entfachen noch drei weitere kleine Feuer. Was vielleicht auch daran liegt, dass sie ganz am Ende bei den zu verwendenden Utensilien einen Flambierbrenner finden, wie man ihn gemeinhin für Crème brûlée verwendet.

So etwas Profanes gibt es bei Laureus natürlich nicht, hier wird Krug-Champagner zum Nasu-Miso-Cracker gereicht.  Auf einem Empfang, bei dem frühere Sportgrößen wie Skifahrer Franz Klammer zugegen sind und von früher erzählen dürfen. Damals, als er vor 25 Jahren Laureus-Gründungsmitglied wurde, „zusammen mit dem Boris“, dem Becker. Oder Rennfahrerin Sophia Flörsch, die von ihrem Intervalltraining zur Weihnachtszeit berichtet.

Auch Rennfahrerin Sophia Flörsch war bei der Laureus-Charity-Veranstaltung im Mandarin Oriental.Auch Rennfahrerin Sophia Flörsch war bei der Laureus-Charity-Veranstaltung im Mandarin Oriental. (Foto: Gisela Schober/Getty Images / PR for Mandarin O)

Aber wer will das schon wissen, wenn man Neuigkeiten über das Ende einer früheren Welt-Traumehe bekommen könnte? Das sieht offensichtlich auch die Kollegin der Bunten so und versucht es mit der Schmeichel-Taktik. „Keine Fragen zur Familie bitte“, sagt ihr die Managerin noch, also wird zunächst das Outfit gelobt, ehe es über Laureus zu den Neujahrswünschen geht. Das ist verbal so elegant eingefädelt, dass Ivanovic ein „viel Zeit mit der Familie“ rausrutscht und erst bei der Nachfrage nach den Kindern den Kopf schüttelt.

Und dann gehen sie am Montagabend nach getaner Medienarbeit alle wieder auseinander, die Freunde vom Grill an der Industriehalle zu Einzelinterviews, die Gala-Gäste im Hotel hoch zum Dinner, die Veranstalter und Journalisten mit ein paar unterhaltsamen Bildern und Eindrücken in Kameras und Block. Wenn Schweinsteiger schon nichts über seine Ehe erzählt, dann ist es wenigstens eine kleine Geschichte, wie sich Neureuther und er einmal beinahe beim Wandern verirrt haben. Und wenn Ivanovic schon keine Titel-Schlagzeile liefert, macht sie immerhin eine irre gute Foto-Figur und mahnt, dass Kinder mehr Sport treiben und weniger das Smartphone nutzen sollten. Das sieht ihr Ehemann im Übrigen genauso, er empfiehlt mehr Zeit draußen – und am Grill.