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Was steht hier geschrieben? Für heutige Generationen ist es kaum mehr möglich, die Handschrift der uralten Briefe lesen zu können. Für Walter Hipper jedoch kein Problem. © Markus Ostermaier
„Buachna Streitsachen“: Walter Hipper beleuchtet in einem Buch 16 Prozesse zwischen 1530 und 1922
„G’strittn wurde und wird zu allen Zeiten und auf allen Ebenen.“ Zu diesem Resümee kommt Walter Hipper. Wie umfangreich und teils skurril Streitereien in den vorherigen Jahrhunderten waren, hat der 84-Jährige aus Buch mühevoll recherchiert. Entstanden ist das Buch „Buachna Streitsachen“ über 16 Prozesse zwischen 1530 und 1922.
Mit der Historie befasst sich Hipper schon lange. Unter seiner Federführung entstand 2008 eine Gemeinde-Chronik. Der Arbeitsaufwand war enorm, erinnert er sich: Das Niederbayerische Staatsarchiv in Landshut war früher nach Jahreszahlen und nicht nach Orten sortiert. „Es war fast unmöglich, etwas Passendes zu finden.“ Ein paar Jahre später erfolgte eine Umstrukturierung, und Hipper kam an mehr Informationen.
Rund 2000 Seiten gesichtet
Nach und nach begann er 2015 damit, Briefe, Klageschriften, Zeugenbefragungen und Gerichtsurteile zu lesen, zu übersetzen und neu per Hand aufzuschreiben. Heutige Generationen können die Schrift aus dem 16. Jahrhundert kaum mehr entziffern. Hipper gesteht, dass es auch für ihn herausfordernd war. „Immer wieder waren Begriffe in Latein dabei, da habe ich mich hartgetan. Oder bei einem Herzog sieht es so aus, als hätte er mit dem Säbel geschrieben“, meint er schmunzelnd. „Mit der Zeit kommt man aber rein, und Spaß macht es auch.“
Insgesamt waren es rund 2000 Seiten, die Hipper sichtete. Die Gemeinde übernahm für den Ehrenbürger die Anschaffung der Fotokopien. Die frühere Verwaltungsangestellte Stephanie Gaigl digitalisierte Hippers handschriftliche Übersetzungen. Daraus formulierte er die Zusammenfassungen für „Buachna Streitsachen“. Beim Layout unterstützte ihn sein Enkel Luca Hipper, die Gestaltung des Einbands übernahm sein Bruder Wolfgang Hipper.
Zehn Jahre lang recherchierte Walter Hipper über Prozesse aus dem 16. bis 20. Jahrhundert. Aus dem 2000-seitigen Informationsmaterial ist nun das Buch „Buachna Streitsachen“ entstanden. © Markus Ostermaier
Nach seinen Recherchen kommt der Autor zum Ergebnis, dass es schon immer und auf allen Ebenen Streit gab: „Ob Bischof gegen Herzog oder Adel, Adel gegen Bürger, Grundherr gegen Bauer, Gemeinde gegen Bürger. Ob berechtigt oder nicht, oft gegen jede Vernunft und bis zum finanziellen Ruin.“ Die älteste Geschichte ist ein Grenzstreit am Kaltenbach (1530/1531) von Bischof Philipp von Freising gegen seinen Cousin, Herzog Ludwig von Landshut. „Wie fast immer ging es um Geld, Macht und Weiber“, schreibt Hipper. Ausgangspunkt war ein Kriminalfall: Ein Medikus stiftete seine Affäre an, ihrem Mann Rattengift zu geben. Es entwickelte sich ein Streit um das Weiherhaus des Arztes.
Ein solcher tobte von 1620 bis 1624 zwischen dem Edelsitz von Buch und dem Urbarsbauer Herweger, weil angeblich eine Verpflichtung nicht erfüllt wurde: der Bau und die Pflege eines Heckenzauns zur Abwehr von Wild. Zehn Jahre dauerte der Zwist um das Testament des 1732 verstorbenen Pfarrers Schifferer aus Puech, so Buchs früherer Ortsname. Ein weiteres Kapitel handelt von einem Ehebruch am Edelsitz zu Puech (1738), was zu einer Verhaftung vor der Tadinger Kirche führte.
Auch Gaststätten waren Anlass für Streitigkeiten. Ein Prozess mit 250 Seiten entflammte von 1696 bis 1698 um die Taverne in Reithofen nach dem Tod des Wirts Georg Schwaiger. Auch zur Taverne in Buch gab es 1742 einen Erbstreit, weil beide Wirtsleute 1741 innerhalb eines Monats verstarben. Von den zehn Kindern bewarben sich zwei um die Verleihung des Gutanwesens. Weitere Anlässe für Prozesse waren eine Hirschjagd, weil die Teilnahme ohne Pferde erfolgte (1671), und der Neubau des früheren Bucher Pfarrhofs. Das vorherige Gebäude befand sich 1755 nach den Kriegen in einem desolaten Zustand, weswegen ein Streit zum Neubau startete.
Haben die Menschen dazu gelernt, wird heute weniger gestritten? Das bezweifelt der Autor: „Die Leute ändern sich nicht.“ Hipper kennt aktuelle Geschichten mit Auseinandersetzungen wegen Grundstücksangelegenheiten oder wenn eine Eiche zwischen zwei Arealen steht. „Manche Prozesse von früher kann man heute nur schwer nachvollziehen, aber so etwas gibt es immer noch.“
Mit seinem Buch möchte der Ehrenbürger mehr über Buchs Geschichte informieren, denn „wenn alles nur im Archiv liegt, erfährt es keiner“. 400 Exemplare hat Hipper drucken lassen, viele davon sind schon verkauft. Und Hippers Expertise ist im Ort wieder gefragt: Martin Loidl möchte die Namen der in den Kriegen gefallenen Bucher Soldaten bei einer Sammelstelle digitalisieren. Er fragte Hipper nach fehlenden Geburtsdaten – und wieder konnte der Heimatforscher mit seinem Wissensschatz helfen.
G’strittn wurde und wird zu allen Zeiten und auf allen Ebenen.