„Wenn Sie einen Spiegel gegen einen Spiegel halten, finden Sie einen Raum ohne Ende und Grenzen, einen Raum mit unbeschränkten Möglichkeiten, einen neuen metaphysischen Raum.“ Als Christian Megert diesen Satz in seinem Manifest von 1961 niederschrieb, katapultierte er sich mit 25 Jahren an die Spitze der Avantgarde. Und noch immer macht er mit seinen flexibel gehängten Spiegelstreifen und seinen in der Höhe und der Neigung variierenden Scheiben auf kleinen Holzklötzchen Furore, wie sich in der Galerie Fils zeigt. Wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag (6. Januar) trafen wir ihn voller Schaffenskraft in seinem großen, städtischen Atelier in Unterrath.

Vor einigen Monaten machte der ehemalige Düsseldorfer Museumschef Beat Wismer, der nach seiner Pensionierung wieder in der Schweiz arbeitet, ein Interview mit dem Spiegel-Künstler. Er wollte erfahren, warum dieser schon mit 22 Jahren so erfolgreich war. Megert erinnert sich: „Damals war ich noch Lehrling. Das gibt es in der Kunstgeschichte sonst nicht. Ich habe für die Schweiz die Expo aufgebaut. Ich wurde in den Salon des Maires nach Paris eingeladen, damals das Nationalmuseum in Frankreich. Ich nahm an den ersten Ruhrfestspielen nach dem Krieg in Recklinghausen teil. Aber ich war mir damals nicht bewusst, dass ich weltberühmt sei.“

Er ist ein Macher, der aus einer Zeit stammt, wo man in der Schweiz keine Kunst studieren konnte, aber die besten Künstler hervorbrachte. Er machte als Voraussetzung für die Kunstgewerbeschule eine Maurerlehre und schuf monochrome Reliefs, die so gut waren, dass der 21-jährige Lehrling den großen Schweizer Preis für Kunst erhielt. Er erzählt: „Ich habe von 1952 bis 1956 die Kunstgewerbeschule in Bern besucht. Man musste eine Berufslehre machen. Wir haben das technische Zeichnen gelernt. Freies Zeichnen musste man fakultativ dazu nehmen. Die Kunstgewerbeschule hatte berufsgebundene Fächer. Ich habe meine erste Ausstellung in Bern 1956 mit Weiß in Weiß gemalten Strukturbildern gehabt, bin dann aber abgehauen, weil sie mich in der Offiziersschule haben wollten. Ich war in Paris. Aber als de Gaulle an die Macht kam, ging alles nach Vorschrift. Wer keine Aufenthaltsgenehmigung hatte, flog raus. Ich konnte nur eine Handtasche mitnehmen.“

Seine großen Spiegelräume sind allerdings verloren gegangen. Selbst sein Raum von 1997 mit 60 Spiegeln im Kunstpalast wurde abgebaut. Es gibt keinen einzigen, ständigen Spiegelraum von ihm in Düsseldorf. Nur Entwürfe, um sie wiederaufzubauen. Im Atelier steht sein Modell für seine Jubiläumsschau am 24. Januar kommenden Jahres bei der Stifterin und Galeristin Dorothea van der Koelen in Mainz. Es enthält auch den Zero-Raum zur Documenta 1968: Ein Kasten, drei von vier Seiten sind offen. Der Pfiff liegt in der Auskleidung mit Spiegeln auf Decke und Boden, bei tatsächlichen Längen und Höhen von 2,40 Meter. Er hat ihn schon oft gezeigt, zuletzt in Lausanne und berichtet: „Wenn die Leute dort stehen, sind sie erschrocken. Sie haben das Gefühl zu schweben, weil sie sich nicht sehen. Sie haben ein völlig anderes Raumgefühl, weil sie ihr Gleichgewicht nicht mehr finden.“

Nach Düsseldorf zog er 1973, von 1976 bis 2002 hatte er einen Lehrstuhl für „Integration Bildende Kunst und Architektur“ an der Kunstakademie. Es war die Zeit, wo er als Professor anwesend sein musste. Megert erinnert sich: „Als mich Norbert Kricke und Alfonso Hüppi holten, musste ich nach Düsseldorf ziehen, ein Atelier in der Akademie haben und dort arbeiten. Noch heute bekomme ich Danksagungen von ehemaligen Studierenden, die gar nicht bei mir eingeschrieben waren, aber meine Kolloquien besuchten.“ Ehrenmitglied der Akademie ist er jedoch nicht.

Dennoch ist er beliebt. Zu seiner farbenfrohen, witzigen und zugleich raffinierten Schau bei Fils lagen ihm die Besucher zu Füßen. In Holland und Belgien ist seine Kunst begehrt und wird gekauft. Als er kürzlich in Tschechien ausstellte, kamen Hunderte von Besuchern. Er ist ein Tatenmensch geblieben.

Sein geräumiges Atelier ist Werkstatt und Materiallager, mit Bohrern, Schraubenziehern und Zangen, Schneide-Geräten, Winkeleisen und Zollstöcken, Säge- und Schneidemaschinen. Auf der Fensterbank liegen Skizzenbücher, in die er mit Bleistift ohne Lineal seine Ideen zeichnet, Materialien und Maße notiert, aus rechteckigen Dreiecken Berg- und Talformen schiebt, Kreise setzt, dunkle gegen helle Partien skizziert oder nach strenger Geometrie den Neigungswinkel berechnet, um das Prinzip der gegenseitigen Spiegelung immer wieder neu zu reflektieren. In einer zweiten Phase klebt er Lamellen, Quadrate, Kreise oder gekurvte Flächen aufs Papier, in Schwarz oder Weiß, und korrespondiert die Collage-Teile mit den gezeichneten Linien.

Seit über 40 Jahren hat er einen Rahmenmacher an der Bilker Allee, der nicht nur rahmt, sondern die Kästen wie deren Inhalt baut. Er weiß, wie er aus den präzisen Anweisungen einen minimalen Realraum aus verschieden geneigten Klötzchen herstellen muss, so dass im Rahmenobjekt ein Tiefenraum suggeriert wird. Er befestigt auch die Spiegel- und Farbflächen. Für seine Arbeiten auf Siebdruck fand Megert über seinen Galeristen Fils einen Fachmann im Schwarzwald, der die Auflagenobjekte ausführt.