Verhandelt wurde bis zuletzt. Noch am Montag war unklar, ob es für die geplanten Baugebiete an der Autobahn 5 im Frankfurter Nordwesten eine Mehrheit im Stadtparlament gibt. Denn die Rest-Koalition aus Grünen, SPD und Volt, die allein über nicht genügend Stimmen verfügt, sowie die Oppositionsfraktionen von CDU, FDP und Linken hatten unterschiedliche Vorstellungen über das weitere Vorgehen beim sogenannten Stadtteil der Quartiere, in dem bis zu 6800 Wohnungen entstehen sollen.

Planungsdezernent Marcus Gwechenberger (SPD) strebte eine breite Mehrheit für die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme an, deren Realisierung mehr als 15 Jahre in Anspruch nehmen wird. Dieses Ziel wird er wohl erreichen. Am Dienstagabend wurde im Haupt- und Finanzausschuss des Stadtparlaments mit den Stimmen der Koalition und der CDU ein Kompromiss beschlossen. Demnach kommt der neue Stadtteil in dem von Gwechenberger zuletzt geplanten Umfang.

Entwicklung beginnt in Praunheim

Mit dem Wunsch, auf das Quartier „Neu-Weststadt“ mit rund 400 Wohnungen im Anschluss an die Nordweststadt zu verzichten, konnte sich die CDU nicht durchsetzen. Dem Vernehmen nach wollten vor allem die Grünen diesem Punkt im Antrag der CDU nicht zustimmen. Nach Ansicht von CDU-Fraktionschef Nils Kößler wäre es allerdings „nach wie vor die beste Lösung“, das Quartier Neu-Weststadt nicht zu bauen, wie er nach der Sitzung mitteilte.

In einem Detail kommt die Koalition den Christdemokraten entgegen: Die Entwicklung soll nicht wie von Gwechenberger geplant auf heute landwirtschaftlich genutzten Flächen des sogenannten Lachgrabenquartiers zwischen dem Nordwestkrankenhaus und der Nordweststadt beginnen. Stattdessen soll auf Wunsch der CDU das Quartier „Produktives Praunheim“ im Anschluss an das Gewerbegebiet Heerstraße Priorität haben. Dort entsteht die vorläufige Endhaltestelle „Praunheim-Nord“ der Regionaltangente West, die bis 2029 fertiggestellt sein soll. Eine Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist damit im Gegensatz zum Lachgrabenquartier gesichert.

Mit der Planänderung sei kein zeitlicher Verzug verbunden, sagte ein Sprecher des Planungsdezernats. Ein Teil der Grundstücke im Quartier „Produktives Praunheim“ könne bebaut werden, bevor die Hochspannungsleitung, zu der ein Achtungsabstand eingehalten werden muss, auf die Westseite der Autobahn verlegt wird. Das Planungsdezernat rechnet damit, dass 2029 mit den ersten Bauarbeiten begonnen werden kann.

CDU gegen „blinde Maximierung der Wohnfläche“

Auswirkungen könnte der geänderte Ablauf aber auf den Wohnungsbau haben. Im Quartier „Produktives Praunheim“ liegt der Schwerpunkt auf Gewerbe. 3000 Arbeitsplätze und 2600 Wohnungen sind dort geplant. Im deutlich größeren Lachgrabenquartier hingegen können insgesamt 3800 Wohnungen und 2250 Arbeitsplätze entstehen. Ob das so bleibt, ist offen. Denn in einem Punkt des CDU-Antrags, dem die Koalition zustimmt, heißt es: „Das Quartier Lachgraben wird in Dimension und Dichte im Anschluss entwickelt und auf die vorhandenen Siedlungsstrukturen der Stadteile abgestimmt.“

Wie die CDU das verstanden haben will, erläutert Fraktionschef Kößler auf Nachfrage: „Mit der Vorgabe wollen wir sicherstellen, dass eine neue Bebauung verträglich mit vorhandener Umgebung, Umwelt, Infrastruktur und Nahversorgung ist, sich dort gut einfügen wird.“ Das sei wichtig, um ein „organisches Wachsen der Stadt“ zu erreichen, ohne Spannungen zu den bestehenden Stadtteilen aufzubauen. Die Maßgabe verhindere, dass im weiteren Planungsprozess die „blinde Maximierung“ der Wohnfläche als Ziel verfolgt werde.

Auch Linken-Antrag soll geprüft werden

Die Linke kritisierte den Beschluss. „Wir sind bestürzt darüber, dass die Römerkoalition solche Zugeständnisse an die CDU macht und klein beigibt“, sagte die planungspolitische Sprecherin Dominike Pauli. „Jetzt gibt es eine Mehrheit für die investorenfreundlichen Pläne, genau das Quartier zuerst zu entwickeln, das zu einem Großteil in privatwirtschaftlicher Hand ist.“ Investoren würden dort „Profite mit Wohnraum generieren“ und die Wohnungsnot weiter verschärfen, so Pauli.

Sinnvoller wäre es ihrer Ansicht nach, zuerst das Lachgrabenquartier zu entwickeln, das größtenteils in städtischer Hand sei. Dort soll nach Vorstellungen der Linken ausschließlich geförderter und genossenschaftlicher Wohnraum entstehen. Jetzt aber bestehe die Gefahr, dass der Stadtteil der Quartiere zu einem zweiten Riedberg wird.

Gleichwohl stimmte eine Mehrheit im Haupt- und Finanzausschuss dafür, den Antrag der Linken auf einen Beginn der Entwicklung am Lachgraben ebenso wie ihre sozialpolitischen Forderungen zu prüfen. Die FPD wiederum will privaten Bauherren mit der Herauslösung kleinerer Flächen eine Chance geben. Ihr Antrag bekam ebenfalls eine Mehrheit.

Für Michael Müller (Die Linke) wies diese Beschlusslage zu große Widersprüche auf. Planungsdezernent Marcus Gwechenberger (SPD) hingegen verstand nach eigenen Worten die Anträge so, dass der Stadtteil abschnittsweise mit einzelnen Bebauungsplänen entwickelt und dabei die Erschließung durch den Nahverkehr besonders berücksichtigt werden solle. „Ich lese die Anträge so, dass die Qualitäten der Vorlage bestätigt werden.“

Widerstand gegen den Beschluss war auch von den Ortsbeiräten 7 und 8 gekommen, in deren Gebiet der neue Stadtteil liegt. Sie kritisierten unter anderem, dass ihnen nicht genügend Zeit geblieben sei, sich mit der mehrere hundert Seiten starken Planungsunterlagen auseinanderzusetzen. Das Stadtparlament will diesen Bedenken mit einer Ergänzung des Beschlusses Rechnung tragen. Demnach soll es im nächsten Frühjahr eine Konferenz der betroffenen Ortsbeiräte geben, in der noch einmal ausführlich über den neuen Stadtteil diskutiert wird.