Jolla Phone mit Sailfish OSFinnisches Europa-Smartphone sperrt US-Tech-Giganten aus09.12.2025, 16:44 Uhr Icke-im-WaldVon Klaus WedekindJolla-Phone-2026Erste Exemplare des Jolla Phone sollen in der ersten Jahreshälfte 2026 ausgeliefert werden. (Foto: Jolla)TeilenFolgen auf:whatsappwhatsapp

Aufgeben gilt nicht: Ehemalige Nokia-Ingenieure starten einen neuen Versuch, ein von Google & Co. völlig unabhängiges Smartphone zu etablieren. Das Jolla Phone setzt mit dem auf Linux basierenden Betriebssystem Sailfish OS auf EU-Datenschutz, hat einen Wechsel-Akku und wird in Finnland endmontiert.

Aktuell diskutiert man in Europa zurecht viel darüber, wie man angesichts der unberechenbaren Trump-Regierung unabhängiger von US-Technologie werden kann. Dabei stellt man aber schnell fest, dass es nur wenige oder nicht ausreichende Alternativen gibt. Das trifft unter anderem auf Smartphones zu, die entweder iPhones oder Android-Geräte sind. Huaweis Harmony OS ist als chinesisches Betriebssystem keine echte Option. Das finnische Jolla Phone soll diese Lücke füllen. Das Smartphone läuft mit dem auf Linux basierenden Betriebssystem Sailfisch OS.

Schwierige Vergangenheit

Das Betriebssystem ist der Nachfolger des MeeGo OS, das von Nokia und Intel entwickelt und von der Linux Foundation betreut wurde. Es kam 2010 heraus, wurde aber bereits ein Jahr später von Nokia aufgegeben, das ab 2011 auf Microsofts Windows Phone umstieg. Intel und die Nokia Foundation starteten zusammen mit Samsung das Tizen OS, das unter anderem Samsung-Fernsehern als Betriebssystem dient. MeeGo verschwand aber nicht, sondern wurde als Sailfish OS weiterentwickelt – jetzt unter dem Dach von Jolla (Oy), einem 2011 von ehemaligen Nokia-Ingenieuren gegründeten Unternehmen.

Das Jolla Phone ist nicht das erste Smartphone der Finnen, das war das Jolla 1, das 2013 auf den Markt gebracht wurde. Ovwohl es in Finnland recht erfolgreich war, brachte es das Unternehmen dennoch nicht in die Erfolgsspur. Weil das Geld ausging, stieg im März 2018 der teilstaatliche russische Konzern Rostelekom ein. Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurde das Unternehmen dann restrukturiert, um den sanktionierten Anteileigner wieder loszuwerden. 2024 kam das C2 heraus, das im Prinzip aber lediglich ein mit Sailfish OS laufendes türkisches Reeder S19 Max Pro S ist.

Datenschutz hat Priorität

Das Jolla Phone ist seit dem ersten Gerät die erste komplette Neuentwicklung des Unternehmens, wobei das Betriebssystem aber nach wie vor den großen Unterschied zur Konkurrenz machen soll. „Im Gegensatz zu herkömmlichen Smartphones sendet Sailfish OS keine Hintergrunddaten, enthält keine versteckten Analysen und erfordert kein Google-Konto“ heißt es in der Pressemitteilung des Unternehmens. Auch sonst ist das Telefon voll auf Datenschutz ausgelegt: Es verfügt über einen physischen Schalter, mit dem Benutzer das Mikrofon, die Kamera und andere Sensoren nach Belieben deaktivieren können.

Um auch europäische Arbeitsplätze und die volle Kontrolle zu behalten, führt Jolla die Endmontage des Smartphones im finnischen Salo durch, wo früher auch die einst so erfolgreichen Nokia-Telefone hergestellt wurden. „Wir haben Salo als Montageort gewählt, um die finnische Kompetenz und Tradition im Bereich Mobiltelefone zu würdigen“, sagt CEO Sami Pienimäki. „Dies ist nicht nur ein Telefon – es ist ein Statement, dass Europa nach wie vor in der Lage ist, seine eigene Technologie nach seinen eigenen Vorstellungen zu entwickeln.“

Kompatibel mit Android-Apps

Wichtig ist natürlich auch, dass das neue Jolla-Smartphone alltagstauglich ist. Dazu soll beitragen, dass man auf dem Gerät Android-Apps installieren kann, was bei Linux-basierten Systemen gewöhnlich der Fall ist. „Banking-Apps, Messaging-Dienste und alltägliche Anwendungen funktionieren normal – ohne Überwachung durch Google“, schreibt Jolla. Möglich machen soll das die AppSupport-Technologie des Unternehmens, die es bereits seit 2013 unter anderem für Automobil-Systeme anbietet.

Interessant ist, dass die Mitglieder der Sailfish-OS-Community über die Spezifikationen auf einer Website abstimmen konnten. Fest stand zuvor nur, dass das Herz des Smartphones ein 5G-Chip von Mediatek bilden wird. Welcher genau das ist, hat Jolla allerdings bisher nicht mitgeteilt, lediglich „leistungsstark“ soll er sein.

Mittelklasse-Hardware mit großem Tausch-Akku

Der Prozessor hat 12 Gigabyte (GB) Arbeitsspeicher zur Seite. Der Flash-Speicher des Geräts ist mit 256 GB nicht allzu groß, kann aber mit microSD-Karten auf bis zu 2 Terabyte (TB) erweitert werden.

Das AMOLED-Display hat eine Bilddiagonale von 6 Zoll und löst mit 2.160 × 1.440 Pixeln auf (HD+). Die Bildwiederholfrequenz gibt Jolla nicht an, vermutlich beträgt sie 60 Hertz (Hz).

JollaDas Design erinnert an das von frühen Nokia-Smartphones. (Foto: Jolla)

Auf der Rückseite sitzt eine Hauptkamera, deren Sensor 50 Megapixel (MP) aufweist, dazu kommt eine Ultraweitwinkel-Kamera mit 13 MP. Zur Frontkamera macht Jolla keine weiteren Angaben. Der Akku hat mit 5500 Milliamperestunden eine hohe Kapazität und kann erfreulicherweise problemlos ausgetauscht werden. Dafür kann man die Rückseite abnehmen, weshalb das Gerät vermutlich nicht wasser- oder staubdicht ist.

Auslieferung kann noch dauern

Um das Smartphone profitabel auf den Markt bringen zu können, benötigte Jolla 2000 Vorbestellungen, am gestrigen Montag waren es bereits rund 2500. Wer jetzt ein Jolly Phone bestellen möchte, muss 99 Euro anzahlen, die auf den Gesamtpreis von 549 Euro angerechnet werden. Wann man das Gerät dann zugestellt bekommt, ist noch nicht ganz klar, die Auslieferung soll im ersten Halbjahr 2026 starten. Erhältlich ist der finnische Underdog in der EU, der Schweiz, Großbritannien und Norwegen.

Quelle: ntv.de