Finanzlöcher im Haushalt: Stuttgart erhöht Steuern auf breiter Front – IHK sieht „gravierenden Fehler“ Der Fahrzeugbau lahmt, das bekommt die Stadt bei der Gewerbesteuer zu spüren. Foto: dpa/Marijan Murat

Der Gemeinderat hat entschieden, bei welchen von zwei einträglichen Steuerarten er 2026 an der Schraube dreht. Einen interessanten Ausgabenposten gönnt sich Stuttgart.

Die Landeshauptstadt plante, in den nächsten beiden Jahren im Doppelhaushalt tiefrote Zahlen zu schreiben. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat Verwaltung und Gemeinderat aufgefordert, zum Haushaltsausgleich nicht nur freiwillige Leistungen in großem Umfang zurückzufahren, sondern auch die Einnahmen zu erhöhen. Dem folgt der Gemeinderat nun nicht nur bei der Hunde- und Zweitwohnungssteuer, sondern auch bei einer Haupteinnahmequelle.

In der zweiten Haushaltslesung am Dienstag hat sich die Mehrheit des Rates, dem Vernehmen nach ohne die Stimme von OB Frank Nopper (CDU) und gegen FDP, Freie Wähler und AfD, für eine höhere Gewerbesteuer entschieden. Sie war zuletzt im Jahr 2000 von 435 auf 420 Prozent gesenkt worden und steigt nun von 2026 an um zehn Punkte auf 430 Prozent. Das soll für die Stadtkasse im Doppelhaushalt netto 16,7 (2026) und 19,2 (2027) Millionen Euro zusätzlich bringen. Die Stadt hatte nach Rekordjahren bisher mit einer Gewerbesteuereinnahme von 700 (2026) und 800 (2027) Millionen Euro geplant.

Neun Buchstaben für 470 000 Euro

Die Erhöhung soll auf fünf Jahre bis einschließlich 2030 gelten. Bis dahin sollen im Ergebnishaushalt wieder dreistellige Millionenüberschüsse erwirtschaftet werden. Bereits zugestimmt hatte der Gemeinderat einer Verdoppelung der Zweitwohnungssteuer von zehn auf 20 Prozent von 2026 an und die Einführung der Übernachtungssteuer („Bettensteuer“) von Mitte 2026 an zur Kenntnis genommen. Die höhere Zweitwohnungssteuer soll 1,6 Millionen pro Jahr bringen, die Übernachtungssteuer zwei Millionen. Ein interessanter Ausgabenposten wurde derweil beschlossen: Damit die Gäste künftig zweifelsfrei wissen, in welcher Stadt sie sich zur Ruhe betten, soll auf dem Marktplatz ein Stuttgart-Sign aufgebaut werden. Die neun Buchstaben will sich der Gemeinderat trotz Finanznot voraussichtlich 470 000 Euro kosten lassen.

Die Verwaltung selbst hatte in ihrer „Giftliste“ eine Erhöhung der Grundsteuer vorgeschlagen, die ebenfalls 20 Millionen Euro bringen sollte. Das wurde rundweg abgelehnt. Mehrere Fraktionen hatten sich auf die Gewerbesteuer kapriziert, die Sozialdemokraten lieferten in ihrem Antrag dazu das Argument, dass Firmen durch die Grundsteuerreform in diesem Jahr um rund 30 Millionen Euro ent-, Hauseigentümer entsprechend belastet worden seien. Die Zahlen hatte die Verwaltung erhoben. Die SPD hatte daher eine Erhöhung der Gewerbesteuer um 20 Prozent gefordert.

IHK warnte vor höherer Gewerbesteuer

Die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart hatte vor der Sitzung in einem offenen Brief an alle Fraktionen im Gemeinderat vor einer Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes gewarnt. Dies wäre, so Hauptgeschäftsführerin Susanne Herre, ein gravierender Fehler. Damit riskiere die Stadt, „dass Unternehmen ihre Investitionen zurückfahren – oder den Standort Stuttgart ganz infrage stellen“. Wer gehe, komme nicht wieder. Herre fordert von der Stadtverwaltung „strukturelle Reformen“, Aufgabenkritik und das Heben von Effizienzpotenzialen.

IHK-Hauptgeschäftsführerin Susanne Herre warnt. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Auch nach Abschluss der zweiten Lesung und der kompletten Streichung neuer Stellen, auch bei Pflichtaufgaben der Verwaltung, segelt der Ergebnishaushalt dem Vernehmen nach noch deutlich im Minus, was das Regierungspräsidium (RP) als Rechtsaufsicht bisher nicht akzeptieren will. 2026 werde mit einem Minus im Finanzierungssaldo von rund 230 Millionen, im Jahr darauf mit rund minus 50 Millionen Euro gerechnet, heißt es.

Weiteres Gespräch mit Regierungspräsidium

In einem weiteren Spitzengespräch mit dem RP vor der dritten Lesung am 19. Dezember soll offenbar geklärt werden, ob die Behörde statt satt tiefroter vielleicht orangerote angehauchte Zahlen im Finanzierungssaldo akzeptieren würde. Im Finanzhaushalt, in dem die Investitionen abgebildet werden, waren mit Stand 26. September für den Doppelhaushalt 1,1 Milliarden Euro neue Kredite vorgesehen. Diese Summe soll durch diverse Streich- und Verschiebelisten gesunken sein. Sie kann durch die maximal 381 Millionen Euro, die Stuttgart aus dem kreditfinanzierten Sondervermögen des Bundes erhalten wird, weiter reduziert werden. Neue Zahlen dazu hat die Verwaltung bisher nicht genannt.