„Vom Himmel hoch, da komm ich her“ erklingt an diesem Donnerstag in der B-Ebene an der Hauptwache. Schon von der Rolltreppe aus sind die Jugendlichen zu hören, lange bevor sie sichtbar werden. Sieben Jungen und Mädchen stehen mit roten Weihnachtsmannmützen auf dem Kopf vor dem unterirdischen Eingang von Galeria Kaufhof. Sie haben Streichinstrumente, eine Gitarre, eine Trompete und eine Melodica mitgebracht. Ein Schild vor ihnen weist daraufhin, dass sie vom Heinrich-von-Gagern-Gymnasium kommen und für krebskranke Kinder sammeln. Um die Schüler herum hat sich eine Traube von Passanten gebildet. Der aufgeklappte Geigenkoffer vor ihnen ist schon gut mit Spenden befüllt.
Die Spendenaktion ist eine Tradition am Gagern, wie die Schule in Frankfurt meist genannt wird. Schon seit 40 Jahren musizieren Schüler des Gymnasiums an mehreren Nachmittagen und Wochenendtagen in der Adventszeit für krebskranke Kinder. „Alles begann, als ein Lehrer des Gagern an Krebs verstarb“, sagt Schulleiter Gerhard Köhler. Die Kinder wollten ein Zeichen setzen und organisierten die erste Spendenaktion für die Krebsstation des Universitätsklinikums in Frankfurt.
Geld für die Krebsstation
Seitdem führen die Gymnasiasten die Tradition in Eigenregie fort. Sie beantragen die Genehmigung beim städtischen Verkehrsbetrieb, organisieren sich in Schichten und besorgen Notenblätter, Notenständer und Stühle für die Musikanten. Eine halbe Million Euro haben sie so in den letzten 40 Jahren gesammelt. Mit diesem Geld wurde zum Beispiel neues Spielzeug für die Krebsstation besorgt und vieles mehr. „Die Schüler des Gagern sind einfach klasse“, sagt Köhler stolz. Ihre Eigeninitiative könne man nicht oft genug loben.
Franziska Schwamm gehört zum diesjährigen Organisationsteam der Spendenaktion. Seit der fünften Klasse singt die Schülerin mit, die mittlerweile die zwölfte Klasse des Gagern besucht. Trotz des Oberstufenstresses hat sie auch in diesem Jahr bisher keinen Termin verpasst. Franziska schätzt die lange Tradition der Spendenaktion und dass unmittelbar deutlich werde, für wen das Geld bestimmt sei. Denn die Aktion endet stets mit einem Abschlusskonzert auf der Krebsstation.
Auch von den Passanten in der B-Ebene bekommen die Schüler positive Rückmeldungen. Zwar werfen manche von ihnen nur einen beiläufigen Blick auf die Schüler oder halten kurz für ein Social-Media-Video inne. Doch viele spenden spontan, selbst Eilige: Eine ältere Dame etwa wirft noch schnell einen Schein in den Geigenkoffer, bevor sie davoneilt, um ihre Bahn zu erwischen. Eltern mit ihren Kindern, Touristen und Senioren verweilen und lauschen. Als die Schüler „Lasst uns froh und munter sein“ anstimmen, singen viele von ihnen begeistert mit. Unter ihnen ist auch Volker Riegert. Er höre den Schülern regelmäßig zu, erzählt der sechsundsechzigjährige Frankfurter. Das sei einfach schön.
Pelin Abuzahra gehört ebenfalls zu den regelmäßigen Zuhörerinnen. Sie hat selbst 1999 am Gagern Abitur gemacht und damals bei der Spendenaktion mitgesungen. Heute begleitet sie ihre zehnjährige Tochter, die Gitarre spielt. Ihre Tochter singt zum ersten Mal mit, aber die Atmosphäre ist ihr schon lange vertraut: Bereits im Kindergarten und in der Grundschule kam sie mit ihrer Mutter in die B-Ebene, um den Gagern-Schülern zuzuhören. Das Projekt sei schön, gerade weil es in der Weihnachtszeit ums Geben gehe, sagt die Fünftklässlerin.