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Der ehemalige Chef der Deutschen Parkinson-Vereinigung steht im Verdacht, Gelder des Vereins in Millionenhöhe abgezweigt zu haben. Nach Informationen von NDR, WDR und SZ wurde gegen ihn nun Anklage erhoben.
Im Jahr 2023 hatte eine der größten Patientenorganisationen in Deutschland, die Deutsche Parkinson-Vereinigung (DPV), eine folgenreiche Entdeckung gemacht. Sie erhob schwere Vorwürfe gegen ihren damaligen Geschäftsführer Friedrich Wilhelm Mehrhoff. Dieser, so die internen Vorwürfe, soll jahrelang enorme Summen des Vereinsvermögens auf ein dem Vorstand unbekanntes Konto umgeleitet und für sich privat genutzt haben.
Die DPV hatte deshalb Strafanzeige erstattet, die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Anklage gegen Ex-Geschäftsführer
Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) hat die Staatsanwaltschaft nun Anklage gegen den ehemaligen Geschäftsführer erhoben. Auf eine Anfrage ließ Mehrhoff wissen, dass er sich nicht zu den Vorwürfen äußern wolle.
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigte eine Anklageerhebung, über die Zulassung hat das Landgericht noch nicht entscheiden. Beide Behörden lehnten es auf Anfrage ab, über den Inhalt der Anklage und die Tatvorwürfe Auskunft zu geben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Mehrhoff eröffnete offenbar „Schattenkonto“
Mehrhoff, so der Verdacht der Parkinson-Vereinigung, soll im August 2007 bei der Sparda-Bank West in Neuss ein Konto auf den Namen der Parkinson-Vereinigung eröffnet haben. Für dieses soll nur er die alleinige Bankvollmacht besessen haben. Dem Vorstand der Patientenorganisation soll er das Konto verschwiegen haben.
Von diesem Schattenkonto soll Mehrhoff regelmäßig Geldbeträge in Höhe von 2.000 Euro am Bankautomaten abgehoben haben. Das Geld soll er sich dann mit einer Mitarbeiterin geteilt haben. Außer den Abhebungen am Automaten soll es auch größere Bargeld-Abhebungen am Bankschalter gegeben haben.
Von dem Geld sollen auch gemeinsame Reisen von Mehrhoff und der Mitarbeiterin finanziert worden seien. WDR, NDR und SZ liegt unter anderem eine Buchungsbestätigung eines Wohlfühl-Hotels auf den Namen Mehrhoffs und der Mitarbeiterin vor. Gebucht wurde die Reise laut Unterlagen direkt von der Email-Adresse der Deutschen Parkinson-Vereinigung aus.
Geld kam offenbar aus Erbschaften
Aufgefüllt worden sein soll das Schattenkonto unter anderem mit Erbschaften. Immer wieder überlassen Parkinsonpatienten im Fall ihres Todes der Selbsthilfe-Vereinigung Teile ihres Vermögens, um damit etwa die Forschung über die Krankheit und neue Therapien zu finanzieren.
Mehrhoff und die damalige Mitarbeiterin sollen zwar eine offizielle Liste über Erbschaften und Vermächtnisse geführt haben, doch in diese Liste sollen manche Erbschaften gar nicht eingetragen worden sein. Stattdessen soll Mehrhoff den betreffenden Angehörigen einen Brief mit Briefkopf der Parkinson-Vereinigung geschrieben und darin die Kontonummer des besagten Schattenkontos mitgeteilt haben, auf die sie das Geld überweisen sollten.
Als Mehrhoff im Jahr 2022 das Schattengeldkonto aufgelöst haben soll, soll er zuvor noch rund 18.000 Euro an seine Mitarbeiterin übermittelt haben, die etwa die Hälfte des Betrags wieder auf ein Konto von Mehrhoff geleitet haben soll.
Als WDR, NDR und SZ für diese Recherche Mehrhoff am Telefon gefragt haben, wie man ihn für schriftliche Fragen erreichen könne, sagte dieser „gar nicht“ und legte auf. Eine E-Mail an seinen bisherigen Anwalt blieb ebenfalls bislang unbeantwortet.
Verein beklagt „existenzbedrohende Situation“
Auch vereinsintern hat der Fall offenbar schwerwiegende Folgen: Es sei eine „existenzbedrohende Situation“ gewesen, in die die Vereinigung mit ihren 14.000 Mitgliedern durch das Geschäftsgebaren ihres ehemaligen Geschäftsführers geraten sei, so schreiben es die beauftragten Juristen in der aktuellen Ausgabe der DPV-Mitgliederzeitung.
Denn nachdem die Missstände bekannt wurden, hätten sich die Finanzbehörden gemeldet und die Gemeinnützigkeit der Parkinson-Vereinigung aberkannt, „und zwar für alle Jahre bis 2012“, wie Vereinigungs-Anwalt Bernd Rühland den Mitgliedern schrieb. Das Finanzamt forderte demnach alle Steuervergünstigungen der vergangenen Jahre zurück, also Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer und Erbschaftssteuer. Insgesamt gehe es um „einen zweistelligen Millionenbetrag“, so Rühland.
So viel Geld konnte die Patientenorganisation aber nicht aufbringen. Eine formelle Insolvenz hat der Verein nur durch ein so genanntes Restrukturierungverfahren abgewendet. Die Folge sei, „dass wir nun keine Schulden mehr haben, aber unser Tafelsilber abgeben mussten“, sagt Klaus Nerlich vom Vorstand der DPV. „Wir müssen richtig kleine Brötchen backen im Augenblick.“ Auf Anfrage teilt Anwalt Rühland mit, dass das Verfahren für die DPV inzwischen abgeschlossen und die Gemeinnützigkeit wiederhergestellt sei.
Zweistelliger Millionenbetrag zurückgefordert
35 Jahre lang war Friedrich-Wilhelm Mehrhoff Geschäftsführer der DPV. Nach Informationen von NDR, WDR und SZ beginnt im Januar der Zivilprozess der Parkinson-Vereinigung gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer. Die Patientenorganisation will nicht nur die rund 1,5 Millionen Euro erstattet bekommen, die er über das Schattenkonto abgezweigt haben soll, sondern auch die Steuernachzahlungen, die die Vereinigung leisten musste. Insgesamt soll es um einen zweistelligen Millionenbetrag gehen.
Alles Geld, das das Gericht der Patientenorganisation zusprechen sollte, würde aber laut dem Vorstand nicht in die eigenen Kassen, sondern direkt dem Finanzamt und den Krankenkassen zufließen. Dies ist Bedingung des Restrukturierungsverfahrens, mit dem der Verein die Insolvenz verhinderte.
Keine Gelder mehr an die DPV geflossen
Die Krankenkassen zeigen sich bei Fragen zu den Vorgängen bei der Parkinson-Vereinigung eher zugeknöpft. Laut Tobias Mayer vom Verband der Ersatzkassen (VDEK), der stellvertretend für die Gesetzlichen Krankenkassen die Zahlungen an die DPV abwickelt, seien nach Bekanntwerden der Vorwürfe 2023 keine Gelder mehr an die DPV geflossen. Für die Jahre seit 2012, für die die Gemeinnützigkeit rückwirkend aberkannt wurde, seien die Krankenkassen „bestrebt, unberechtigt erhaltene Fördermittel von der DPV zurückzufordern.“ Um wie viel Geld es dabei geht, will der VDEK nicht beantworten.
Wie aus der Parkinson-Vereinigung zu hören ist, sollen die Krankenkassen insgesamt eine Million Euro für die Jahre 2012 bis 2023 zurück gefordert haben.
