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Auch die Münchner Innenstadt erscheint in der neuen 3D-Karte: Jedes Gebäude – vom Altbau bis zum Hochhaus – wurde präzise aus dem All vermessen. © TUM
Münchner Forscher haben die weltweit erste vollständige 3D-Karte menschlicher Siedlungen erstellt – mit neuen Daten zur Wohnraumnutzung.
Wie viel Raum hat ein Mensch zum Leben – und wie ungleich ist er verteilt? Diese Frage lässt sich jetzt erstmals präzise beantworten. Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben eine weltweite 3D-Karte erstellt, die alle Gebäude der Erde erfasst. Das digitale Abbild zeigt, wo Städte wachsen, wo Wohnraum fehlt – und wie eng Menschen in manchen Regionen leben.
Für die Vermessung nutzte das Team um die Geodatenwissenschaftlerin Xiaoxiang Zhu Satellitenbilder der PlanetScope-Konstellation aus dem Jahr 2019. Diese liefern täglich hochauflösende Aufnahmen fast jedes Ortes auf der Erde. Aus ihnen entstand das bisher genaueste 3D-Abbild menschlicher Siedlungen – von Megastädten bis zu entlegenen Dörfern.
Der sogenannte GlobalBuildingAtlas umfasst 2,75 Milliarden Gebäude mit einer Auflösung von drei Metern. Das ist 30-mal feiner als bei bisherigen Karten. In 97 Prozent der Fälle gelang es, Höhe und Volumen jedes Gebäudes zu berechnen – damit liegt erstmals ein vollständiges, globales Modell der bebauten Welt vor.
Neue 3D-Gebäudekarte offenbart Unterschiede im Wohnraum
Die Auswertung der 3D-Gebäudekarte zeigt erstmals, wie stark sich die Bauaktivität weltweit unterscheidet. In Asien stehen rund 1,22 Milliarden Gebäude, in Afrika 540 Millionen, in Europa 403 Millionen und in Nordamerika 295 Millionen.
Doch die reine Zahl sagt wenig über Lebensqualität. In Afrika sind viele Häuser niedrig gebaut, häufig nur einstöckig. Die gesamte Gebäudefläche liegt dort bei rund 38 Milliarden Quadratmetern – in Asien ist sie fast sechsmal so groß. Solche Unterschiede lassen sich erstmals exakt messen.
Gebäudevolumen wird neuer Indikator für Wohlstand
Das Forschungsteam führt mit seiner Arbeit eine neue Messgröße ein: das Gebäudevolumen pro Kopf. Es beschreibt, wie viel umbauter Raum Menschen tatsächlich nutzen können. „3D-Gebäudeinformationen liefern ein deutlich genaueres Bild von Urbanisierung und Armut als klassische 2D-Karten“, sagt Zhu.
Content-Partnerschaft
Dieser Artikel entstand in einer Content-Partnerschaft mit smartup-news.de
Die Berechnungen zeigen klare Unterschiede: In Finnland steht pro Einwohner sechsmal mehr Gebäuderaum zur Verfügung als in Griechenland. In Niger beträgt das Bauvolumen pro Kopf nur ein Dreißigstel des weltweiten Durchschnitts – ein Wert, der Armut und Überbevölkerung sichtbar macht.
Europäische Städte besonders präzise erfasst
Die Genauigkeit der Daten variiert je nach Region. In Europa und Ozeanien beträgt der durchschnittliche Messfehler rund fünf Meter, in Südamerika knapp neun. Unterschiede ergeben sich durch Bauformen und durch fehlende Vergleichsdaten in ärmeren Ländern.
Trotzdem ist der Datensatz der vollständigste seiner Art. Zhu nennt ihn einen „offenen Schatz für Stadtplanung, Klimaforschung und Katastrophenschutz“.
Satelliten zeigen, wie ungleich Städte wachsen
Die Karte zeigt nicht nur, wie Menschen wohnen, sondern auch wie schnell Städte wachsen. In Asien konzentriert sich fast die Hälfte des weltweiten Gebäudebestands auf China und Indien. In Afrika entstehen neue Stadtviertel im Rekordtempo – oft ohne stabile Infrastruktur.
Die Forscher wollen die Daten regelmäßig aktualisieren, um zu beobachten, wo sich Ballungsräume ausdehnen und wie sich das auf Energiebedarf, Verkehr und Lebensqualität auswirkt.
Gebäudevolumen spiegelt Wirtschaftskraft und Entwicklung
Das Gebäudevolumen pro Kopf korreliert stark mit der Wirtschaftskraft eines Landes. Je größer der verfügbare Raum, desto höher das Bruttoinlandsprodukt. Die Korrelation beträgt 0,85 – deutlich stärker als bei bisherigen Flächenkennzahlen. Damit lässt sich der Entwicklungsstand einer Region realistischer einschätzen als je zuvor.
Der GlobalBuildingAtlas soll helfen, den Fortschritt bei den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen zu messen. Besonders beim Ziel 11 – „nachhaltige Städte und Gemeinden“ – liefert er neue Anhaltspunkte. „Durch das 3D-Modell wird sichtbar, wie unterschiedlich der verfügbare Raum verteilt ist“, erklärt Zhu. „So lässt sich besser beurteilen, wo Investitionen in Infrastruktur oder Wohnbau am dringendsten sind.“
Offene Daten für Planung und Klimaschutz
Die Ergebnisse sind öffentlich zugänglich und können in vielen Bereichen genutzt werden – von Energieanalysen über Verkehrsplanung bis zur Katastrophenvorsorge. Bei Hochwasser oder Erdbeben helfen die Modelle, gefährdete Gebäude schneller zu identifizieren.
Zhu sieht darin eine Chance, „Städte inklusiver und widerstandsfähiger zu gestalten“. Das digitale Abbild der Erde zeigt, wie unterschiedlich Menschen leben – und liefert erstmals Zahlen, um daraus konkrete Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.
Kurz zusammengefasst:
- Die TU München hat mit Satellitendaten eine globale 3D-Karte von 2,75 Milliarden Gebäuden erstellt – das genaueste Abbild menschlicher Siedlungen.
- Die Daten zeigen, wie unterschiedlich Menschen weltweit wohnen: In Finnland steht pro Kopf sechsmal mehr Gebäuderaum zur Verfügung als in Griechenland.
- Das neu eingeführte Maß „Gebäudevolumen pro Kopf“ hilft, Wohnraummangel, Ungleichheit und den Fortschritt bei den UN-Nachhaltigkeitszielen besser zu bewerten.