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FrauenKatzenmutation und Kinderwagen: „Die Tage der Hyäne“ in Hannover. © China Hopson

Irrungen und Wirrungen rund um den Themenkomplex Schwanger- und Mutterschaft arbeitet das Staatstheater Hannover jetzt im Ballhof Eins auf.

Hannover – „Es waren seltsame Tage“, sagt die Protagonistin im Schlussbild. Das ist noch dezent formuliert: „Die Tage der Hyäne“, so der Titel einer deutschsprachigen Erstaufführung im Ballhof Eins, erweisen sich als äußerst facettenreich und nicht selten widersprüchlich – die finnische Autorin Saara Turunen hat ihren Blick auf Irrungen und Wirrungen rund um den Themenkomplex Schwanger- und Mutterschaft gerichtet.

Und auf den Kinderwunsch, von dem die Hauptfigur, eine namenlose Schriftstellerin, beseelt ist – Stella Hilb spielt sie, während sich je zwei Darstellerinnen und Darsteller die anderen Rollen, immerhin 25 an der Zahl, teilen. Da gibt es zum Beispiel die Freundin, die stets eine wuschelige Katzenmutation mit sich herumträgt und das Begehren der Schriftstellerin kaum nachvollziehen kann: „Die Erde verkraftet es nicht, wenn sich alle vermehren“, lässt sie verlauten. „Außerdem gibt es auch andere Arten zu leben.“ Eine vergleichsweise ausführliche Rede in einer Inszenierung, die in erster Linie von bildhaften Kurzszenen lebt.

Kein Interesse an Kitschmomenten

Turunen hat selbst Regie geführt und zeigt sehr schnell, dass sie an Kitschmomenten nicht interessiert ist. Es geht zunächst ausführlich um Schwangerschaftstests, dann um das Geschehen in einer Arztpraxis, um Spritzen, um den mit Pornoheft und Töpfchen zwecks Samenabgabe in den Nebenraum geschickten Ehemann, um Inseminationskatheter – kurz, von anheimelnden oder gar romantischen Stimmungen kann nun wirklich keine Rede sein. Zumal diese Prozeduren nicht zum Erfolg führen. Das ändert sich erst, als die Handlung die Ebene des Rationalen verlässt: Der Arzt gibt plötzlich den Schamanen, fuchtelt mit Radieschen, Rauchmaschine und Reisigbesen herum. Seine Patientin hat da bereits ihrerseits Wandlungen durchgemacht, das Animalische, das Hyänenhafte in sich entdeckt und entsprechende Ohren und Zähne auf- beziehungsweise eingesetzt. Und was immer den Ausschlag gegeben haben mag: Endlich kommt es zur Schwangerschaft.

„Ich hab das Gefühl, dass es eine andere Welt gibt“

Die alsbald gekoppelt ist mit dem Auftritt von zahlreichen Personen mit mal mehr, mal weniger nützlichen Ratschlägen. Eine Gesundheitsberaterin führt ermüdend aus, welche Lebensmittel für die werdende Mutter angesagt und vor allem verboten sind. Die Entspannungstrainerin erweist sich als wenig entspannt, und den Eltern fällt aus lauter Verlegenheit nichts anderes ein als über ihren letzten Urlaub zu reden. Eine Ärztin ist da mit beruhigenden Worten angesichts eines plötzlichen Blutflusses schon hilfreicher. Einige dieser Figuren sind allerdings stark und unkomisch überzeichnet; auch über Männer in den Rollen schwangerer Frauen kann man geteilter Meinung sein. Überhaupt beginnt die Inszenierung nun teilweise zu zerfasern, obwohl es immer wieder spannende Momente gibt, wenn etwa die Katzenfreundin erklärt: „Ich hab das Gefühl, dass es eine andere Welt gibt, in die alle, die Kinder bekommen haben, verschwinden.“

Die Hyänenfrau bleibt nach der Geburt sichtbar. Sie hat zwar nun den einen oder anderen neuen Verdruss, kommt aber soweit zur Ruhe, dass sie die tierischen Accessoires ablegt und das eingangs erwähnte Resümee zieht. Die Szene strahlt so etwas wie Zufriedenheit aus, die sich aber nur bedingt auf das unterschiedlich reagierende Publikum überträgt. Denn der Abend wirkt immer wieder atmosphärisch arg diffus, und es ist kein sonderlich gutes Zeichen, wenn einer der spannendsten Aspekte nicht durch das Bühnengeschehen, sondern durch die Lektüre des Programmhefts deutlich wird: Da beschreibt Turunen ihre Suche nach malerischen Geburtsdarstellungen – demnach musste sie sich durch haufenweise religiöse Ikonographie und Amateur-Esoterik kämpfen, bis sie auf Gemälde von Judy Chicago und Susanne du Toit stieß.