Wenn man Kash Patel glaubt, ist der Fall eindeutig. „Gerade eben hat das FBI die Richterin Hannah Dugan aus Milwaukee, Wisconsin, unter dem Vorwurf der Behinderung verhaftet, nachdem es Beweise dafür gab, dass Richterin Dugan letzte Woche eine Verhaftungsaktion von Einwanderern behindert hat“, schrieb der Chef der US-Bundespolizei FBI am Freitag auf seinem Twitter-Kanal. Später postete er ein Foto der Richterin, auf dem sie in Handschellen abgeführt wird. „Niemand steht über dem Gesetz“, schrieb Patel dazu.
Was war passiert? Am Freitag verhaftete das FBI eine Bezirksrichterin aus Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin. Sie wird beschuldigt, einen mexikanischen Mann, der wegen häuslicher Gewalt angeklagt war, vergangene Woche durch eine Tür aus dem Gerichtssaal begleitet zu haben, nachdem sie erfahren hatte, dass die US-Einwanderungsbehörden ihn festnehmen wollten.
Der Mann wurde außerhalb des Gerichtsgebäudes nach einer Verfolgungsjagd verhaftet. Dugan wurde festgenommen. Der Vorwurf: Sie soll die Arbeit einer Bundesbehörde und die Festnahme eines Mannes ohne gültige Papiere behindert haben.
Justizministerin bedroht Richter
Die Richterin ist nach einer Anhörung wieder freigelassen, am 15. Mai ist der nächste Gerichtstermin. Nach ihrer Verhaftung hatte es in Milwaukee Demonstrationen für den Schutz der Justiz und gegen die Trump-Regierung gegeben.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Externen Inhalt anzeigen
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Externen Inhalt anzeigen
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Es ist der jüngste Eklat im Kampf zwischen der Justiz und der Regierung von US-Präsident Donald Trump. Und die Frage stellt sich: Versucht Trump die US-Justiz durch immer schärfere Maßnahmen zu bedrohen und so auf Linie zu bringen?
Fest steht: Die Judikative in den Vereinigten Staaten gerät immer öfter ins Visier der Regierung von Donald Trump. Seit Beginn von dessen Amtszeit geht der Präsident Richter immer wieder öffentlich an, bezeichnet sie als „linksradikale Verrückte“, wenn ihm Entscheidungen nicht passen.
Doch nicht nur das. Trumps gesamtes Umfeld tritt zunehmend aggressiv gegenüber der Richterschaft auf – inklusive der Justizministerin persönlich. Bezogen auf den aktuellen Fall der Richterin aus Wisconsin sagte Pam Bondi auf dem konservativen Sender Fox News: „Manche dieser Richter meinen, sie stünden über dem Gesetz. Das tun sie nicht“, sagte sie. „Wir werden Sie verfolgen und Ihnen den Prozess machen. Wir werden Sie finden.“
US-Justizministerin Pam Bondi äußerte sich bei Fox News zur Festnahme der Richterin aus Wisconsin.
© Reuters/Ken Cedeno
Zudem suggerierte sie, dass mit der Legislative in den USA etwas grundsätzlich nicht in Ordnung sei. „Was mit unserer Justiz passiert ist, ist mir unbegreiflich“, sagte Bondi.
Auch der enge Trump-Vertraute und Multimilliardär Elon Musk hält sich gegenüber unliebsamen Richter-Entscheidungen nicht zurück. Auf seinem Social-Media-Portal X nannte er Richter „korrupt“, „radikal“, „böse“ und sprach von einer „Tyrannei der Justiz“, nachdem Richter Teile des von ihm geleiteten Stellenabbaus durch dessen sogenannte „Behörde für Regierungseffizienz“ (Doge) blockiert hatten.
Elon Musk versuchte in Wisconsin die Wahl für einen Sitz am dortigen Obersten Gericht zu beeinflussen.
© REUTERS/VINCENT ALBAN
Zudem versuchte er, eine Wahl für einen Sitz am Obersten Gericht im Bundesstaat Wisconsin zu beeinflussen, indem er Wählern öffentlichkeitswirksam Schecks über eine Million Dollar überreichte.
Die Justiz in den USA fühlt sich bedroht
Die Justiz in den USA sieht sich durch diese Attacken stark bedroht – und versuchte sich in den vergangenen Wochen dagegen zu wehren. Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes, John Roberts, kritisierte Mitte März den Präsidenten in einer seltenen Stellungnahme für seine Forderung nach der Absetzung eines Bundesrichters.
Und bereits Anfang März hatte die landesweit größte Vereinigung von US-Bundesrichtern vor einer Zunahme von Kritik, Drohungen und Gewalt gegen die Justiz gewarnt. So könne das öffentliche Vertrauen in das Gerichtssystem untergraben werden.
Eigentlich sind Bundesrichter in den USA durch besondere Privilegien geschützt. Sie werden auf Lebenszeit ernannt und können nur aufwändig ihres Amtes enthoben werden. „Aktuell geraten diese Schutzmechanismen jedoch zunehmend unter Druck“, sagt Christian Lammert, Professor für Politikwissenschaft am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin.
Drohungen und Einschüchterungsversuche gegen Richter und deren Familien nehmen deutlich zu, was verstärkte Sicherheitsmaßnahmen notwendig macht.
Christian Lammert, Professor für Politikwissenschaft am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin.
„Präsident Trump und seine Anhänger greifen Bundesrichter öffentlich an, ignorieren gerichtliche Anordnungen und fordern offen deren Absetzung. Gleichzeitig nehmen Drohungen und Einschüchterungsversuche gegen Richter und ihre Familien deutlich zu, was verstärkte Sicherheitsmaßnahmen notwendig macht.“
Tatsächlich mussten etwa zwei Richter aus New York Anfang März zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen bekommen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Sie hatten den Mitarbeitern der von Musk betriebenen sogenannten Abteilung für Regierungseffizienz den Zugang zu sensiblen Daten des Finanzministeriums verwehrt.
Die Bedrohungen gegen Bundesrichter nehmen zu
Reuters berichtet zudem von einer Zunahme der Bedrohung gegen Bundesrichter insgesamt, sodass sich die für deren Schutz zuständige Sicherheitsbehörde veranlasst sah, diese vor einer ungewöhnlich hohen Anzahl an Drohungen zu warnen. „Die faktische Unabhängigkeit der Bundesrichter wird so durch politische Angriffe, Missachtung ihrer Urteile und eine Atmosphäre der Einschüchterung massiv gefährdet“, sagt Christian Lammert.
Auf die derzeitigen Entwicklungen und den jüngsten Fall der Verhaftung Hannah Dugans blickt er mit Sorge. „Ihre Verhaftung ist ein massiver Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz und muss im Kontext der restriktiven Einwanderungspolitik der Trump-Administration gesehen werden“, sagt er dem Tagesspiegel.
Christian Lammert ist Professor für Politikwissenschaft am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien (DGfA).
„Die Vorwürfe gegen Dugan, sie habe einem Migranten ohne gültige Papiere geholfen, wirken konstruiert und werden weithin als politisch motivierter Einschüchterungsversuch verstanden, um Richterinnen und Richter, die sich nicht kompromisslos der harten Linie der Regierung anschließen, unter Druck zu setzen.“
Hintergrund der meisten Auseinandersetzungen zwischen Justiz und Regierung ist tatsächlich Trumps rechtlich zweifelhafte Einwanderungspolitik. Mehrere Gerichte stoppten bereits Maßnahmen zur Abschiebung von Migranten. Der prominenteste Fall ist wohl der von Abrego Garcia.
Donald Trump (rechts) und El Salvadors Präsident Nayib Bukele weigern sich, Abrego Garcia in die USA zurückkehren zu lassen.
© AFP/BRENDAN SMIALOWSKI
Der Salvadorianer war vor einem Monat in ein für seine Gewalt berüchtigtes Hochsicherheitsgefängnis abgeschoben worden. Trumps Regierung hatte behauptet, dass er einer terroristischen Vereinigung angehöre, musste aber später zugeben, dass er wegen eines Verwaltungsfehlers abgeschoben wurde.
Trotzdem weigerten sich Trump und der Präsident El Salvadors, Nayib Bukele, öffentlichkeitswirksam, den Mann zurück in die USA zu bringen. Der Oberste Gerichtshof der USA hatte allerdings einstimmig angewiesen, dass sich die US-Regierung für eine Rückkehr des Mannes einsetzen müsse, ohne allerdings eine Frist zu setzen. Der Anweisung ist die US-Regierung bis heute nicht nachgekommen.
Mehr zum Thema lesen Sie hier mit Tagesspiegel Plus Er herrscht in El Salvador mit großer Härte Warum Trump Bukele so bewundert Donald Trump baut Amerika um „Manches wird unwiederbringlich verloren sein“ Abschiebung aus USA trotz Richter-Beschluss „Wir steuern immer schneller auf eine Verfassungskrise zu“
Nun also der Eklat um Hannah Dugan, der darauf hinzudeuten scheint, dass die US-Regierung den Konflikt mit der Justiz weiter eskalieren lassen will, um ihre Ziele bei der Einwanderungspolitik durchzusetzen.
„Gerade in Zeiten, in denen die Administration mit aller Härte gegen Migranten und deren Unterstützer vorgeht, ist die Festnahme einer sozial engagierten Richterin ein alarmierendes Signal: Sie soll offenbar als Exempel dienen, um die Justiz auf Linie zu bringen und kritische Stimmen mundtot zu machen“, sagt Christian Lammert.