„Prinz des Humbugs“ oder Ikone?Trump vergleicht Selenskyj mit US-amerikanischer Legende10.12.2025, 11:19 Uhr Von Maximilian Perseke
Aufnahme von Phineas Taylor Barnum (1810-1891, abfotografierte Daguerreotypie). (Foto: IMAGO/GRANGER Historical Picture Archive)TeilenFolgen auf:
Wenn US-Präsident Trump über jemand anderes spricht, kann es eine vernichtende Kritik sein, ein ausgesprochenes Lob – aber auch etwas dazwischen. Als Letzteres erscheint eine Beschreibung Selenskyjs, die Trump jüngst von sich gibt.
US-Präsident Donald Trump vergleicht seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj in seinem jüngsten „Poltico“-Interview mit einer US-amerikanischen Ikone der Popkultur – und vereint in seinem Statement offenbar eine Mischung aus Kritik am ukrainischen Präsidenten mit einem Anflug von Anerkennung.
Der Kontext: Gegenüber der in der Ukraine geborenen US-Journalistin Dasha Burns erläutert Trump zunächst hinsichtlich des bisher einzigen direkten Aufeinandertreffens des ukrainischen Präsidenten Selenskyj mit seinem russischen Counterpart Putin beim Normandie-Format in Frankreich 2019: „Wissen Sie, als Selenskyj das erste Mal ins Amt kam und Putin zum ersten Mal traf, sagte er: ‚Ich will zwei Dinge. Ich will die Krim zurück, und wir werden Nato-Mitglied.'“
Bevor Trumps Selenskyj-Vergleich angesprochen wird, zunächst eine kurze Einordnung: Was Trump hier als Gesprächsinhalt vom Normandie-Gipfel, womöglich verkürzt, wiedergibt, kann so im Aufeinandertreffen von Putin mit Selenskyj geäußert worden sein, muss es aber nicht. Die Quellenlage ist dünn. Jüngst auf Trumps Wiedergabe angesprochen, sagte Selenskyj: „Möglicherweise habe ich das gesagt. Ich glaube, ich hatte ein Recht dazu.“
Trump: „Selenskyj ist Barnum“
„Er hat das nicht auf besonders nette Art gesagt“, fährt Trump im Gespräch mit seiner Wiedergabe der Normandie-Gesprächsinhalte fort. „Wissen Sie, er ist ein großartiger Verkäufer. Ich nenne ihn P. T. Barnum. Sie wissen, wer P. T. Barnum war, richtig?“
Trump erläutert im Folgenden, Barnum sei „einer der Größten überhaupt“ gewesen. „Er konnte jedes Produkt zu jeder Zeit verkaufen. Das war sein Spruch: ‚Ich kann jedes Produkt jederzeit verkaufen.‘ Und das stimmte. Er sagte: ‚Es ist egal, ob es funktioniert oder nicht.‘ Aber Selenskyj ist P. T. Barnum. Wissen Sie, er hat den korrupten Joe Biden dazu gebracht, ihm 350 Milliarden Dollar zu geben. Und schauen Sie, was er davon hat: Etwa 25 Prozent seines Landes fehlen.“
Wer war Barnum?
Dass Trump Selenskyj mit P. T. Barnum vergleicht, bevor er sich anschließend Biden zuwendet, ist interessant. In seiner Äußerung ist klar die Vorhaltung zu erkennen, dass Selenskyj seine Standpunkte „verkaufe“ oder vermarkte. Barnum ging in die Geschichte gar auch als Schwindler ein. Der diesem von Trump zugeschriebene Spruch „Es ist egal, ob es funktioniert oder nicht“ lässt in dem Kontext zudem eine bereits häufig von Trump geäußerte Kritik an Selenskyj durchklingen. Grob zusammengefasst lautet diese, dass der ukrainische Präsident sich mehr herausnehme, als seine Verhandlungsposition nach reinen Gesichtspunkten der Macht erlaube, nach den auf dem Schlachtfeld in den Augen Trumps geschaffenen Fakten.
In Trumps Vergleich schwingt aber auch etwas mit, das in seinem eigenen geistigen Koordinatensystem durchaus als positiv gelten dürfte. Barnum (1810 – 1891) war Zirkuspionier, Schausteller und später eine Zeit lang Politiker. Zwar war er als „Prince of Humbugs“ (ins Deutsche oft übersetzt als „König des Humbugs“) bekannt, aber eben auch dafür, Attraktionen und Kuriositäten geschickt zu vermarkten. Ein amerikanischer Showman eben, eine Werbeikone.
Trump selbst wurde in seiner Zeit als Geschäftsmann und später zu Beginn seiner politischen Karrieren mit P. T. Barnum verglichen. 2016 wurden ihm in einem Interview mehrere Namen aufgezählt, die ihm schon gegeben wurden, darunter etwa auch der Charakter „Biff“ aus dem Film „Zurück in die Zukunft“. Trump sollte, falls er einen der Namen als „Kompliment“ empfindet, diesen herauspicken. Die „Washington Post“ berichtet, er antwortete mit „P. T. Barnum“. „Wissen Sie“, begründete Trump auf Nachfrage seine Wahl, „die Leute betiteln einen eben in irgendeiner Weise“, sagte er. „Wir brauchen jemanden wie P. T. Barnum ein bisschen, weil wir das Image unseres Landes aufbauen müssen.“