Einsatzwagen der Feuerwehr stehen in einer Halle.

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Stand: 10.12.2025 16:26 Uhr

Viele Landkreise und kreisfreien Städte sind nicht auf größere Katastrophenfälle vorbereitet. Auch fehlt es vielen Bürgern an ausreichenden Vorräten, wie Recherchen von Report Mainz ergeben. Ein Experte spricht von „Katastrophendemenz“.

Von Thomas Schneider und Aleksandra van de Pol, SWR

„Ein paar Konserven“ oder „Lebensmittel für zwei, drei Tage“ – das sind typische Antworten, wenn man Bürger nach ihren Vorräten für Krisenfälle fragt. Christian Kromberg (CDU), Ordnungsdezernent in Essen und dort zuständig für den Katastrophenschutz, ist das zu wenig. Weil Krisenszenarien, wie ein Blackout, etwa durch einen hybriden russischen Angriff, heute wahrscheinlicher sind als noch vor wenigen Jahren, möchte er die Bürger seiner Stadt besser vorbereiten.

Er plant demnächst eine Broschüre mit Empfehlungen an alle Haushalte der Stadt versenden zu lassen. Für Vorräte, Verhaltenstipps und allen Punkten der Stadt, an denen Menschen Hilfe finden können, falls Teile der öffentlichen Infrastruktur einmal zusammenbrechen sollten.

Dass diese Idee sinnvoll ist, zeigt eine repräsentative Studie des Meinungsforschungsinstituts Infratest-dimap im Auftrag von Report Mainz. 59 Prozent der Befragten haben weder Trinkwasser noch haltbare Lebensmittel für zehn Tage im Haus. Eine stromunabhängige Kochmöglichkeit, etwa Campingkocher, fehlt bei 49 Prozent der Befragten. 58 Prozent besitzen kein batteriebetriebenes Radio oder Kurbelradio. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt eine solche Vorsorge.

Ungleiche Vorbereitung auf Krisenfälle

Eine gemeinsame Umfrage von Report Mainz und dem SWR Data Lab hat ergeben: Auch Kreise und kreisfreie Städte, zuständig für den Katastrophenschutz, sind nicht alle gleichermaßen vorbereitet.

Rund 80 Prozent der insgesamt 411 angefragten Kreise und Städte hatten teilgenommen. 26 Prozent gaben an, keinen „Einsatzplan Stromausfall“ zu haben, 14 Prozent keine binnen weniger Stunden einsatzfähigen „Katastrophenschutz- Informationspunkte.“ Dabei handelt es sich um Anlaufstellen, bei denen Bürger Informationen bekommen und einen Notruf absetzen können. 47 Prozent gaben an, keine einsatzfähigen Konzepte zur Notwasserversorgung zu haben.

Krisenforscher: Pläne allein oft nicht ausreichend

Krisenforscher Professor Martin Voss, Freie Universität Berlin, kritisiert: „Nur weil ein Plan da ist, heißt das noch nicht, dass auch tatsächlich jeder weiß, was er zu tun hätte. Und das kann ich als Bürger überhaupt nicht erkennen, wie weit meine Kommune vorbereitet ist.“ Insofern sei es Glückssache, wo man gerade wohne. „Und es gibt letztlich auch in der Kommune dann meistens niemanden, der Ihnen da wirklich ganz robuste Antwort geben kann“, so Voss weiter.

In einer weiteren Umfrage von Report Mainz mit anonymer Teilnahmemöglichkeit fordern rund 90 Prozent der Kreise und kreisfreien Städte von Bund und Ländern klare Mindeststandards für technische und personelle Ausstattung des Katastrophenschutzes. 130 hatten teilgenommen.

Der Essener Ordnungsdezernent, Kromberg, erklärt, fehlende Mindeststandards führten dazu, dass jeder selbst entscheiden könne, welche Ressourcen oder Personal er bereitstelle. Das führe zu einem „Flickenteppich“ mit unterschiedlichen Sicherheitsniveaus, was sehr bedauerlich sei. Die Bundesregierung und die meisten Bundesländer verweisen auf die Zuständigkeit der kommunalen Ebene.

„Katastrophendemenz“ in Deutschland?

Der Leiter einer Katastrophenschutzbehörde aus einem Landkreis in Süddeutschland, der anonym bleiben möchte, kritisiert: „Ich habe das Gefühl, bei uns in Deutschland setzt immer so eine Katastrophendemenz ein. Da gibt es ein großes Schadensereignis und ein halbes Jahr später ist alles wieder vergessen.“ Dann empfinde man Investitionen im Katastrophenschutz, der ja eine Pflichtaufgabe sei, als viel zu teuer. „Wenn man bedenkt, damit kann man im Zweifel Leben retten, halte ich das schon für sehr bedenklich“, so der Behördenleiter.