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Trumps Nationale Sicherheitsstrategie zeigt brutal, was Europa nicht wahrhaben wollte. Die USA sehen die EU als Rivalen, den sie schwächen wollen. Die größte Gefahr für den Kontinent aber geht von ihm selbst aus.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der USA ist ein Dokument von bemerkenswerter Offenheit. Nicht, weil sie den Europäern wirklich etwas Neues verraten würde. Aber weil sie offiziell und verschriftlicht festhält, was bislang oft nur hinter vorgehaltener Hand oder in Reden herauszuhören war, etwa von Vizepräsident JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz:
Die Vereinigten Staaten von Amerika – zumindest unter Präsident Donald Trump – wollen entgegen den eigenen Beteuerungen kein starkes Europa. Sie wollen ein schwaches und ungeeintes Europa, das sie nach ihren Vorstellungen formen können. Dazu wollen sie die seit Jahrzehnten aufgebaute Europäische Union spalten.
Und zwar nicht, wie es in der Nationalen Sicherheitsstrategie auch heißt, weil Europa so schwach wäre und sich im Niedergang befände. Sondern gerade, weil es trotz der oftmals viel zu selbstkritischen Stimmen potenziell extrem stark ist, sogar stärker als die USA und stärker, als es sich selbst zutraut.
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Seit Jahren behaupten Trump und das politische MAGA-Ökosystem um ihn herum, sie wollten Europa lediglich dazu bringen, „mehr zu tun“, „Verantwortung zu übernehmen“, „auf eigenen Füßen zu stehen“. Einflussreiche Tech-Milliardäre wie Elon Musk wiederum stilisieren sich zu transatlantischen Kulturkämpfern, die die EU-Kommission lauthals als unkontrollierbare Bürokratie diffamieren, angeblich besessen von „Zensur“ und „Regulierungswut“.
Schon aus der offiziellen Nationalen Sicherheitsstrategie ließ sich ablesen, worum es dabei eigentlich geht. Eine noch längere, unveröffentlichte Version, die das US-Magazin für Sicherheitspolitik „Defense One“ nun veröffentlicht hat, lässt keinen Zweifel mehr: Die USA wollen die EU explizit auseinandertreiben, nationalistische Bewegungen stärken und verhindern, dass Europa mit seinen rund 500 Millionen Einwohnern und seiner immensen Wirtschaftskraft jemals zu einem geopolitischen Akteur auf Augenhöhe werden könnte.
Die USA kritisieren „niedrige Geburtenraten“ genauso wie angebliche „Einschränkungen der Meinungsfreiheit“, den „Verlust europäischer Identität“ und die „zivilisatorische Auslöschung“. Die Rhetorik ist aber nur die Verpackung. In der unveröffentlichten Sicherheitsstrategie wird es im Kapitel „Make Europe Great Again“ sehr viel konkreter: Die USA wollen sich verstärkt an rechtsgerichtete Regierungen oder an rechte Bewegungen, explizit in Italien, Ungarn, Österreich und Polen anlehnen und eine informelle Anti-EU-Achse innerhalb Europas fördern.
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Das Ziel wird offen benannt: Widerstand gegen die europäische Integration in den Mitgliedstaaten kultivieren, Brüssel schwächen, Länder vom EU-Kurs wegziehen und jene Parteien stärken, die „Souveränität“ und „Tradition“ versprechen, solange sie pro-amerikanisch bleiben, versteht sich.
Das ist nicht das Verhalten eines Verbündeten, der Partnerschaft sucht. Es ist das Verhalten einer Großmacht, die ihre Dominanz sichern will, indem sie verhindert, dass andere zu stark werden. Das ist auch keine impulsive Laune eines unberechenbaren Präsidenten. Es ist eine durchdachte Strategie. Trumps Doktrin folgt in weiten Teilen dem einflussreichen Vordenker und heutigen Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Elbridge A. Colby.