Moskau. Der auch in Europa bekannte Regisseur Alexander Sokurow hat in Gegenwart des russischen Präsidenten Wladimir Putin ungewohnt deutliche Kritik geübt. Das geht aus einem vom Kreml veröffentlichten Video einer Sitzung von Putins Menschenrechtsrat samt Mitschrift hervor. Darin beklagte Sokurow unter anderem die Diskriminierung Andersdenkender als „ausländische Agenten“ und Zensur in Kino und Literatur.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Sokurow kritisierte in seinem Beitrag, dass ein Verfahren für offene, ruhige politische Diskussionen über Prozesse im Land fehle.

Sokurow kritisiert Zensur und Repression im Kulturbereich

Er sprach von behördlichen Anforderungen an Kreative in den Bereichen Kino und Literatur. Dort werde Menschen die Möglichkeit genommen, ihre künstlerischen Vorhaben zu realisieren. Oft werde Menschen nicht erklärt, warum mit ihnen hart und kompromisslos umgegangen werde.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Sokurow sprach auch von eigenen Erfahrungen. Ihm werde nicht erklärt, warum sein Film verboten worden sei. „Als ich diese Prozesse unter sowjetischer Ordnung hatte, wurde mir immer erklärt, warum mein Film in der Sowjetunion nicht gezeigt werden wird“, sagte der Regisseur.

02.08.2024, Nordrhein-Westfalen, Bonn: Ilja Jaschin (l-r), Andrej Piwowarow Wladimir Kara-Mursa kommen zur Pressekonferenz der Stiftung gegen Korruption. Moderiert wird die Veranstaltung von Wolkow von der Stiftung gegen Korruption, die von Kremlkritiker Nawalny gegründet wurde. Foto: Christoph Reichwein/dpa +++ dpa-Bildfunk +++Zerstritten und im Westen kaum unterstützt: Das Dilemma der Putin-Opposition

Russische Demokraten wie Wladimir Kara-Mursa, Marija Aljochina oder Michail Chodorkowski leben im Exil in großer Gefahr – und werden dennoch oft zu wenig wertgeschätzt. Das erinnert an den Umgang mit sowjetischen Dissidenten. Der Europapolitiker Sergey Lagodinsky hält das für strategisch falsch.

Ein ständiger ruhiger Dialog mit dem Kunstmilieu sei notwendig. „Jede Woche sehen wir mit Unruhe, wer wieder als ausländischer Agent erscheint.“ Sokurow kritisierte die Kategorisierungen, die Menschen demütigten.

Putin leugnet schwere Folgen für „ausländische Agenten“

Zu Einschränkungen von Kulturschaffenden sagte Kremlchef Putin laut Protokoll, dass die Beziehungen zwischen Kunst und Staat schon immer eine schwierige Frage gewesen seien.

Putin behauptete, in Russland habe die Einstufung als „ausländischer Agent“ kaum Folgen. „Bei uns ist eigentlich das Wichtigste: Zeigen Sie Ihre Finanzierungsquellen.“

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Tatsächlich brandmarkt die russische Führung Oppositionelle und Kritiker als „ausländische Agenten“. Das Justizministerium muss für eine entsprechende Einstufung dabei inzwischen nicht mehr den Nachweis bringen, dass die betroffene Person Geld aus dem Ausland erhalten hat.

Massive Einschränkungen für Betroffene in Russland

Die Einstufung hat für die Betroffenen schwere Folgen. Organisationen, Medien und Personen in dem Register mit inzwischen mehr als 1000 Einträgen unterliegen einer verstärkten Aufsicht über ihre Finanzen. Bei Verstoß gegen die Auflagen drohen Auslandsagenten auch Haftstrafen.

Die Einstufung als Auslandsagent soll dabei Misstrauen gegen sie schüren und ihre Arbeit in Russland erschweren. Sie dürfen weder als Kandidat noch als Beobachter an Wahlen teilnehmen und in staatlichen Einrichtungen gilt ein Berufsverbot für sie. Mieteinnahmen oder Depotzinsen bei einem Sparkonto sind ihnen ebenso verwehrt wie Tantiemen oder sonstige Einkünfte aus intellektueller Tätigkeit.

RND/dpa