Turbulenter Markt, Handelskonflikt zwischen den USA und China, Krieg in der Ukraine: Das insolvente Tailfinger Unternehmen Mayer & Cie. nennt diverse Gründe für den Umsatzeinbruch, der den Strickmaschinenhersteller letztlich in die Knie gezwungen haben soll. Mayer & Cie. verkündete am 1. Dezember das Aus des Unternehmens. Der Betrieb wird stillgelegt, 270 Menschen verlieren ihren Job.

Mitarbeiter fordern: Unternehmen soll Fehler eingestehen

„Wir können es nicht mehr hören. Immer ist alles schuld, nur das Unternehmen selbst nicht.“ In einem exklusiven Gespräch mit dem Zollern-Alb-Kurier äußern Beschäftigte Kritik. „Wir haben auch Fehler gemacht.“ Dass Mayer & Cie. zu diesen nicht stehen könne, löse unter der Belegschaft Verärgerung aus.

Manche der Beschäftigten sind schon nahezu seit 40 Jahren im Betrieb. Viele berichten über gute Zeiten, dass sie gerne bei Mayer & Cie. beschäftigt waren. Die Meinung, dass mitunter die schwierigen globalen Umstände zur Insolvenz geführt hätten, teilen die Beschäftigten zwar, aber: „Wir müssen auch unsere Hausaufgaben machen.“

„Man hätte früher die Bremse ziehen müssen“

Aus Sicht der Belegschaft hätte das Unternehmen früher die Sparbremse ziehen müssen. Von unverhältnismäßigen Investitionen in die Digitalisierung ist mitunter die Rede: „Das war total überzogen für ein mittelständisches Unternehmen.“ Die Geschäftsführung habe die Augen verschlossen und letztlich versäumt, rechtzeitig die Bremse zu ziehen, so die Kritik aus der Belegschaft.

Man hätte, sind viele Beschäftigten überzeugt, mit einem harten Sparkurs länger durchhalten können – bis sich die wirtschaftliche Lage wieder erholt hätte. Freilich hätte das Entlassungen mit sich gebracht, das wissen die Beschäftigten. „Aber man hätte auch viele Arbeitsplätze retten können“, so die kritische Meinung.

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Geschäftsführer reagiert auf Kritik

Auf diese Kritik reagiert Geschäftsführer Benjamin Mayer in einer Stellungnahme: „Wenn sich in einem Unternehmen unserer Größe die Umsätze plötzlich dauerhaft halbieren, ist dies durch Einsparungen nicht im Ansatz zu korrigieren – schon gar nicht in der Kürze der Zeit.“

Selbst ein knallharter Sparkurs unter großen Entbehrungen hätte die Insolvenzanmeldung im besten Fall um drei Monate verschoben, betont der Geschäftsführer. Und: „Es ist wichtig zu verstehen, dass Mayer & Cie. auf Basis der Umsätze aus 2024 und 2025 mit anhaltend negativer Tendenz weder mit Sparmaßnahmen noch mit einem größeren Personalabbau profitabel hätte aufgestellt werden können.“

Ich würde mich jederzeit wieder für diese Strategie entscheiden.

Benjamin Mayer, Geschäftsführer Mayer & Cie.

Aus Sicht des Geschäftsführers mag der Vorwurf der überzogenen Digitalisierung subjektiv richtig erscheinen, faktisch sei er aber nicht haltbar. Dazu sagt Mayer: „Unsere Digitalisierungs- sowie Automatisierungsstrategie hatte immer das Ziel, mittel- als auch langfristig, den Personalbedarf zu senken. Dies zum einen aus Kostengründen und zum anderen vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels.“

Mayer ist überzeugt, dass ohne die Digitalisierungsumsetzung das Unternehmen aktuell mehr Personal zur Abwicklung verschiedenster Aufgaben benötigt hätte. „Ich würde mich jederzeit wieder für diese Strategie entscheiden.“

In den vergangenen drei Jahren wurden viele Fehler gemacht.

Meinung aus der Belegschaft

Auch die Abwendung von Sonderfertigungen hin zu einem Portfolio, das allein auf Standardmaschinen setzt, sei für viele eine falsche Entscheidung gewesen. Sonderfertigungen hätten aus Sicht der Belegschaft letztlich das Alleinstellungsmerkmal sein können, um sich gegenüber konkurrierenden Standardmaschinen aus dem Ausland behaupten zu können. Ihre Meinung: Die vergangenen drei Jahre seien zu viele Fehler gemacht, aus den Lehren der ersten Insolvenz 2009 nicht gelernt worden.

Mayer & Cie. hat sich auf die Herstellung von Rundstrickmaschinen spezialisiert. Jetzt wird der Betrieb des 120 Jahre alten Unternehmens eingestellt. Bild vergrößern

Mayer & Cie. hat sich auf die Herstellung von Rundstrickmaschinen spezialisiert. Jetzt wird der Betrieb des 120 Jahre alten Unternehmens eingestellt. (Foto: Mayer & Cie.)

Bei einer Betriebsversammlung sei deutlich kommuniziert worden, dass sich die Familie Mayer aus dem Betrieb zurückziehen wolle. Eigenes Kapital zuzuschießen, wie es die Familie in der Insolvenz 2009 noch gemacht hatte, sei ausgeschlossen worden. Die einzige Hoffnung, das Unternehmen retten zu können: ein Investor.

Und diesen hatte es tatsächlich gegeben: Wie es aus Kreisen der Belegschaft heißt, habe das Schweizer Unternehmen Lässer Interesse an Mayer & Cie. gehabt. Der Hersteller von Stickmaschinen mit Sitz in Diepoldsau habe das Werk im Sommer besichtigt, sei in intensiv in die Planung eingestiegen.

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Schweizer Investor springt kurzfristig ab

Anfang Dezember dann aber der herbe Schlag: Der Investor sei kurzfristig abgesprungen. Nachdem die Belegschaft bei der Betriebsversammlung am 1. Dezember darüber informiert wurde, war klar, dass Mayer & Cie. nicht gerettet werden kann. „Zwei Tage später sind schon die ersten 44 Mitarbeiter vom Hof gegangen“, erzählen die Beschäftigten im Gespräch mit unserer Redaktion.

In diesem Zusammenhang betont Geschäftsführer Mayer, dass es keine Chance gegeben hatte, das Unternehmen profitabel aufzustellen – weder mit Sparen noch mit Personalabbau. „Das haben offensichtlich auch alle potenziellen Investoren so gesehen, weswegen wir letztendlich keinen Käufer gefunden haben.“

270 Beschäftigte verlieren in Tailfingen ihren Job. Wie das Unternehmen am 1. Dezember in einer Pressemeldung mitgeteilt hat, werden die meisten Mitarbeitenden bis Anfang Februar 2026 freigestellt. Bis dahin soll der noch vorhandene Auftragsbestand bestmöglich abgearbeitet und fertiggestellt werden.

Mitarbeiter eingestellt, trotz drohender Insolvenz

Noch im September, als bereits klar gewesen sein muss, dass das Unternehmen in die Insolvenz geht, soll Mayer & Cie. Auszubildende eingestellt haben. Auch im Frühjahr sollen Stellen besetzt worden sein. Abermals Frust unter den Beschäftigten, die kritisieren, das Unternehmen habe nicht mit offenen Karten gespielt.

„Dass diese, aus unserer Sicht notwendigen, Einstellungen für Unmut oder Unverständnis sorgen würden, war uns bereits während der Entscheidungsfindung bewusst“, erklärt Geschäftsführer Benjamin Mayer gegenüber dem Zollern-Alb-Kurier.

Azubi-Verträge waren rechtlich bindend

Die definitive Entscheidung und Erkenntnis, Insolvenz anmelden zu müssen, sei in der ersten Septemberwoche getroffen worden. Die Azubis hätten im September mit der Ausbildung begonnen, die Ausbildungsverträge dazu seien jedoch schon viele Monate vorher geschlossen worden und seien rechtlich bindend gewesen, sagt Mayer. „Natürlich hatten wir zum Abschlusszeitpunkt nicht damit gerechnet, im September Insolvenz anmelden zu müssen.“

Weiter erklärt der Geschäftsführer: „Die Einstellungen wurden im Bereich der IT, QS und der Lackiererei vorgenommen. Hierbei handelte es sich um Nachbesetzungen aufgrund vorhergegangener Kündigungen. Die Besetzung der Stellen war für die Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig und wurde bis zum Einstellungsdatum größtenteils von teuren, externen Dienstleistern übernommen.“

Zurück bleibt eine große Industriebrache

Neben all dem Frust ist es für die Beschäftigten vor allen Dingen traurig, diesem Unternehmen, das Albstadt mehr als 120 Jahre geprägt hat, den Rücken kehren zu müssen. „Wir können es eigentlich gar nicht fassen, dass die Marke Mayer & Cie. gänzlich vom Markt verschwindet.“ Was bleibt, ist eine riesige Industriebrache mehr in Albstadt.