Vor dem Oberlandesgericht München hat am Mittwoch eine junge Jesidin ausgesagt, die als mutmaßliches Opfer im sogenannten Jesiden-Prozess gilt. Die Zeugin brach mehrfach in Tränen aus, als sie den Hauptangeklagten im Gerichtssaal sah. Der Vorsitzende Richter bot ihr an, die Vernehmung jederzeit zu unterbrechen, doch sie setzte ihre Aussage fort – und erzählte, was sich zwischen 2015 und 2017 im Herrschaftsgebiet des IS im Irak ereignet haben soll.

Schläge, Zwangsarbeit, sexuelle Gewalt

„Ich wurde von sechs Männern gekauft und verkauft“, sagte die heute 20-Jährige vor dem Oberlandesgericht München. Als sie gefragt wurde, ob sie den Angeklagten als einen dieser Männer identifizieren kann, sagte sie: „Ich kann ihn nicht anschauen.“

Ein irakisches Ehepaar soll laut Ermittlern als Teil der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zwei jesidische Mädchen als Sklavinnen gekauft, ausgebeutet und sexuell missbraucht haben. Der Generalbundesanwalt wirft dem Ehepaar unter anderem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

„Kaufe sie, sie ist noch nicht vergewaltigt worden“

Vier Verhandlungstage hat das Gericht für die Vernehmung der Zeugin eingeplant. „Bevor er mich gekauft hat, hat er mich angeschaut“, sagte die 20-Jährige. Er habe ihren Schleier abgenommen und ihr Haar betrachtet. „Er und seine IS-Freunde verspotteten mich und sagten: ‚Kaufe sie, sie ist noch nicht vergewaltigt worden.'“ Damals war sie noch ein Kind.

In seinem Haushalt habe sie Geschirr spülen und putzen müssen – und sei nachts von dem Angeklagten vergewaltigt worden. „Er hat einen Stock geholt und auf meine Fußsohlen eingeschlagen“, sagte sie. Und: „Er hat mich dazu gezwungen, mit ihm zu schlafen.“ Nach den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wurde das damals zwölfjährige Mädchen mehrfach sexuell missbraucht. Mitangeklagt ist auch die Partnerin des Mannes. Sie soll das Kind vor dem Geschlechtsverkehr geschminkt haben. Zuvor habe er das zweite jesidische Mädchen, das er in seiner Gewalt hatte, und das noch jünger gewesen sei, ebenfalls vergewaltigt, so die Zeugin.

Sie schilderte ihre Angst, wie er sie als Ungläubige beschimpfte – und dann in sie eindrang. Sie habe ihn gebeten, sie nicht zu vergewaltigen. „Ich wünschte mir, tot zu sein“, so die Zeugin. Er habe ihr gesagt: „Entweder ich vergewaltige dich – oder ich schlage dich so.“ Im Hintergrund habe er während der Vergewaltigung IS-Musik laufen lassen. „Er hat mir das Gefühl vermittelt, dass ich eine Ungläubige bin – und dass Gott das so gewollt habe“, sagte die Zeugin.

Angeklagter lebte jahrelang in München

Die junge Frau gehört der religiösen Minderheit der Jesiden an, die während der Herrschaft des sogenannten Islamischen Staats in Syrien und im Irak systematisch verfolgt, versklavt und ermordet wurde. Der Angeklagte hatte zuvor mehr als zehn Jahre lang als Asylbewerber in München gelebt, bevor er sich in einer islamistischen Moschee radikalisierte und 2015 in den Irak reiste, um sich dem IS anzuschließen. Einen Dolmetscher braucht er vor Gericht nicht. Das Verfahren läuft seit Frühjahr. Wann der Prozess endet, ist noch unklar.

Mit Material der dpa