Liebe Leserin, lieber Leser,

dass Hamburg eine neue U-Bahnlinie baut, werden Sie wissen. Was das aber
bedeutet, ist wohl erst zu verstehen, wenn man gesehen hat, was ich am Dienstag
gesehen habe. Da stand ich elf Meter unter der Straßenoberfläche einer Kreuzung
in Barmbek-Nord in einer unterirdischen Halle von annähernd der Größe eines
halben Fußballfelds. Die Wände bestehen aus eineinhalb Meter starkem Beton und
ragen bis zu 40 Meter tief in den Boden. Ihre Oberflächen sind rau, wie das
Erdreich es war, in das hinein sie gegossen worden sind. Dabei habe ich vor eineinhalb Jahren zugesehen (Z+).
Inzwischen wurde der Boden herausgebaggert, um diesen gewaltigen Hohlraum zu
schaffen.

In einigen Jahren wird sich hier die Zwischenebene der U-Bahnstation
Barmbek-Nord befinden, mit Kartenautomaten und Rolltreppen. Auf der Baustelle,
sagt die Projektleiterin der U-Bahngesellschaft, Alexandra Reinecke, nennen sie
diese Halle die Kathedrale.

Die Decke bilden Platten aus
Stahlbeton, stabil genug für den Straßenverkehr und Bagger und Kräne, die dort
oben herumfuhrwerken. Zwölf gewaltige Säulen und ein System aus
Stahlbetonträgern stützen sie. Von oben rieselt Wasser und hinterlässt braune
Spuren auf den Schutzhelmen, die alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen dieser
Baustellenbesichtigung tragen. Es hat etwas von einer Tropfsteinhöhle.

In Zukunft geht es hier noch
viel weiter hinab. 18 Meter tief kommt man mit Baggern, dann werden die
Arbeiten unter der Oberfläche des Grundwasserspiegels fortgesetzt. Was Kräne
nicht von oben schaffen, werden am Ende Taucher erledigen.

All dieser Aufwand ist erforderlich, allein für die Baugrube einer der 24
zukünftigen U5-Haltestellen. Bei ihrem Anblick schwanke ich zwischen
Begeisterung, Ehrfurcht und Fassungslosigkeit. Denn so großartig diese Bauwerke
und der Prozess ihrer Entstehung wirken, natürlich ist der riesige Energieaufwand
nicht zu übersehen, den sie erfordern. Es ist, als hätten sich die Visionäre
und Planer des Betonzeitalters ein letztes großes Spektakel gegönnt, ehe es mit
dem Klimaschutz wirklich losgehen soll.

© ZON

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Frank Drieschner

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WAS HEUTE WICHTIG IST

Gestern wurde in der Bürgerschaft hitzig über den Volksentscheid zur
Verschärfung der Hamburger Klimaziele diskutiert. Hintergrund war ein Antrag
der CDU, mit dem die Entscheidung, die Klimaneutralität der Stadt um fünf Jahre
auf 2040 vorzuziehen, gekippt werden sollte
. Die CDU warnte vor sozialen
Verwerfungen und einer Schwächung der Wirtschaft, die SPD, Grüne und Linke
wafen den Christdemokraten vor, den Bürgerwillen zu missachten und der
Demokratie zu schaden. Bei der namentlichen Abstimmung gab es dann jedoch für den
Antrag von den anderen Fraktionen keine Stimme.

© Marcus Brandt/​dpa

Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz geht nicht länger gegen
den Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Deniz Celik (hier mittig im Bild) vor.

Die Innenbehörde hat laut einem Sprecher den Antrag, mit dem Celik eine
kritische Aussage zum Verfassungsschutz per einstweiliger Verfügung untersagt
werden sollte, zurückgezogen. Celik hatte im Oktober in einer Pressemitteilung geschrieben,
dass der Verfassungsschutz „durch Vertuschung, V-Leute-Skandale und immer
wieder auch durch den Schutz rechter Netzwerke aufgefallen“ sei.

Bei einem Gasaustritt in einer Wohnung in Hoheluft sind gestern vier
Menschen verletzt worden. Nach ersten Erkenntnissen hatte um kurz nach 8 Uhr
ein Kohlenmonoxidmelder in der Wohnung ausgelöst. Die Feuerwehr rückte mit
einem Großaufgebot an, in der Wohnung versorgten die Einsatzkräfte zwei
Erwachsene und zwei Kinder, die über Schwindel und Kopfschmerzen klagten. Sie
wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht, ein Kind sei schwer verletzt
worden, die anderen Personen leicht. Die Feuerwehr konnte noch nicht
herausfinden, woher das Gas kam. Die Heizungsanlage wurde vorsorglich gesperrt,
nun soll ein Schornsteinfeger die Heizanlage überprüfen.

In aller Kürze

Anlässlich des Chanukka-Fests besucht der Oberrabbiner
des Staates Israel
, Kalman Ber, verschiedene jüdische Gemeinden in
Deutschland. Seine Reise begann in Hamburg, hier informierte er sich unter
anderem über den geplanten Neubau der Bornplatzsynagoge. Das jüdische
Gotteshaus wurde 1938 von den Nationalsozialisten in Brand gesetzt und
verwüstet, ein Jahr später
musste es zwangsweise und auf Kosten der jüdischen Gemeinde abgerissen werden  Vom 20. März kommenden Jahres an bietet das niederländische
Bahnunternehmen GoVolta eine neue direkte Zugverbindung zwischen Hamburg und
Amsterdam
an. Die Züge sollen zunächst dreimal pro Woche in beiden
Richtungen verkehren Die Veränderungen beim Niederschlag stellen das
Unternehmen Hamburg Wasser vor Herausforderungen. Unter anderem sei das
für die Grundwasserneubildung wichtige Winterhalbjahr 20 Prozent trockener
gewesen als im Durchschnitt der Referenzperiode, sagte der Werkleiter Arnd
Wendland. Unter anderem ein Trinkwasserspeicher von 25.000 Kubikmeter Größe auf
dem Gelände des Wasserwerks Curslack soll nun helfen, den Bedarf an Trinkwasser
weiterhin zu decken

THEMA DES TAGES

© Katrine Noer/​DIE ZEIT

Der Strippenzieher der Blocks

Der Hamburger Anwalt Andreas Costard
verwandelte sich im Drama der Familie Block offenbar immer mehr vom
juristischen Berater zur zentralen Figur. Lesen Sie hier dazu einen Auszug aus
dem aktuellen Artikel von ZEIT-Redakteurin Anne Kunze:

Alle glücklichen Familien gleichen einander, schrieb Tolstoi. Die
unglücklichen aber haben ihre eigene Ordnung. Und manchmal gibt es sogar einen,
der sie aufrechterhält. In der Familie Block scheint dieser Mann Dr. Andreas Costard zu sein. Er ist den Blocks Anwalt, Aufsichtsrat, Vertrauter in
Personalunion. Irgendwann scheint Costard sich auf fatale Weise in seine
unterschiedlichen Rollen derart verstrickt zu haben, dass er selbst zum
Mechaniker des Blockschen Unglücks wurde.

Am Nachmittag des 2. Januar 2024 betrat Costard das Luxushotel Grand
Elysée, das genau wie die Steakhaus-Kette der Familie Block gehört. Es schien,
als sei es Costard gelungen, die Ordnung in der Familie Block
wiederherzustellen. Sie war aus dem Lot geraten, als die beiden jüngsten Kinder
der designierten Firmenerbin Christina Block im Jahr 2021 vom geschiedenen
Vater in Dänemark zurückgehalten worden waren, weil die Mutter sie geschlagen
und eingesperrt haben sollte – Vorwürfe, die Christina Block bestreitet. Seit
dieser Zeit hat Anwalt Costard, so legt es die Akte der Ermittler nahe,
versucht, die Block-Kinder irgendwie aus Dänemark heimzuholen. Sowohl Andreas
Costard als auch Christina Block bestreiten, Straftaten begangen zu haben.

An jenem Nachmittag des 2. Januar waren die Kinder wieder in Deutschland:
Eine israelische Firma hatte sie in der Silvesternacht 2023/24 aus Dänemark
entführt. Costard traf sich im Elysée-Hotel mit dem Patriarchen Eugen Block,
Vater von Christina und Opa der entführten Kinder. Mit dabei war auch ein
Hamburger Sicherheitsunternehmer, der das Treffen bei der Polizei später
folgendermaßen schilderte: Eine „Glückwunsch-Atmosphäre“ habe geherrscht, die
Stimmung sei „gelöst“ gewesen. Die Kinder seien auf dem Weg zurück, habe man
sich gefreut. Ein Gespräch nach einer erfolgreichen Operation. Es muss ein
Moment der enthemmten Erleichterung gewesen sein, in dem die Anwesenden wohl
glaubten, das Familien-Chaos bezwungen zu haben. In Wahrheit hatte es gerade
seinen Höhepunkt erreicht.

Andreas Costard, 63 Jahre alt, ist Rechtsanwalt in Hamburg. Seit Jahren
betreut er die Geschäfte der Familie Block, sitzt im Aufsichtsrat der Holding
und des Grand Elysée. In internen Papieren erscheint er als Vertrauter, als
Vermittler zwischen dem Patriarchen und seinen Nachkommen, die um die Erbfolge
im Unternehmen streiten. Der 85-jährige Block kann – wie viele alte Patriarchen
– offenbar schlecht loslassen. Wahrscheinlich sieht er in Costard seinen wahren
Nachfolger.

Warum Andreas
Costard jetzt als Angeklagter vor Gericht steht, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf zeit.de.

DER SATZ

© Sebastian Willnow/​AP/​dpa

„Das ist ein
Weihnachtsgeschenk für Mieterinnen und Mieter, denn entsprechend niedriger
dürften die Mieterhöhungen zum Jahreswechsel ausfallen.

Dem neuen Mietspiegel
zufolge sind die Wohnungsmieten in Hamburg seit zwei Jahren kaum gestiegen. ZEIT-Autor
Christoph Twickel ordnet ihn und die Folgen für die Mieterinnen und Mieter Hamburgs ein.

DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN

Ausgewählte Arbeiten der Hamburger Künstlerin
Hanne Darboven sind bis zum 19. Dezember in der Millerntorwache ausgestellt: In
„Hanne Darboven Erzählcafé“ kann man einen
niedrigschwelligen Zugang zu Darbovens Werken finden. Im Begleitprogramm gibt
es unter anderem am 12. Dezember ab 17 Uhr ein Gespräch mit Bernhard Berz,
einem Mitarbeiter Dabovens, und um 18 Uhr Rasmus Gerlachs Film Timeswings –
Hanne Darbovens Kunst.

„Hanne Darboven Erzählcafé“,
bis 19.12., Millerntorwache, Millerntorplatz 20; Mo–Fr 17–20 Uhr (oder nach
Vereinbarung unter 0172 – 172 50 44); weitere Infos hier

MEINE STADT

Guerilla-Werbung für die Post © Susanne Vogel

HAMBURGER SCHNACK

Neulich in einer mal wieder
stillstehenden S3 Richtung Hauptbahnhof leitet der Fahrer seine Durchsage gut
gelaunt ein: „Moin, liebe Fahrgäste, hier spricht der, der immer an allem
schuld ist …“

Gehört von Nadia Blüthmann

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