Gibt’s in Stuttgart nix zum Lachen? Dies mag manch einer bis hoch in den Norden der Republik immer noch denken. Dabei ist die Wahrheit eine andere: Stuttgart mischt im deutschen Humor-Kosmos ganz vorne mit. Die oft verkannte Stadt erlebt gerade eine geradezu komische Zeitenwende und entwickelt sich zu einem der lebendigsten Stand-up-Hotspots des Landes.
Spätestens nach dem Finale der SWR-Show Comedy Clash im ausverkauften Wizemann ist klar: Stuttgart ist auf dem besten Weg, ein überregional bedeutendes Zentrum für Stand-up zu werden.
Beim Eleven Comedy Club darf man zum Lachen in den Keller gehen
Der hiesige Trend zum Zweitgag bekommt nun sogar ein dauerhaftes Zuhause. Im Frühjahr 2026 eröffnet im historischen Marquardt-Gebäude an der Königstraße der Eleven Comedy Club – der erste echte Comedy-Club der Stadt. Im Keller, wo momentan der Pop-up-Club Lerche 22 residiert, werden sich künftig Talente der Stand-up-Szene die Klinke aus der Hand reißen – in einem Saal für etwa 100 Gäste.
„Die süddeutsche Antwort auf Felix Lobrecht“
An der selben Adresse befindet sich seit fast 75 Jahren die Komödie im Marquardt im oberen Stock. Künftig kann man in diesem früheren Hotelgebäude zum Lachen sogar noch in den Keller gehen. Hinter dem neuen Eleven Club stehen die Stuttgarter Entertainment-Firmen Endgame und Chimperator. Kopf des Projekts: Emmvee, „die süddeutsche Antwort auf Felix Lobrecht“, wie Comedy-Clash-Host Marvin Endres mit Stolz sagt.
Der aus Bietigheim stammende Emmvee hat erst vor wenigen Tagen die Porsche-Arena gefüllt – ein Ritterschlag für jeden jungen Comedian. Nun bekommt er seinen eigenen Club, der möglicherweise parallel mit der Lerche 22 betrieben wird. Die Vision: Ein neues Zuhause für regelmäßige Stand-up-Nächte, Talentshows, Experimente – für all jene, die Comedy nicht nur konsumieren, sondern gestalten wollen.
Influencerin und Youtuberin Jasmin Gnu. Foto: engelhard-photography-
Dass Stuttgart ein Publikum für solche Ambitionen hat, unterstreicht das dreistündige Finale des Comedy Clash mit donnerndem Applaus. Jasmin Gnu, die Stuttgarter Influencerin und Youtuberin, hat die Live-Übertragung auf dem ARD-Twitch-Kanal moderiert. Für die ARD-Mediathek wird eine gekürzte Version geschnitten, auch eine lineare Ausstrahlung ist fürs nächste Jahr geplant. Und weil es so gut läuft, hat der SWR, der sonst eisern sparen muss, bereits grünes Licht für Staffel fünf gegeben. Beim jungen Publikum setzt der Sender vor allem auf die Mediathek.
Beim Finale im Wizemann treten drei Sieger und eine Siegerin aus den Vorrunden gegeneinander an. Das Publikum im Saal und die Zuschauer im Stream entschieden gemeinsam über die Platzierungen.
Den ersten Platz holt sich Freddy Ekué, in Österreich geboren, in Bayern lebend, mit togolesischen Wurzeln – mit seiner herrlich selbstironischen Art. Der junge Mann stellt klar: „Ich hab weder die deutsche Pünktlichkeit noch den togolesischen Frohsinn.“ Stattdessen: ADHS, Legasthenie und eine große Portion Charisma.
„Hatten Sie Sex in Afrika? Mit einem Mann oder einer Frau?“
Sein Highlight: eine absurde, höchst intime und urkomische Geschichte über einen mysteriösen Ausschlag an seinem Hintern, der das Ärzteteam einer dermatologischen Klinik in helle Aufruhr versetzte und zu hitzigen Debatten brachte. Die Fragen der Ärzte („Waren Sie in Afrika?“, „Hatten Sie Sex?“, „Mit einer Mann oder einer Frau?“) steigern sich bis zum Verdacht auf Affenpocken – woraufhin Ekué erstaunt fragt: „Affenpocken vom Affenpoppen?“ Der Saal explodiert.
Mit dieser Mischung aus Selbstironie, Tabubruch und Timing setzt er sich gegen die drei weitere Finalisten durch.Für emotionale Tiefe und Gänsehautmomente sorgt Carl Josef, der 21-jährige Comedian im Rollstuhl. Er tritt außerhalb des Wettbewerbs an – und liefert einen Auftritt, der ebenso mutig wie rührend ist. Carl Josef hat die unheilbare Krankheit Muskeldystrophie Duchenne, seine Lebenserwartung liegt bei etwa 30 Jahren. Er thematisiert das mit drastischem, schwarzem Humor: Ein Bankberater habe ihm einen Bausparvertrag verkaufen wollen. „Wollt ihr das Haus auf meinem Grab bauen?“, fragt Carl Josef trocken.
Sorgt für Gänsehautmomente: Comedian Carl Josef im Rollstuhl Foto: engelhard-photography- Den „neidischen Blick von Oliver Pocher“ vergisst er nie
Über sein Leben sagt er: „Wenn man nicht so viel Zeit vor sich hat, sieht man vieles anders.“ Und natürlich macht er auch vor Körperhumor nicht halt, spricht über seinen großen Wuchs an zentraler Stelle unterhalb der Gürtellinie. Beim Festivalbesuch habe ihm ein Team aus Kollegen beim Toilettengang geholfen. „Ich werde den neidischen Blick von Oliver Pocher nie vergessen“, erzählt er – und das Publikum lacht Tränen.
Nach der Entscheidung wird im Wizemann weitergefeiert: Foto-Wall, roter Teppich, DJ Leif Müller – die After-Show-Party zeigt, wie viel Lust auf Comedy in dieser Stadt steckt. Künstler, Gäste, Fans: Alle mischen sich untereinander, es wird gelacht, getanzt, posiert. Der Comedy Clash 2025 führt vor, dass die deutsche Stand-up-Szene bunter, vielfältiger und mutiger wird – und dass Stuttgart mit großer Energie mitmischt. Mit dem Eleven Comedy Club gibt’s dafür bald sogar einen festen Ort.