Wenn die schon etwas in die Jahre gekommenen Werbeplanen am Niedkerbeplatz aufgezogen werden, weiß jeder: Michael Röckel ist wieder da. Seit zwei Jahrzehnten steht der Vierundsechzigjährige hier am Fluss und verkauft Weihnachtsbäume.
Im Sortiment hat er die Klassiker: Nordmanntanne und Blaufichte. Hinzugekommen sind in diesem Jahr erstmals auch Korktannen, auch „Rocky-Mountains-Tannen“ genannt. Diese stammen aus dem westlichen Nordamerika. Sie gelten als lange haltbar und duften nach Zitrone. Zumindest sagt das Röckel. Und der muss es wissen. Schließlich hat er den Duft täglich in der Nase.
Auf die Frage, worauf man beim Kauf des perfekten Weihnachtsbaums achten sollte, holt Röckel aus. Auf einen hellen Stamm und ein „frisches Gefühl“ in den Nadeln, sagt er. Damit stünden die Chancen schon einmal gut, dass der Baum die Feiertage gut überstehe. Außerdem rät der Baumkenner, einen Ständer mit integriertem Wassertank zu verwenden. Einige Tropfen Glycerin fördern laut Röckel zudem die Wasseraufnahme des Baumes.
„Kurzzeit-Freundschaften“ mit Kunden
Und was sorgt dafür, dass Bäume schnell nadeln? „Fußbodenheizungen sind immer ein früher Tod für den Weihnachtsbaum“, sagt Röckel, der viele seiner Kunden schon seit Jahren kennt. Die meisten kämen jedes Jahr wieder. Und das, obwohl die Tannenbaumverkäufer längst Konkurrenz bekommen haben. Kunstbäume aus Plastik fluten den Markt. Aber für viele Familien sei das keine Alternative zu einem echten, duftenden Weihnachtsbaum, ist sich Röckel sicher.
Seine Bäume bezieht er aus dem Spessart, genauer gesagt vom Donchelshof der Familie Harnischfeger, rund 70 Kilometer entfernt von Frankfurt – eine Strecke, die Röckel als gute Ökobilanz verbucht. Kalkuliert werde nicht auf Vorrat, sondern nach Bedarf. „Am Ende sind nie mehr als zehn Bäume übrig“.
Um einen leichteren Transport der Bäume zu ermöglichen, werden sie in ein Netz eingespannt. Eine Arbeit, die Muskelkraft verlangt.Wonge Bergmann
Die Sache mit dem Weihnachtsbaum-Verkauf habe vor vielen Jahren im Hof seiner Familie in Goldstein-Schwanheim begonnen, erinnert er sich. Damals habe sein Bruder Matthias Röckel sich etwas zum Studium dazuverdienen wollen und Bäume zum Kauf angeboten. Eine gute Freundin habe daraufhin die Planen mit Weihnachtsmotiven bemalt. Im Jahr 1992 sei das gewesen, erinnert sich Röckel. Seither wurden sie nicht verändert.
„Die haben wir gehegt und gepflegt, deshalb sehen sie immer noch so gut aus.“ Er selbst sei früh in das Geschäft eingestiegen, seit 2005 hat er es übernommen. Im vergangenen Jahr habe dann auch noch der letzte verbliebene Mitbewerber in Nied aufgehört. Seither versorgt Röckel allein Kindergärten, Schulen und Kirchen in dem Frankfurter Stadtteil mit Bäumen der unterschiedlichsten Größe. Fast alle Kunden kennt er persönlich – „das ist wie eine Kurzzeit-Freundschaft“, sagt er.
Ihm zur Seite steht Sohn Luke Khattar-Röckel. Zusammen mit Dirk Hages, einem Freund der Familie, will er den kleinen Familienbetrieb in den nächsten Jahren übernehmen. Denn Michael Röckel will sich langsam etwas zurücknehmen. Der gelernte Haustechniker ist im Oktober vergangenen Jahres in den Ruhestand gegangen, arbeitet aber weiterhin auf Minijobbasis. Jetzt will er es ein bisschen gemütlicher angehen und die Vorweihnachtszeit auch mal genießen. So ganz kann und will er aber nicht auf die körperlich oft anstrengende Arbeit verzichten. Das Auszeichnen der Bäume im August gehört zu seinen liebsten Aufgaben im Geschäft, „das mache ich so lange, wie ich noch laufen kann“.
Wenn Wind und Wetter am Platz zerren, bietet der Wohnwagen seiner Schwester mit gemütlicher Sitzgruppe einen warmen Rückzugsort. Das Geschäft verlange trotzdem „innere Härte“, sagt Röckel. Man müsse anpacken können, Kraft haben. Seinem Sohn traue er diese Fähigkeiten voll und ganz zu.
Verkauft wird bis Heiligabend – dann werden die Planen wieder eingerollt. Bis zum nächsten Winter, wenn Familie Röckel wieder zahlreiche Familien mit Weihnachtsbäumen versorgt.