Rossen Scheljaskow

Stand: 11.12.2025 16:53 Uhr

Der Druck von der Straße war offenbar zu groß: Der bulgarische Ministerpräsident Scheljaskow und seine Regierung treten zurück. Seit Tagen gab es Demonstrationen im Land. Dabei kommt Bulgarien politisch seit Jahren nicht zur Ruhe.

Erst gestern waren Zehntausende Menschen in Bulgarien gegen die Regierung auf die Straße gegangen. Jetzt reagiert Ministerpräsident Rossen Scheljaskow von der konservativen GERB-Partei auf die Proteste. Er und seine gesamte Regierung treten zurück. Scheljaskow verkündete das nach einer Sitzung der Koalitionsspitzen in Sofia.

„Wir hören die Stimmen der Bürger, die gegen die Regierung protestieren. Und wir müssen ihren Forderungen und Erwartungen gerecht werden“, sagte er. „Menschen aller Altersgruppen, ethnischen Zugehörigkeiten und Religionen“ hätten für den Rücktritt der Regierung demonstriert. Diese „zivilgesellschaftliche Energie“ müsse „unterstützt und gefördert“ werden. Mit dem Rücktritt kam Scheljaskow einem Misstrauensantrag der Opposition im Parlament zuvor – dem sechsten gegen die aktuelle Regierung.

Proteste gegen Haushaltsentwurf und Korruption

Seit Anfang des Monats gab es Proteste. Vergangene Nacht hatte auf dem Parlamentsplatz in Sofia die größte Demonstration im Land seit Jahren stattgefunden: Bis zu 150.000 Demonstranten gingen in der Hauptstadt auf die Straße, auch in anderen bulgarischen Städten protestierten Zehntausende.

Auslöser war der Haushaltsentwurf der Regierung für 2026. Er verschleierte nach Ansicht der Regierungsgegner die im Land grassierende Korruption. Die Regierung zog den Entwurf daraufhin zurück, die Proteste hielten jedoch an.

Parlament stark zersplittert

Der zurückgetretene Premier gab sich nun selbstkritisch: „Wir erkennen, dass der Protest gegen Selbstüberschätzung gerichtet war, gegen Arroganz“, sagte er. „Die Protestierer haben die Art und Weise bewertet, wie wir die demokratischen Werte umsetzen. Dieser Protest ist ein Protest für Werte.“

Allerdings wissen sowohl der Premier als auch seine Partei: Ein solcher Regierungsrücktritt ist für sie eigentlich nicht sonderlich riskant. Denn es gab in den letzten fünfeinhalb Jahren einige Rücktritte und insgesamt sieben Parlamentswahlen. Bulgarien ist politisch sehr instabil, das Parlament stark zersplittert in viele kleine Parteien. Die GERB-Partei – die Partei des einstigen Dauerregierungschefs Bojko Borissow – ist die stärkste Kraft. Die letzten Wahlen haben gezeigt, dass eine Machtoption an ihr vorbei unrealistisch ist.

Schwierige Regierungsbildung

Seit Anfang des Jahres regiert die GERB zusammen mit den bulgarischen Sozialisten und mit der konservativ-populistischen ITN. Die Regierung hatte keine eigene Mehrheit und war abhängig von der neuen Partei des mächtigsten bulgarischen Oligarchen Deljan Peewski. Er ist für die Demonstranten auf den Straßen die größte Reizfigur, weil er als der Strippenzieher in der bulgarischen Politik gilt.

Das Parlament kann nun versuchen, in den kommenden Wochen eine neue Regierung zu bilden. Wenn das nicht klappt, gibt es in Bulgarien wieder eine Neuwahl. Dabei steht das Land kurz vor der Einführung des Euro am 1. Januar 2026. Mit dem kritisierten Haushalt wollte die Regierung die Bedingung der Eurozone erfüllen, wonach das Haushaltsdefizit unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen muss.

Mit Informationen von Oliver Soos, ARD-Studio Wien