Berlin – Die zweite Staatsangehörigkeit wird in der Kriminalstatistik nicht erwähnt. Die Begründung der Innensenatorin dafür ist wenig überzeugend.

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), hat die Landespolizei angewiesen, im Falle von deutschen Tatverdächtigen mit doppelter Staatsangehörigkeit auch die zweite Nationalität anzugeben. In der Kriminalitätsstatistik wurden Doppelstaatler zuvor nur als Deutsche angegeben, auch wenn sie zwei Pässe hatten.

Reul begründete die Anordnung im August dieses Jahres so: „Wenn wir nicht alle Staatsangehörigkeiten erfassen, tappen wir im Dunkeln. Wer die Realität sehen will, muss sie auch messen.“ Reul hält die Angaben über Straftäter also für unvollständig, wenn sie als Deutsche bezeichnet werden, obwohl sie noch eine zweite Staatsangehörigkeit haben, also zum Beispiel auch Türken oder Syrer sind.

Reul bekommt Zuspruch aus anderen Bundesländern

Mehrere Bundesländer stimmten Reul zu, darunter Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Hessen. Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) sagte: „Wir sollten konsequent auf Transparenz setzen. Wir haben nichts zu verbergen. Transparenz ermöglicht neue Erkenntnisse, fördert den Dialog und stärkt das Vertrauen in den Rechtsstaat.“

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Aus Berlin bekam Reul keine Zustimmung. Wir fragten deshalb bei Innensenatorin Spranger (SPD) an, ob sie dem Beispiel Nordrhein-Westfalens folgen wolle. Nein, das möchte sie nicht. Zur Begründung teilte sie uns mit: „Hat eine Person neben der deutschen mehrere Staatsangehörigkeiten, so hat die deutsche den Vorrang. Dadurch wird über die Polizeiliche Kriminalstatistik die größtmögliche Transparenz und Vergleichbarkeit hergestellt.“

Das ist ein Widerspruch: Die Innenminister Reul und Poseck halten es für „transparent“, die zweite Staatsangehörigkeit zu nennen. Berlins Innensenatorin erklärt das Gegenteil für transparent, nämlich zu verschweigen, wenn ein Straftäter nicht nur Deutscher, sondern auch Türke oder anderer Nationalität ist.

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Und warum sollte die Polizei den zweiten Pass überhaupt verschweigen? Ist er nicht genauso wichtig wie der deutsche Pass? Türken oder andere Ausländer behalten ihren Pass nach der Einbürgerung, weil sie stolz auf das Land ihrer Vorfahren sind. Also wirkt es geradezu komisch, wenn die Polizei den zweiten Pass nicht nennen will.

Politisch aufgeladene Debatte

Die Debatte ist politisch aufgeladen. Nach den Silvesterkrawallen 2022/23 in Berlin wollte die CDU – die damals noch in der Opposition saß – vom Innensenat wissen, welche Vornamen die Straftäter mit deutscher Staatsangehörigkeit trügen. SPD, Linke und Grüne verurteilten diese Frage als „rechtspopulistisch“.

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Die CDU argumentierte, dass man anhand der Staatsbürgerschaft noch gar nicht wisse, um wen es sich eigentlich handele. Am Vornamen würde man es dann besser erkennen.

Hinter dieser Argumentation versteckte sich die Annahme, dass es überwiegend Männer mit türkischer oder arabischer Herkunft waren, die an Silvester 2022/23 gewalttätig wurden.

Die Frage nach den Vornamen mag unsachlich sein, die Bekanntgabe der zweiten Staatsangehörigkeit eines Straftäters ist es nicht. Sie gehört zur Information, auf die die Öffentlichkeit ein Anrecht hat.

Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de