Die Enttäuschung sitzt tief, die Angst wird immer größer. Nach den geleakten Papieren über eine neue US-Strategie in Europa sind Politiker und Experten noch alarmierter. Auch bei Maybrit Illner.
CDU-Vize Norbert Röttgen (60) ist sichtlich erschüttert: „Die USA stehen jetzt zum ersten Mal seit 80 Jahren nicht mehr an unserer Seite. Sie haben sich verbunden mit Russland. Die Ukraine wird zum Business-Case. Das Verständnis gemeinsamer Sicherheit, das 80 Jahre lang gegolten hat, ist jetzt aufgegeben worden. Putin sitzt da und kann gar nicht fassen, wie viele Geschenke er die ganze Zeit einsammelt.“
Sicherheitsexpertin: Russland zu keinen Kompromissen bereit
„Ich bin genauso geschockt, aber überrascht bin ich nicht“, sagt Sicherheitsexpertin Claudia Major (49). „Es gibt einen Punkt, wo Europa nicht nur als strategisch irrelevant dargestellt wird, sondern als moralisch-ideologisches Problem. Kooperation gibt es nur mit den illiberalen und populistischen Parteien. Das ganze Europa-Kapitel ist eine Mischung zwischen Herablassung, Verachtung und Feindseligkeit.“
Sicherheitsexpertin Claudia Major
Foto: ZDF/Jule Roehr
Majors bittere Analyse: „Was es für uns so brutal schwer macht, ist, dass diese zweite Zeitenwende, also die Veränderung in Amerika, uns das Umgehen mit der ersten Zeitenwende, also dem russischen Angriff auf die Ukraine, so verdammt schwierig macht. Denn ohne die amerikanische politische und militärische Unterstützung schaffen wir es nicht.“
Sie sagt weiterhin: „Ich sehe im Moment keinerlei Anzeichen dafür, dass Russland zu Kompromissen bereit ist. Die Zeit spielt für Russland. Russlands Siegtheorie ist ein langfristiger Abnutzungskrieg und die Überzeugung, dass Russland länger durchhält als die Ukraine und der Westen. Amerikaner und Europäer sind zerstritten, und die Ukraine ist schwach. Warum sollte Russland Kompromisse machen?“
Mehr zum ThemaUS-General stocksauer über Kurswechsel der USA
US-General a.D. Ben Hodges (67), Ex-Oberkommandeur der US-Armee in Europa, sagt empört: „Ich hatte das Gefühl, als wäre mir in den Magen geschlagen worden. Auch wenn Präsident Trump dieses Dokument wahrscheinlich nie gelesen hat, spiegelt es doch wider, wie er denkt und wie er spricht. Das macht mich wütend. Für mich fühlt sich das nach einem Betrug unter Freunden an. Der einzige, der einen Vorteil daraus ziehen kann, ist Putin.“
US-General a.D. Ben Hodges
Foto: ZDF/Jule Roehr
Sein Appell an „alle Freunde der USA in Europa“: „Bitte geben Sie nicht auf! Die Ukrainer werden auf ewig weiterkämpfen, weil sie wissen, was passiert, wenn sie damit aufhören. Dann wird es Butscha noch und noch und noch einmal geben. Und dann wird der Rest Europas dran sein.“
Diplomat Wolfgang Ischinger: „Jetzt ist Handeln angesagt!“
„Da ist ein ideologischer Teil, der sagt, Europa steht am Abgrund und entgleitet uns“, analysiert Diplomat Wolfgang Ischinger (79) von der Münchner Sicherheitskonferenz realistisch. „Und es ist ja schon so, und dafür brauchen wir nicht die amerikanische Kritik, dass Europa Probleme hat. Wir sind leistungsmäßig, wirtschaftskraftmäßig, technologiemäßig zurückgefallen. Wir sind verteidigungspolitisch im Moment unfähig.“
Wolfgang Ischinger und Katrin Eigendorf
Foto: ZDF/Jule Roehr
Ischingers dringende Forderung: „Jetzt ist Handeln angesagt! Es wäre toll, wenn jetzt zur Jahreswende eine klare Initiative ergriffen würde, um beispielsweise einen konsolidierten europäischen Verteidigungsmarkt zu schaffen. Das würde auch bei diesen Knaben und Mädels in Washington, übrigens auch in Moskau, Eindruck machen.“
ZDF-Journalistin: Russland ist zu ausgebufft für die USA
ZDF-Sonderkorrespondentin Katrin Eigendorf (63) sagt illusionslos: „Die Russen sind diejenigen, die das Spiel beherrschen, nicht die Amerikaner. Wir haben es auf der russischen Seite mit wirklich ausgebufften Profis im Über-den-Tisch-ziehen zu tun. Dem sind die Amerikaner überhaupt nicht gewachsen. Sie stehen dem als Zwerge gegenüber. Ich würde annehmen, dass Putin darüber einfach nur noch lachen kann.“
Weitere Sorge von Eigendorf: „Die AfD ist ein Proxy Russlands in Deutschland. Das macht diese Partei so gefährlich. Deswegen halte ich die AfD nicht nur für eine politisch problematische Partei, sondern für eine Frage unserer nationalen Sicherheit. Diese Partei gefährdet unsere Sicherheit. Wir befinden uns bereits im Krieg mit Russland. Die Destabilisierung der deutschen Sicherheit findet längst statt.“
Vitali Klitschko
Foto: ZDF/Jule Roehr
Vitali Klitschko: „Wir kämpfen weiter!“
Kiew-Bürgermeister Vitali Klitschko (53) sagt bei Maybrit Illner zum Korruptionsskandal: „Das ist ein Tiefschlag für jeden Ukrainer. Das Wichtigste ist Vertrauen. Das Vertrauen unserer internationalen Partner. Das Vertrauen unseres Volkes in unsere Regierung. Solche Skandale zerstören Vertrauen.“ Trotzdem bleibt er hoffnungsvoll: „Wir kämpfen weiter. Keiner kann uns besiegen, solange wir kämpfen. Wir kämpfen für unsere Unabhängigkeit, wir kämpfen für unsere Zukunft.“