Immer mehr Unternehmen melden Insolvenz an. Laut den neuesten Daten der Wirtschaftsauskunftei Creditreform ist die Zahl der Pleiten auf einem Zehnjahreshoch. In Bayern waren demnach in diesem Jahr 3.220 Betriebe zahlungsunfähig. Doch das spiegelt nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit wider.
Denn die allermeisten Betriebe im Freistaat sind in Eigentümer- und Familienhand. Davon verschwinden viele Tausende jedes Jahr, ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz nimmt. Und die große Welle der Firmenschließungen kommt erst noch, betonen Experten.
Viele eigentümergeführte Betriebe machen dicht ohne Aufsehen
Circa 680.000 Firmen gibt es derzeit in Bayern, davon sind rund 550.000 in Familienhand. Schon aus Unternehmerstolz wollen hier viele Besitzer eine Insolvenz vermeiden, sagt Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz vom ifo-Institut. Außerdem würden sie bei einem eigentümergeführten Betrieb bei einer Insolvenz meist mit ihrem Privatbesitz haften.
Deshalb machen die Firmenlenker bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder fehlendem Nachfolger ihren Laden ohne großes Aufsehen einfach dicht. Allein von Januar bis September 2025 haben in Bayern nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Statistik rund 56.000 Firmenbesitzer aufgegeben.
80.000 Firmenschließungen in Bayern jedes Jahr
In den Jahren 2023 und 2024 waren es jeweils mehr als 80.000 bayerische Betriebe, die aufgehört haben. Und es werden tendenziell jedes Jahr mehr, sagt Ragnitz. Zwar liegt die Zahl der Neugründungen jedes Jahr höher. Doch das kann nicht beruhigen. Denn oft sind es Saisonbetriebe etwa im Tourismus, die nur im Sommer öffnen oder auf Weihnachtsmärkten einen Stand haben.
Viele Leute melden ein Gewerbe an, wenn sie nebenbei beispielsweise Kleidung verkaufen. Nach kurzer Zeit melden sie dann das Gewerbe wieder ab. Doch bei den Betriebseinstellungen sind eben auch zunehmend Familienbetriebe im Handwerk, im Einzelhandel oder in der Hotellerie, die teilweise schon seit Generationen bestehen.
IHK: Audi-Krise belastet Einzelhandel in Ingolstadt
Die andauernde Wirtschaftskrise, die Bürokratie, steigende Energiepreise und Lohnkosten – all das hat die Firmen in Deutschland Wettbewerbsfähigkeit gekostet. Die Industrie- und Handelskammern in Bayern registrieren immer mehr Firmen, die Hilfe suchen. Zuletzt beispielsweise von verschiedenen Einzelhändlern in und um Ingolstadt. Weil der Autokonzern Audi in der Krise steckt, halten sich die Menschen in der Region beim Einkaufen zurück, berichtet Volker Schlehe von der IHK für München und Oberbayern. Das bringe die Händler in Bedrängnis.
Firmen-Chef geht in Ruhestand: Meist fehlt ein Nachfolger
Ein weiterer Faktor ist die Demografie: Es fehlt schlicht der Nachwuchs. Laut dem KfW-Mittelstandspanel waren 2024 knapp 40 Prozent der Firmenlenker über 60 Jahre alt. Wenn sich in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge („Babyboomer“) aus dem Geschäftsleben zurückziehen, droht eine Welle von Firmenschließungen, sagt Patrick-Ludwig Hantzsch, Wirtschaftsforscher bei der Auskunftei Creditreform.
Die Kinder der Betriebschefs wollten oft das Unternehmen nicht fortführen, Außenstehende auch nicht. Gibt es Interessenten, scheitere ein Verkauf oft an unterschiedlichen Preisvorstellungen. Daneben hat der Staat für eine Übernahme einen bürokratischen Hürdenlauf aufgebaut, der viele abschreckt.
Firmenschließungen gefährden wirtschaftliche Substanz des Landes
Es sei höchste Zeit für Politik, Banken, Kammern und Berater dazu beizutragen, dass Generationswechsel in den Unternehmen gelingen – nicht irgendwann, sondern jetzt, fordert Hantzsch. Er spricht von einem Drama, das die wirtschaftliche Substanz von Deutschland gefährde.