„Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende.“
(John F. Kennedy)

Der Zweite Weltkrieg brachte in Wuppertal über 16 000 Tote, 89 000 Wohnungen waren in Schutt und Asche, die Stadt zu 45 Prozent zerstört. „Das war die grauenhafte Kriegsbilanz für Wuppertal“, schreibt Kurt Schnöring im Bildband „Hurra, wir leben noch! Wuppertal nach 1945“ (erschienen 2011 im Wartberg Verlag). „Not, Hunger und Elend bestimmten das Leben der Menschen in der Trümmerwüste Wuppertal auch noch mehrere Jahre nach dem Einmarsch der Amerikaner.“ Die Bilder des Buches geben eine gespenstische Stimmung wieder, dokumentieren Zerstörung und Leid. Und dazu den Mut, diese Katastrophe zu verarbeiten und die Stadt wieder aufzubauen.

In all diesen Trümmern blieben Gebäude bestehen, die mitverantwortlich dafür waren, diesen Krieg zu führen: die Kasernen. Die Westdeutsche Zeitung hat sich auf Spurensuche begeben und beleuchtet die Geschichte dieser militärischen Einrichtungen, die aus Wuppertal einen Garnisonsstandort machten.

In einem Buch des Historikers Michael Okroy unter dem Titel „Volksgemeinschaft, Erbkartei und Arisierung. Ein Stadtführer zur NS-Zeit in Wuppertal“ (2002) zeigt ein Foto ein Plakat mit der Aufschrift: „Männer im Alter von 16 bis 70 Jahren gehören in den Einsatz, nicht in den Bunker.“ Forderungen, gar Anweisungen der Wehrmacht, den Streitkräften des Nationalsozialismus. Vier Kasernen ließ sie ab 1937 in Wuppertal bauen: die Saarburg-Kaserne, die Sagan-Kaserne, die Colmar-Kaserne und die Diedenhofen-Kaserne, nicht weit voneinander entfernt am Freudenberg, auf Lichtscheid sowie an der Parkstraße. Dazu der Standortübungsplatz Scharpenacken.

Der Ronsdorfer Verschönerungsverein wurde gezwungen, den nördlichen Teil der Ronsdorfer Anlagen abzutreten, die Wehrmacht nahm das Gelände in Beschlag. Schrecklich klingt, dass die damaligen Bewohner der Höfe, die teilweise seit dem 16. Jahrhundert bestanden, umgesiedelt, die Gebäude im Rahmen von militärischen Übungen zerstört wurden.

Mit Zerschlagung des Dritten Reiches durch die Alliierten wurde die Garnison aufgelöst, die intakte Infrastruktur von der britischen Armee genutzt und Zug um Zug der Bundesrepublik Deutschland übergeben. 1957 übernahm die Bundeswehr endgültig das Kommando.

36 Stunden Übung auf dem Scharpenacken

Zu den Zeitzeugen gehört Wolfgang Peterssohn. Er war von 1975 bis 1989 überwiegend bei den Fernmeldern in der Sagan-Kaserne tätig und hat mehrere Filme mit Originalaufnahmen aus den 80er-Jahren gedreht, die einen Einblick in das Innenleben der Kasernen geben. Zudem ist er Teil einer Facebook-Gruppe des ehemaligen Fernmeldebataillons. „Vier Kasernen gaben mehreren Tausend Soldaten ein meist unfreiwilliges Zuhause.“ Zu seinen ersten Erfahrungen mit dem Scharpenacken gehörte „eine 36-Stunden-Übung mit Übernachtung in einer eiskalten Nacht in der Hundehütte, wie das Zwei-Mann-Zelt auch genannt wurde“, erzählt er. „Einzige Zugeständnisse: eine Flasche Bier vor dem Zubettgehen und eine Kerze auf dem Stahlhelm, die etwas Wärme spenden sollte.“ Die Gefechtsausbildung war heftig und mitunter gnadenlos – was nach den Beschreibungen von Wolfgang Peterssohn auch für die Truppenküche gelten konnte. Nach dem Motto „Ohne Mampf kein Kampf“ war sie zwar steter Anlaufpunkt, aber, wie ein Rekrut im Video erwähnt: „Meine Freundin kocht besser, ich finde, das ist der letzte Fraß.“

Wer mit der Truppenküche partout nicht klarkam, habe sich auch im Mannschaftsheim versorgen können“, sagt Peterssohn, auf der Karte standen Spaghetti Bolognese, Reibekuchen mit Apfelmus und Strammer Max mit Spiegeleiern. Etwas gediegener ging es im Offizierskasino, der Villa Braus in Ronsdorf, zu, die als Speise- und Aufenthaltsraum diente. „Da wurde gezapft, was das Zeug hielt.“ Die Villa am Erich-Hoepner-Ring ist heute ein Hotel.

Darüber hinaus habe es in den Räumen der Kasernen Unterrichseinheiten gegeben, etwa zu innerer Führung und Truppenkunde – „manchmal bis zu elf Stunden am Tag“, betont der heute 71-Jährige. Für Wolfgang Peterssohn nahm der Dienst als Soldat eine unerwartete Wendung: „Nach einem Autounfall war ich fast ein Jahr krankgeschrieben, konnte glücklicherweise vollständig genesen, und als ich unerwartet zurück zur Truppe musste, bekam ich fast nur noch Einsätze im Innendienst.“ Er habe zunächst in der Wäschekammer und als Gerätewart gearbeitet, sei später Rechnungsführer gewesen und absolvierte Lehrgänge zum Unteroffizier und Feldwebel. „Das war eine sehr zufriedenstellende Entwicklung.“ Nach seiner Entlassung wurde er Busfahrer bei den Wuppertaler Stadtwerken und war zudem drei Jahre lang Schwebebahnfahrer. „Ich habe den Eindruck, viel Glück im Leben gehabt zu haben.“

Die sukzessive Aufgabe der Wuppertaler Kasernen zwischen 1993 und 2004 bekam er selbstredend mit. Einige existieren nicht mehr, liegen brach oder wurden renoviert, um das Technologiezentrum W-tec an der Heinz-Fangman-Straße anzusiedeln.

Durch die bundespolitischen Entscheidungen zum neuen Wehrdienst und der laut Militärgeheimdienst MAD gerade erst kommunizierten „gestiegenen Bedrohungslage“ für die Bundeswehr steht nun die Diskussion im Raum, Wuppertal wieder zu einem Militärstandort zu machen. Die Hoffnung jedoch besteht darin, dass diese Gebäude und die Berichte über deren Vergangenheit ein Zeugnis der Geschichte bleiben. Denn, wie bereits Mahatma Gandhi sagte: „Wo Liebe wächst, gedeiht Leben. Wo Hass aufkommt, droht Untergang.“

Die Dokumentation von Wolfgang Peterssohn unter dem Titel „Wuppertal in den 80er Jahren (Teil 3)“ ist bei Youtube abrufbar: