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Putin hatte die Eroberung von Kupjansk mehrfach verkündet. Jetzt gelingt der Ukraine ein überraschender Gegenschlag. Moskau Truppen sollen eingekesselt sein.

Kiew – Die Lage an der Front im Ukraine-Krieg spitzt sich weiter zu. Die Streitkräfte von Russlands Präsidenten Wladimir Putin erhöhen den Druck an der Frontlinie und rücken zwar langsam, aber stetig nach vorne. Nach Angaben des ukrainischen Oberbefehlshabers Oleksandr Syrskyj hat Moskau in der Region Pokrowsk über 150.000 Soldaten zusammengezogen. Während Experten mit einem baldigen Fall der strategisch wichtigen Stadt an Russland rechnet, ist den ukrainischen Truppen an einem anderen Frontabschnitt wohl ein unerwarteter Erfolg gelungen. Im Fokus steht dabei eine Stadt, die Putin bereits mehrfach für erobert erklärt hatte.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj bei einer Besprechung in der Region Kupjansk. (Archivbild)Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj bei einer Besprechung in der Region Kupjansk. (Archivbild) © dpa

Das ukrainische Open Source Intelligence Projekt DeepStateUA hat auf Telegram einen Vorstoß der ukrainischen Truppen nach Kupjansk bestätigt. „Dank des erfolgreichen Einsatzes der Verteidigungskräfte wurde der Feind in Kupjansk eingekesselt und das gesamte nordwestliche Umland der Stadt befreit“, heißt es in der Meldung. Den Streitkräften Kiews sei es gelungen, die Versorgungslinien zwischen den russischen Hauptstreitkräften und den Truppen in der Stadt abzuschneiden. Von Westen und Nordwesten könnten die Einheiten nun nach Kupjansk eindringen, wo sich noch immer russische Soldaten aufhalten. Die Operation dauert den Informationen zufolge an.

Lage an der Front im Ukraine-Krieg: Kiew gelingt Vorstoß in verlorgen gelaubte Stadt

DeepStateUA erstellt anhand von geolokalisierten Fotos und Videos sowie aus Kontakten zu Followern in der Nähe der Frontlinie und Kontakten zu ukrainischen Soldaten eine virtuelle Karte des aktuellen Frontverlaufs im Ukraine-Krieg. Auch wenn der genaue Verlauf der Frontlinie nur geschätzt werden kann, hat sich die Einschätzung der Karte bei der Eroberung von Städten in der Vergangenheit als recht zuverlässig erwiesen.

Der Vorstoß der ukrainischen Truppen nach Kupjansk kann als Coup für Kiew an der Front gewertet werden. Putin prahlte in den vergangenen Wochen immer wieder öffentlich mit der Eroberung der Stadt in der Oblast Charkiw. Bereits Anfang November hatte Putin Kiew vorgeworfen, die Lage an der Front falsch wiederzugeben und Einkesselungen zu bestreiten. Dabei verwies er neben Pokrowsk auch auf Kupjansk. Am 20. November erklärte Putin während eines Frontbesuchs, dass Russland 15 ukrainische Bataillone in der Stadt Kupjansk eingekesselt habe. Kurze Zeit später meldete Generalstabschefs Waleri Gerassimow, Russland habe die volle Kontrolle über die Stadt erlangt.

Putins Verbündete: Diese Länder stehen im Ukraine-Krieg an der Seite RusslandsRusslands Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen der Gemeinschaft unabhängiger StaatenFotostrecke ansehenLage an der Front: Putin prahlte mit Eroberung von Kupjanks – jetzt sind seine Soldaten eingekesselt

Putin warf den Europäern mit Verweis auf Kupjansk auch vor, nicht kompetent zu sein und keine echten Informationen über die Lage auf dem Schlachtfeld zu haben. Sie verstünden nicht, wozu diese Unkenntnis führe. Als Beispiel führte er die angeblich von seinen Truppen eroberte Stadt im Gebiet Charkiw an. Noch am 2. Dezember hatte Putin ausländische Journalisten eingeladen, sich selbst ein Bild von der Lage in Frontstädten zu machen – darunter auch Kupjansk. „Wenn jemand Zweifel hat, sind wir, wie ich bereits gesagt habe, bereit, ausländischen und sogar ukrainischen Reportern das Recht zu gewähren, Krasnoarmeysk zu besuchen und sich selbst ein Bild davon zu machen, was dort vor sich geht und wer diese Siedlung tatsächlich kontrolliert“, sagte Putin laut der russischen Nachrichtenagentur Tass. „Das Gleiche gilt für Kupjansk“, fügte der Präsident hinzu.

Überraschender Erfolg an der Front: Ukraine gelingt Coup im Ukraine-Krieg

Wolodymyr Selenskyj und die ukrainische Militärführung hatte den Verlust der Stadt stets zurückgewiesen und von andauernde Gefechte um die Stadt gesprochen. Sollten sich die Berichte von DeepStateUA bewahrheiten, wäre der Vorstoß der Ukrainer nicht nur ein herber Rückschlag für Putin, sondern auch ein Sieg für die Moral der ukrainischen Truppen. Der Vorstoß könnte auch ein Faustpfand für Kiew in den Verhandlungen um einen Friedensplan für den Ukraine-Krieg sein.

Denn während die Armee Moskaus an anderen Frontabschnitten – besonders in der Region Pokrowsk – nach vorne drängt, kann die Ukraine sich zumindest mit kleineren Gegenstößen behaupte. Analysten des US-Thinktanks Institute for the Study of War hatten mit Blick auf die Lage in Pokrowsk geschrieben, dass Russland bei seinem aktuellen Tempo wohl zwei bis drei weitere Jahre brauchen würden, nur um die Region Donezk zu erobern. Je größer der Widerstand der ukrainischen Truppen an der Front, desto größer die Chance auf ein Friedensabkommen, das die Interessen Kiews stärker berücksichtigt. (Quellen: DeepStateUA, dpa, Tass, Institute for the Study of War) (fdu)