Rotterdam. „Geflennt habe ich bisher noch nicht“, verriet Emily Vogel allen Ernstes – und bekam nasse Augen. Was sie denn dazu sage, dass die deutsche Handball-Nationalmannschaft nun tatsächlich im Finale der Frauen-WM stehe? „Krank, oder?!“, entfuhr es der Rückraumspielerin.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Attribute wurden viele gefunden für das, was da gerade im beim ersten Spiel des Freitages mit 5555 Zuschauerinnen und Zuschauern leider noch sehr spärlich besetzten Rotterdam Ahoy passiert war. Als „Wunder“ wurde das 29:23 (15:12) gegen den Titelverteidiger häufig bezeichnet. Auch das Wort „Achterbahn“ machte die Runde auf der Tribüne. Vermutlich aber eher, weil das so schön zu dem Song von Helene Fischer passte, der vor Spielbeginn extra für die deutschen Gäste auf der Tribüne gespielt worden war. Und sogar etwas martialisch von einer „tysk bombe“ (übersetzt: einer deutschen Bombe) war auf einigen der Monitore auf der Pressetribüne die Rede.

20 Jahre Warten haben ein Ende

Doch egal, wie man es nun nennen mag und wie viele Superlative man dabei bemüht. Eines steht felsenfest: Unbedingt damit zu rechnen, dass der erste Endspielteilnehmer tatsächlich Deutschland heißt, war wirklich nicht. Schließlich gelang der DHB-Auswahl ihr (bislang) letzter Pflichtspielsieg gegen Frankreich vor 20 Jahren – und zwar auf den Tag genau. Am 12. Dezember 2005 gab es ein 32:26 bei der WM in Sankt Petersburg.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Krank, oder?!

Emily Vogel, deutsche Handballnationalspielerin

Doch bei der Neuauflage hatten die favorisierten Französinnen, deren kleine Fangruppe ihr „Allez les Bleus!“ auch bei Rückständen stoisch weiter skandierte, nur zweimal geführt. Und zwar ziemlich zu Beginn der Partie – beim 3:2 und 4:3. Danach lag stets Deutschland in Front, was einerseits – einmal mehr – an Kapitänin Antje Döll (37) lag, die schon nach einer Viertelstunde fünfmal getroffen hatte und sich insgesamt neunmal in die Torschützenliste eintrug. Andererseits aber auch an der in diesem Turnier beinahe unmenschlich haltenden Schlussfrau Katharina Filter, die es über das gesamte Spiel auf elf Paraden brachte. Zur besten Spielerin der Partie wurde sie wohl nur deshalb nicht gewählt, weil ihr dabei ihre Spielführerin im Wege stand.

Döll: „Habe es im Gefühl gehabt“

„Hach“, seufzte Döll, die sich nach der Partie ebenfalls nicht nur Schweiß aus dem Gesicht wischte. „Ganz, ganz dolle glücklich“ sei sie, „und sehr, sehr stolz auf mein Team. Das war ein krasses Spiel.“ Aber überrascht? „Ich habe es vorher schon so im Gefühl gehabt. Dass wir sie, wenn wir sie oft ins Sechs-gegen-sechs bekommen, mit unserer Abwehr auf jeden Fall stoppen können. Und das haben wir von Minute eins wahnsinnig gut durchgezogen.“

Und Filter ergänzte: „Wir wussten, der Druck ist weg. Das Halbfinale hatten wir erreicht.“ Und mit Blick aufs Endspiel gegen Norwegen sagte sie: „Wir hören jetzt nicht auf. Wir gehen genauso weiter. Wir sind in so einem Flow. So sehr, dass manche Leute schon gedacht haben, dass unser Weg bislang einfach war. Aber das war er eindeutig nicht.“

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Hart zu sich und anderen: Deutschlands Kreisläuferin Lisa Antl (weißes Trikot) wirft sich mutig der Französin Pauletta Foppa (r.) entgegen.

Zwischen ungläubigem Kopfschütteln, diebischer Freude und überbordender Emotion war im Mannschaftskreis alles zu sehen, nur der Trainer präsentierte sich ganz ruhig. „Ich bin relativ kühl“, sagte Markus Gaugisch. „Ich bin einfach zufrieden. Aber ich bin hungrig.“ Denn: Das Turnier ist nach dem achten klaren DHB-Sieg beim achten Auftritt natürlich noch nicht beendet.

An diesem Sonntag geht es um 17.30 Uhr schon weiter. Ob dann alle deutschen Spielerinnen wieder laufen können? Kreisläuferin Lisa Antl humpelte zumindest bedenklich gegen Ende des Halbfinales, was sie allerdings nicht davon abhielt, weiterzuspielen und sogar noch das abschließende Tor des Abends beizusteuern. „Werden wir sehen, wie dick der Fuß jetzt anschwillt“, sagte Gaugisch. „Aber das ist ein Halbfinale, da gehen die Spielerinnen über so etwas weg. Sie hat signalisiert, es geht wieder.“

Irgendwie hatten es viele der deutschen Fans wohl schon in der Halbzeitpause geahnt – und sangen den Après-Ski-Hit „Heut‘ ist so ein schöner Tag (la-la-la-la-la)“ voller Inbrunst mit. Und am Ende – als schon fast keiner mehr hinguckte – ging Gaugisch doch noch ein wenig aus sich heraus und beförderte Torwarttrainerin Jasmina Rebmann-Jankovic huckepack aus der Halle.