An diesem Donnerstagnachmittag herrscht im Büchermarkt des Fachmarktzentrums Attaching (FMZ) reger Betrieb. Christian Neumeir, sein Sohn Daniel und ein paar Helfer sind gerade dabei, Bücher zu sortieren und vollgeladene Paletten vom Lager in den Laden zu bringen, um möglichst viele Interessenten zu finden.

Denn an diesem Samstagabend muss die Initiative „Bücherherz“ ihren Laden in Attaching schließen: Wie viele Bücher sich dort noch stapeln, das kann Initiator Christian Neumeir nicht genau sagen. Er schätzt 30 000 im Laden und etwa 100 000 im Lager. Für sie sucht er dringend nach einer neuen Fläche in der Umgebung.

Das Projekt „Bücherherz“ ist mit der gemeinnützigen Organisation „Sonnenherz“ verbunden, die Menschen unterstützt, die an Krebs oder an einer anderen schweren Krankheit leiden. Gegründet wurde „Sonnenherz“ von Christian Neumeir 2017, nachdem ein Kind aus seiner Nachbarschaft in Mauern an Leukämie erkrankt war. Neumeir, so erzählt er es, war vom Schicksalsschlag der Familie berührt und gründete die Krebshilfe, um Patientinnen und Patienten deutschlandweit zu unterstützen, die infolge einer Krankheit in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die gute Nachricht: Dem Kind in Mauern geht es inzwischen wieder gut.

2019 fand die erste Büchersammelaktion der Krebshilfe Sonnenherz in Erding statt und weil sie unerwartet gut lief, wird die Aktion seitdem fortgeführt. Darum kümmert sich hauptsächlich Christian Neumeirs Sohn Daniel: Er sammelt gespendete Bücher und verkauft sie weiter, 25 Prozent der Erlöse gehen eigenen Angaben zufolge an die von Christian Neumeir gegründete gemeinnützige Organisation Sonnenherz.

Im Lager stapeln sich derzeit noch etwa 100 000 gespendete Bücher. (Foto: Marco Einfeldt)

Insgesamt habe Sonnenherz seit seiner Gründung über 1,5 Millionen Euro an kranke Menschen gespendet, sagt Christian Neumeir, darauf sei er „sehr stolz“. Er erklärt, dass nur etwa fünf Prozent dieses Geldes aus dem Verkauf der gebrauchten Bücher stamme, der größte Teil komme aus Spendenaufrufen, die Sonnenherz selbst organisiere.

Trotzdem bleibt „Bücherherz“ ein wichtiger und fester Bestandteil des Gesamtkonzeptes. Christian Neumeir sagt, jede Woche kämen Menschen mit alten Büchern vorbei, und diese Menschen seien froh, wenn sie die Bücher nicht bloß wegwerfen müssten, sondern spenden könnten – auch wegen des Aspektes der Nachhaltigkeit.

Ebenfalls positiv sei die Reaktion der Kundinnen und Kunden, die sich über die große Auswahl und den niedrigen Preis der Bücher freuen. Wenn Neumeir nicht im Laden ist, können die Bücher über eine Selbstbedienungskasse gekauft werden.

Christian Neumeir hat 2017 die gemeinnützige Familienkrebshilfe Sonnenherz UG gegründet. (Foto: Marco Einfeldt)

Nun aber braucht das Projekt „Bücherherz“ dringend einen neuen Standort. Denn die Immobilie des FMZ Attaching, die mehrmals den Eigentümer gewechselt hat und aktuell der Firma FR001 Property GmbH & Co. KG gehört, steht seit einigen Monaten unter Zwangsverwaltung. Als Zwangsverwalter wurde vom Landshuter Amtsgericht vor etwa vier Monaten der Anwalt Thomas Krimmel aus Landshut bestellt.

Die Aufgaben eines Zwangsverwalters sind im Zwangsversteigerungsgesetz festgelegt und bestehen unter anderem darin, die Einnahmen aus Mieten und Pachten zur Deckung der laufenden Kosten zu sichern und die Immobilie im Interesse der Gläubiger zu verwalten. Der Zwangsverwalter berichtet regelmäßig dem Vollstreckungsgericht über seine Tätigkeit und haftet den Verfahrensbeteiligten gegenüber bei Fehlverhalten.

Die Initiative sucht kostenlose oder günstige Räumlichkeiten

Bisher hatte der Bücherflohmarkt die Räumlichkeiten im FMZ Attaching – das bedeutet den Laden und ein noch größeres Lager im oberen Geschoss – mietfrei und ohne Stromkosten nutzen können. Doch diese durchaus günstigen Bedingungen erscheinen dem Zwangsverwalter Krimmel mit der jetzigen gerichtlichen Situation der Immobilie inkompatibel, weshalb er zur Räumung aufgefordert hat, wie er der SZ auf Anfrage bestätigt. „Sonst würde die Zwangsverwaltungsmasse den Büchermarkt subventionieren und letztendlich die Gläubiger draufzahlen. Der Büchermarkt ist nach eigenen Bekunden nicht in der Lage, irgendwelche Zahlungen zu leisten“, so Krimmel.

Tatsächlich sucht Christian Neumeir für den Bücherflohmarkt nach „Räumlichkeiten mit sehr geringer Miete oder im Idealfall sogar kostenfrei“ und erklärt das mit den Spenden in Höhe von 25 Prozent des Erlöses. Gesucht wird ein kleines Ladengeschäft mit guter Erreichbarkeit und ebenerdigem Zugang und einer Lagerfläche ab rund 250 Quadratmetern, auch über ein Umzugsunternehmen, das unterstützen möchte, würde er sich freuen. Zahlreiche Anfragen bei Städten, Gemeinden und Institutionen in den Landkreisen Freising, Erding und Landshut blieben bisher erfolglos. „Viele Menschen haben uns ihre Betroffenheit mitgeteilt und hoffen, dass unser Projekt an einem anderen Ort weiterleben kann“, so Neumeir.

Mit der Schließung des Bücherflohmarktes verschwindet aus dem FMZ Attaching ein weiteres Geschäft. Die Atmosphäre im Einkaufzentrum ist mehr als trostlos, und das seit Jahren. Schon 2019 berichtete die SZ Freising von „heruntergelassenen Jalousien“ und von „immer mehr geschlossenen Geschäften“, als Kaufmagnet bleibt nur noch das Kaufland, das aber schon angekündigt hat, die Filiale im Oktober schließen zu wollen.