Stuttgart-21-Kritiker sind alarmiert: die Ankündigung der Deutschen Bahn, spätestens im Februar 2026 mit dem Bau des mehr als elf Kilometer langen Pfaffensteigtunnels zwischen dem Flughafen Stuttgart und Böblingen beginnen zu wollen, stößt bei ihnen auf Ablehnung. Vor allem die Genehmigungsbehörde steht im Fokus ihrer Kritik, die am Freitag der Münchner Physiker und Begründer des Portals Wikireal, Christoph Engelhardt, und der Landesvorsitzende des Deutschen Bahnkunden-Verbands, Roland Morlock, öffentlich gemacht haben.
Noch steht der sogenannte Planfeststellungsbeschluss aus, die Baugenehmigung durch das Eisenbahn-Bundesamt (Eba). Das Verfahren dazu läuft seit April 2024 Und obwohl Engelhardt und Morlock den Tunnel für „nicht genehmigungsfähig und fehlgeplant“ halten, gehen sie davon aus, dass die Bahn alsbald den Bau wird beginnen können. Engelhardt sieht gar eine „Genehmigung im Handstreich“ im Raum stehen.
Pfaffensteigtunnel ersetzt Stuttgart-21-Planung
Tatsächlich hat das Projekt bisher eine vergleichsweise kurze Historie aufzuweisen. Im Sommer 2020 wurde die Idee publik, die Gäubahnstrecke und den am Flughafen Stuttgart entstehenden Fern- und Regionalbahnhof per Tunnel zu verbinden. Bis dahin war vorgesehen, im Wald bei Rohr eine Verbindungskurve zu bauen, die es Gäubahnzügen ermöglichen sollte, via Flughafen den neuen Tiefbahnhof im Talkessel zu erreichen. Mit Blick auf diese Vorgeschichte kommen die beiden Kritiker zum Schluss, dass der Pfaffensteigtunnel lediglich „untauglicher Ersatz“ für eine Fehlplanung sei.
Der geplante Pfaffensteigtunnel zwischen der Gäubahn und dem Flughafen. Foto: Yann Lange/
Morlock und Engelhardt halten die von der Bahn mit knapp zwei Milliarden Euro angegebenen Kosten für nicht realistisch und ziehen die Wirtschaftlichkeitsberechnung massiv in Zweifel, mit der der Nachweis erbracht werden soll, dass der Nutzen die Kosten übersteigt. Nur wenn das der Fall ist, darf die öffentliche Hand ein Vorhaben angehen. Das gelinge nur, so Morlocks Vorwurf, wenn man den Tunnel nicht isoliert betrachtet, sondern im Kontext weiterer Ausbaumaßnahme entlang der Gäubahnstrecke zwischen Stuttgart und der Grenze zur Schweiz. Aber gerade im südlichen Teil der internationalen Schienenverbindung sei das Geld viel sinnvoller investiert. „Stattdessen werden für einen Tunnel unnötigen Milliarden ausgegeben“, moniert Morlock. Ihn treibt die Befürchtung um, dass Bahn und Politik am weiteren Ausbau der Gäubahn das Interesse verlieren, wenn einmal der Pfaffensteigtunnel gebaut ist.
Kritiker fordern Planungsstopp für den Pfaffensteigtunnel
Trotz der aus ihrer Sicht profunden Kritik fürchten Morlock und Engelhardt, dass die Argumente ungehört verhallen. In Richtung Eba wird Engelhardt deutlich. „Wichtige Sachen wurden gar nicht richtig geprüft“. Damit keine vollendete Tatsachen geschaffen werden, fordern sie einen „Planungs- und Genehmigungs-Stopp“ für den Pfaffensteigtunnel, die Offenlegung der Berechnung des Verhältnisses von Nutzen zu Kosten sowie einen Faktencheck.
Eine gewisse Hoffnung setzen sie in die neue Bahnchefin Evelyn Palla, die angekündigt hatte, nach Ursachen für die Misere bei Stuttgart 21 forschen zu lassen. Ganz ähnlich hat sich das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 vor dem am Montag stattfindenden Lenkungskreis zu Stuttgart 21 geäußert, an dem Palla teilnehmen wird. In einem offenen Brief an die Bahnchefin heißt es: „Sie sind nicht auf ein unbedingtes Weiter-so verpflichtet und sind frei von ideologischen Fixierungen und Gesichtswahrungsproblemen, die es den unbeirrten Weitermachern so schwer machen, ihre Irrtümer, Fehleinschätzungen und ihre Desinformationspolitik einzugestehen“.