Russland und Venezuela sind Verbündete. Der Kreml reagiert jedoch sehr zaghaft auf Donald Trumps Versuch, das Regime Maduro zu stürzen.

Anfang Mai empfing Präsident Wladimir Putin (links) Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro im Kreml.Anfang Mai empfing Präsident Wladimir Putin (links) Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro im Kreml.

Alexander Zemlianichenko / Pool

In der Theorie hat der venezolanische Präsident Nicolás Maduro starke Verbündete. Eben habe er ein langes Telefonat mit dem «älteren Bruder und Freund» Wladimir Putin, Russlands Präsidenten, geführt, verkündete er am Donnerstag seinem Volk. Putin sei voller Bewunderung für die Venezolaner. Sie seien ein Beispiel von Tapferkeit angesichts der Umstände, unter denen sie leben müssten. Er unterstütze Venezuela und ihn, Maduro, unverändert.

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Der Kreml äusserte sich nüchterner. Wladimir Putin habe seine Solidarität mit dem venezolanischen Volk ausgedrückt und unterstütze den Kurs der Regierung Maduro, der auf die Verteidigung der nationalen Interessen und der Souveränität bei wachsendem äusserem Druck ausgerichtet sei, hiess es in einer Pressemitteilung. Die beiden Präsidenten hätten über die Weiterentwicklung der freundschaftlichen Beziehungen gesprochen. Im November war ein Vertrag über strategische Partnerschaft und Zusammenarbeit in Kraft getreten, den Maduro und Putin Anfang Mai in Moskau unterschrieben hatten.

Moskau übt Zurückhaltung

Putins Anruf in Caracas kam spät. Russland und Venezuela verbindet seit vielen Jahren ein besonderes Verhältnis. Es ist eine derjenigen Beziehungen, die Moskau mit den Parias dieser Welt pflegt – Iran, Kuba, Nordkorea, Myanmar und andere Staaten, die von autoritären Regimen mit zum Teil antiwestlichem Furor beherrscht werden und von den USA und den Europäern mit Sanktionen und anderen Boykotten belegt wurden. Russland lieferte Maduro Waffen und ist an der Ausbeutung der Erdölvorkommen im Land beteiligt. Der Machthaber ist ein gerngesehener Gast im Kreml. Die militärische Zusammenarbeit mit dem offen antiamerikanischen Regime in Caracas stört den Anspruch der USA, in ihrer Hemisphäre zu dominieren.

Seitdem Präsident Donald Trump dazu angesetzt hat, den Drogenrouten aus Südamerika und der Karibik den Garaus zu machen, und Maduro zur Aufgabe zwingen will, hält sich Russland jedoch auffällig zurück. Offene Kritik am amerikanischen Vorgehen, am unzimperlichen Abschuss mutmasslicher Drogenkurierboote in der Karibik wie auch an der Absicht, Maduro zu stürzen und Venezuela einen Neuanfang zu ermöglichen, fiel in den vergangenen Monaten nur selten. Wenn sie kam, dann stammte sie vom russischen Aussenministerium und nicht vom Kreml.

Berichte über Waffenlieferungen

Auch jetzt dürfte sich Maduro angesichts seiner existenziellen Bedrohung mehr von Russland erhofft haben. Die strategische Partnerschaft umfasst zwar, anders als im Fall Nordkoreas, wohlweislich keine militärische Beistandspflicht. Dass das Vertragswerk just Ende Oktober ratifiziert wurde, mitten in Amerikas Aufmarsch vor Venezuela, gibt ihm aber eine gewisse Brisanz. Russland als enger Verbündeter Maduros muss sich entscheiden, was ihm wichtiger ist: das Festhalten an einem strategisch wichtigen, ideologisch verwandten Partner oder die von vielen Hoffnungen und Illusionen getragene Beziehung zu Trump.

Anfang November hatten zwar russische Medien berichtet, Russland rüste Venezuela mit neuen, modernen Waffensystemen aus, um der amerikanischen Bedrohung etwas entgegenzusetzen. Der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses in der Staatsduma, Alexei Schurawljow, ein notorischer Wichtigtuer, behauptete, es hätten mehrere solche Waffentransporte stattgefunden, unter anderem von Flugabwehrtechnik. Der Umfang der Lieferungen sei geheim und den Amerikanern stünden Überraschungen bevor. Er selbst schliesse auch nicht aus, dass Russland einem freundschaftlich verbundenen Land neue Entwicklungen wie die Mittelstreckenrakete «Oreschnik» liefere, sagte er. Seine Äusserungen fanden allerdings keinen Widerhall in der russischen Politik.

Putin setzt Ruf als verlässlicher Partner aufs Spiel

Die russische Zurückhaltung ist bemerkenswert angesichts dessen, wie der Kreml früher auf amerikanischen Druck auf das Maduro-Regime reagiert hatte. Sie erinnert an die Ohnmacht Moskaus beim Sturz des syrischen Diktators Bashar al-Asad vor Jahresfrist und an die kühle verbale Unterstützung für Iran während der amerikanisch-israelischen Angriffe vor einem halben Jahr. Russland scheint die Verbesserung des Verhältnisses zu Amerika und Trumps wohlwollende Haltung gegenüber den russischen Forderungen bei der Beendigung des Ukraine-Kriegs höher zu gewichten als das Schicksal eines Partners.

Zudem hat sich die amerikanische Administration gerade mit ihrer neuen Sicherheitsstrategie zum Denken in Einflusszonen bekannt, einer Sichtweise, die in Moskau geteilt wird. Auf eine Konfrontation mit den USA wegen Venezuela scheint Putin wenig Lust zu haben. Auch die Propaganda bleibt in dieser Frage handzahm.

Das Reputationsrisiko und die Gefahr, an strategischem Einfluss zu verlieren, scheint den Kreml weniger zu kümmern. Würde Maduro in einer amerikanischen Intervention gestürzt, würde das Russlands Ruf als verlässlicher Partner für Diktatoren und zwielichtige Herrscher in aller Welt weiter beschädigen. Sie könnte auch in anderen Weltgegenden, etwa in Afrika, Machthaber, die auf Putin gesetzt haben, zum Nachdenken anregen. Maduro stünde dann allenfalls der Weg Asads offen, der von den Russen ins Moskauer Exil geholt wurde.