Das Feuer ist nicht echt, aber im Kamin lodert es trotzdem, ein Hirschgeweih ziert die Wand, weiche Kissen, ein warmes Fell liegen auf der Bank, alles ist aus Holz: Die Sattler-Hütte scheint direkt aus den Alpen nach Stuttgart-Bad Cannstatt versetzt worden zu sein. Kaiserschmarrn serviert Gabriele Ziegler dort und Hirschgulasch mit Semmelknödel. „Die Leute sind begeistert“, sagt die Geschäftsführerin vom Restaurant Die Sattlerei. Im Winter fehlte ihr immer der Biergarten. Um zusätzliche Plätze zu schaffen, stellte sie nach der Corona-Pandemie Zelte mit Holzboden und Heizung auf. Aber den Gästen war es oft zu kalt, weshalb sie sich dieses Jahr ein Upgrade leistet. Auch der Katzenbacher Hof setzt neuerdings auf den Almhüttencharme. Den Trend hat in Stuttgart das Maritim Hotel gestartete- schon vor neun Jahren.
Jeden Tag ist die Sattler-Hütte geöffnet
Die Sattler-Hütte schmiegt sich an eine Kastanie im Biergarten. Schon beim Aufbau schauten die Passanten neugierig zu. Ständig erhält Gabriele Ziegler Anrufe, ob noch ein Plätzchen frei wäre. Die Genehmigung gilt für drei Monate, vielleicht wird sie verlängert. Das Holzhäuschen ist jeden Tag geöffnet und es gibt durchgehend warme Küche. „Man muss am Ball bleiben“, sagt die Wirtin, „und sich etwas trauen.“ Die Sattler-Hütte wird künftig im Winter zur Dauereinrichtung, hat sie bereits nach wenigen Wochen beschlossen. Auch Frank Löhle machte seinen Biergarten am Katzenbacher Hof winterfest: Das vergangenes Jahr erstmals aufgestellte beheizte Zelt ersetzte er mit einer urigen Hütte des bayerischen Bierbrauers Erdinger. In Leinfelden-Echterdingen verwandelt David Blanco del Rio seinen Schwabengarten in ein Winterdörfle und lässt in einer seiner beiden Hütten Partys wie beim Après Ski in Tirol feiern.
Steht mit Corona-Unterbrechung seit 2017 beim Maritim-Hotel auf dem Bosch-Areal in Stuttgart: die Maritim-Alm. Foto: Ferdinando Iannone
Michael Ciesléwicz hatte schon vor neun Jahren den richtigen Riecher: Der frühere Direktor vom Stuttgarter Maritim Hotel brachte die Idee aus dem Urlaub mit. Weil Firmen „vor allem im Herbst und kalten Winter gemütliche Räume für Weihnachtsfeiern oder besondere Events“ suchen, wurde die Hütte mit bis zu 100 Plätzen neben der Reithalle installiert. Fleischkäse, Currywurst und Käseknöpfle stehen auf der Speisekarte. „Es scheint einen Nerv zu treffen“ sagt Direktionsassistent Matthias Maier, „es kommt sehr gut an.“ Vor zwei Jahren ist der Beginn der Hüttensaison beim Maritim auf den Start des Volksfestes vorverlegt worden, im Januar ist Schluss.
Für den Vater hat Dominique-Maurice Niedrist eine Schweizer Hütte aufstellen lassen. Foto: Ferdinando Iannone Kochenbas mit „gemütlicher Skihütten-Atmosphäre“
Ein Stück Heimat holte sich Marcel Niedrist mit seiner Schweizer Hütte nach Stuttgart. Sein Sohn hatte dem Eidgenossen nämlich verboten, im Restaurant Kochenbas irgendetwas anderes als schwäbische Spezialitäten zu servieren. Und weil die Terrasse im Winter sowieso „nutzlos herumsteht“, organisierte sich die Familie vor drei Jahren den Extraplatz „mit gemütlicher Skihütten-Atmosphäre“, wie Dominique-Maurice Niedrist es nennt. Käse- und Fleischfondue bekommen die Gäste nun zusätzlich in dem Traditionslokal in der Immenhofer Straße von November bis März. „Es wird sehr gut angenommen“, berichtet der junge Wirt, „ständig muss ich Gästen absagen.“
Bei Reinhard Lieb gingen 400 Anfragen von Firmen ein – dabei konnte er seine Winterhütte gar nicht aufstellen. Drei Jahre lang stand sie auf dem Karlsplatz, für 2025 bekam seine Eventagentur keine Genehmigung mehr. Nun sucht er nach einem neuen Platz in der Innenstadt fürs kommende Jahr und überbrückt die Zeit mit einem Weihnachtsdorf am Höhenpark Killesberg. Dort hatte er 2018 seine erste Hütte in Stuttgart platziert, mittlerweile sind 13 von ihm bei verschiedenen Gastronomen im Einsatz. In Kitzbühel kam er auf das Konzept, mit dem er sich dann selbstständig machte. „In einer Hütte erlebt man innerhalb kürzester Zeit eine heimelige Stimmung“, erklärt er den Erfolg, „der Charme und das Ambiente holen die Menschen sofort aus ihrem stressigen Alltag heraus.“ Reinhard Lieb ist sich sicher, dass es noch mehr werden.
Alexander Schubert und Xenia Kühner freuen sich auf Gäste für ihre Gablenberger Wintergaudi im Zelt. Foto: Lichtgut / Stefanie Bacher „Gablenberger Wintergaudi“ feiert Premiere
Im Osten der Stadt steckt Alexander Schubert noch in den Kinderschuhen. Der neue Wirt vom Cuisin’le im Theater La Lune feierte am 28. November mit seiner „Gablenberger Wintergaudi“ Premiere. Sein schnuckeliges Zelt mit zwei Dutzend Plätzen schmückte er mit Lichterketten, Tannenbäumchen und Zweigen.
Glühwein schenkt der Wirt aus, Bratwurst vom Gablenberger Metzger, Schupfnudeln mit Sauerkraut serviert er zum Auftakt. Stockbrote und Rote können sich die Besucher grillen. Rehgulasch aus der Feuerschale, Langosch und Kaiserschmarrn stehen auf seiner Liste. „Wir haben jede Menge Ideen“, sagt Alexander Schubert. Die Hauptidee ist, Laufkundschaft abzufangen, Gäste zum Bleiben zu bewegen, wenn in seinem Lokal gerade Theater gespielt wird. Einen Wintermarkt für die Nachbarschaft will er bieten – „so richtig schön gemütlich“.