Selbstverständlich sei das Spiel zwischen Bayer Leverkusen und dem 1. FC Köln ein richtiges „Derby“, sagte am Freitag der Bayer-Trainer Kasper Hjulmand. Der zugereiste Däne wusste vermutlich nicht, dass er sich mit dieser wohlmeinenden Festlegung auf ein politisches Feld verirrt hatte. Den Begriff Derby haben die orthodoxen Anhänger des FC nämlich für die Begegnungen mit Borussia Mönchengladbach reserviert, die Partie gegen den rechtsrheinischen Industrieklub nennen sie geringschätzig Nachbarschaftsduell – ihre Art, die seit Jahrzehnten bestehende sportliche Vorherrschaft der Leverkusener zu leugnen.

Die Polizei allerdings schätzte den Tatbestand anders ein, sie wertete das Treffen als besonders brisant und ging bei den Kontrollen der Gästefans offenbar so gründlich vor, dass es den Betroffenen übergriffig vorkam. Das Wort „Nacktkontrollen“ machte die Runde, das mochten die beteiligten Klubs nach ersten Recherchen nicht bestätigen, doch Teile der aktiven Kölner Anhängerschaft – 500, 600 Fans – traten schon vor dem Anpfiff aus Protest die Heimreise an.

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Hitzig war sie trotzdem, die Atmosphäre in der Bayarena. Man konnte beinahe von Derby-Stimmung reden. Und so haben das am Ende auch die Fans von Bayer 04 empfunden. „Derbysieger, Derbysieger, hey“, riefen sie im Chor, als das Spiel vorbei war und ihre Mannschaft 2:0 gewonnen hatte. Die Kölner Anhänger, die wenigen, die noch geblieben waren, schwiegen bedrückt. Ihr Team hatte, nachdem es bis zur Pause einigermaßen mithalten konnte, in der zweiten Hälfte von der spielerisch überlegenen und mit Tempo-Vorteilen ausgestatteten Bayer-Elf eine Lektion erteilt bekommen.

Das Resultat fiel noch gnädig aus, doch zumindest dürfen die Kölner behaupten, dass es eines Traumtores bedurfte, um sie zu besiegen. Der eingewechselte Martin Terrier erzielte es, indem er mit einer Art Eseltritt den Ball in der 66. Minute ins Netz beförderte. Ein definitiv aufsehenerregender Treffer, eines Derbys absolut würdig. „Der Sieg war Pflicht“, sagte Sportchef Simon Rolfes bei Sky. „Wenn du zwei Bundesligaspiele in Folge verlierst, musst du das nächste gewinnen, nicht nur wegen des Derbys, sondern auch wegen der Tabellenkonstellation.“ Leverkusen ist damit zurückgesprungen auf einen Champions-League-Platz.

Im zweiten Durchgang wiederholt sich das Bild der ersten Spielminuten

Auf der Liste der Mitwirkenden fehlte vor dem Anpfiff der Name eines Spielers, der in der laufenden Saison ein ständiger Hauptdarsteller in Kasper Hjulmands Aufgebot ist, sozusagen der Leonardo di Caprio von Leverkusen. Doch dieses Spiel wäre eines zu viel gewesen für den zuletzt offenbar überbeanspruchten Alejandro Grimaldo, befand die medizinische Abteilung. Das Fehlen des Kapitäns, der bei Bayer mehrere Hauptrollen auf einmal versieht und deswegen schon im Ruf steht, das Team in ein Abhängigkeitsverhältnis verstrickt zu haben, machte sich zunächst jedoch kaum bemerkbar. Ibrahim Maza, ebefalls seit Wochen in ansteigender Hochform, ersetzte Grimaldo als kreativer Protagonist.

Bayer ließ die offensiv formierten Kölner in der ersten Viertelstunde selten bis zur Mittellinie vordringen. Lukas Kwasniok hatte außer dem gefeierten Linksaußen Saïd El Mala auch Marius Bülter und Gian-Luca Waldschmidt aufgestellt und damit den Anspruch auf offensive, selbstbewusste Teilnahme erhoben. Doch der FC war nahezu ausschließlich mit der Verteidigung beschäftigt. Marvin Schwäbe stand nach neun Minuten das erste Mal im Mittelpunkt, als Christian Kofane allein auf ihn zumarschierte – der Torwart verdeckte die Schussbahn und parierte den Schuss des Mittelstürmers, der den verletzten Patrik Schick ersetzte.

Sechs Minuten nach dem 1:0 folgt das 2:0, Robert Andrich trifft per Kopf nach Eckstoß.Sechs Minuten nach dem 1:0 folgt das 2:0, Robert Andrich trifft per Kopf nach Eckstoß. (Foto: Martin Meissner/AP)

So wirkungsvoll allerdings der wendige Maza und der spanische Steuermann Aleix García die Bälle nach vorn trugen: Die Mitspieler konnten das hohe Niveau der beiden nicht immer erwidern. Jonas Hofmann, Malik Tillman, Arthur und Ernest Poku unterliefen immer wieder technische Fehler, die der Kölner Defensive die Arbeit erleichterten und ihr allmählich auch den Druck nahmen. Und nach zwanzig Minuten meldete dann auch der FC den ersten gelungenen Vorstoß: El Malas Flanke verpasste Waldschmidt sehr knapp.

Die Zuschauer sahen nun öfter, wie in der Partie die Richtung wechselte. Hier forderte Waldschmidt den Bayer-Keeper Mark Flekken heraus, dort setzte Robert Andrich freistehend einen Kopfball vorbei. Wie schon am Mittwoch beim 2:2 gegen Newcastle stand Andrich als Abwehrchef im Deckungszentrum und scheint damit vorerst eine neue Aufgabe gefunden zu haben. Er war der zentrale Rückhalt der Defensive.

Torlos ging es in die Pause, die Kölner konnten nach dem schwierigen Start mit sich zufrieden sein. Doch im zweiten Durchgang wiederholte sich das Bild der ersten Spielminuten: Bayer dominierte mit schnellen Ballwechseln, und jetzt häuften sich auch die Gelegenheiten. Tilmann steuerte im Solo auf Schwäbe zu – und schoss den Ball kläglich in den Fanblock. Maza zwang Schwäbe zur Blitzreaktion, auch Kofane kam der Führung nahe. Das 0:0 stand, aber das Unheil für den FC kündigte sich quasi minütlich an. Schließlich bedurfte es eines Kunststücks des Franzosen Terrier, um Schwäbe zu überwinden (66.). „Das macht er natürlich weltklasse“, sagte FC-Verteidiger Eric Martel. „Ich weiß nicht, ob er das so gewollt hat. Er wollte nur den Fuß reinhalten, der Ball fällt dann perfekt rein, das ist nicht zu verteidigen.“

Andrichs 2:0 per Kopf nach Eckstoß folgte bloß sechs Minuten später, und Kwasniok zog die Konsequenz und rüstete die Abteilung Angriff ab. El Mala ging, weitgehend abgemeldet, der Verteidiger Özcacar kam. Und der FC fügte sich in die Niederlage.