Halle. Seit genau zwei Jahren kämpft ein Haller Mutter-und-Sohn-Gespann einen Kampf, der die beiden an seine Grenzen bringt: Der 41-jährige André Herbold ist am Ende seiner Kräfte. Obwohl der unheilbar kranke Mann seine körperlichen und emotionalen Ressourcen dringend schonen müsste, zermürben ihn die Auseinandersetzungen mit der Rentenversicherung (wir berichteten).

Mutter und Sohn hofften zunächst, mit einem offiziellen Widerspruch weiterzukommen. Doch obwohl André Herbold sich aufgrund seiner schweren Lungenerkrankung schon durch kleinste Aufgaben ständig extrem erschöpft fühlt, kam die Rentenversicherung erneut zu dem Schluss, dass dem Haller keine Frührente zusteht.

Die COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung) und sein Lungenemphysem, eine irreversible Überblähung der Lungenbläschen, seien kein Grund, eine Frührente zu bewilligen. Dabei ist der 41-Jährige besonders schwer betroffen, wie er selbst schildert. Bilder seiner Lunge zeigen die „schwarzen Flecken“, beschreibt er. Bei vielen Patienten seien nur Teile der Lunge betroffen, seine sei komplett geschädigt.

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Mutter und Sohn macht das Gutachten sprachlos. „Darin steht, dass mein Vater mit 86 gestorben ist“, berichtet André Herbold. „Mein Mann war aber 29 Jahre alt, als er gestorben ist“, klärt seine Mutter auf. In dem Gutachten finden die beide viele solcher Ungereimtheiten. „Ist da etwas durcheinandergeraten?“, vermuten die beiden.

Mutter und Sohn rätseln über die Ansichten der Rentenkasse


André Herbold (41) leidet an COPD. Seine Mutter Petra Kossowski unterstützt ihn im Alltag. - © Uwe Pollmeier

André Herbold (41) leidet an COPD. Seine Mutter Petra Kossowski unterstützt ihn im Alltag.
| © Uwe Pollmeier

Nach der erneuten Prüfung des Falls wird aufgelistet, was für den Haller zumutbar sein soll: „Nach Auswertung der medizinischen Unterlagen sind Sie mit der Ihnen verbliebenen Leistungsfähigkeit noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeit in wechselnder Körperhaltung in Tagesschicht, ohne Nachtschicht, ohne Wechselschicht, ohne Akkord und taktgebundene Arbeit, ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Bücken, Hocken und Knien, ohne Rumpfzwangshaltungen, ohne Überkopfarbeiten, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, ohne Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne Zwangshaltungen, ohne Kälte, Nässe, Hitze, Zugluft, ohne extrem schwankende Temperaturen sowie ohne besondere inhalative Belastungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Mit diesem Leistungsvermögen sind Sie weder teilweise oder voll erwerbsgemindert.“

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Die beiden Haller sind fassungslos über dieses Schreiben und rätseln, welchen Job es unter diesen Bedingungen für den gelernten Tischler geben soll. Abgesehen davon, dass der 41-Jährige schon eine Pause braucht, wenn er kurz duschen geht oder andere Alltagsaufgaben verrichtet. Vor sechs Jahren begann sein Leidensweg. Inzwischen ist er bei sämtlichen Alltagsaufgaben auf die Unterstützung durch seine Mutter angewiesen. Dabei würde André Herbold eigentlich lieber seine Mutter im Rentenalter entlasten.

Die beiden Haller haben nun rechtliche Schritte eingeleitet: „Ich weiß mir nicht mehr anders zu helfen“, sagt Petra Kossowski. Eine Anwältin soll ihnen helfen, gegen die Entscheidung zu klagen.

Kreis Gütersloh erkennt das Leiden der Hallers an

Einige Hoffnungsschimmer gibt es jedoch trotzdem: Er hat eine neue Wohnung gefunden. Sie ist barrierefrei und kann gut belüftet werden. Die vorherige Wohnung war für den lungenkranken Mann nicht mehr geeignet. Der Umzug ist ein Meilenstein, aber natürlich auch eine große Belastung. „Allein ein kurzer Besuch im Möbelhaus ist schon zu anstrengend. Er hat ständig derbe Schmerzen im Rücken. Man merkt richtig, dass inzwischen seine ganze Muskulatur erschlafft ist.“Lesen Sie auch: Haller bricht auf dem Fußballplatz plötzlich zusammen

Und: Das Versorgungsamt des Kreises Gütersloh hat seine Einschränkungen anerkannt: Er hat Pflegegrad 3 und einen Behinderungsgrad vom 80 bekommen. Und obwohl André Herbold selbst sagt, dass er sich über fast nichts mehr freuen kann – über diese Bewilligung, die auch zeigt, wie ernst sein Leiden genommen wird, hat er sich gefreut.

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