Beide Teams kassierten in der Bundesliga zuletzt Derby-Niederlagen. Vor dem Duell gegen den VfB Stuttgart (Sonntag, 19.30 Uhr/Weserstadion) schätzt Werder Bremens Trainer Horst Steffen die aktuelle Lage ein.

Herr Steffen, gibt es denn aus Ihren Kickers-Zeiten noch Kontakte nach Stuttgart?

Ja, immer wieder mal mit Busfahrer Willi Mast, Zeugwart Dieter Kerschbaum, Elke Kaiser aus dem Präsidium oder auch Enzo Marchese.

Der schon vor über zehn Jahren in einem Interview mit unserer Redaktion prophezeite: Horst Steffen wird Bundesligatrainer.

(lacht) Er ist ein sehr weiser Kapitän gewesen.

Der damalige Sportdirektor Michael Zeyer hatte Sie 2013 von der Mönchengladbacher U 19 geholt, aber auch im November 2015 entlassen. Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit ihm?

Als ich nach der Trennung runtergefahren bin in sein Restaurant Fünf und ich dachte, lass uns noch mal reden. Das war es dann aber auch.

Wie wichtig war die Station Kickers für Ihren weiteren Weg?

Natürlich war das ganz wichtig. Die Kickers waren meine erste Station im Herren-Profifußball und die verlief erfolgreicher als erwartet. Es hatte keiner damit gerechnet, dass wir im zweiten Jahr oben angreifen und plötzlich Chancen auf den Zweitligaaufstieg haben. Aber die anderen Stationen waren ebenfalls wichtig – obwohl sie nicht alle so erfolgreich verliefen. Meine Erfahrungen konnte ich auch bei Preußen Münster und beim Chemnitzer FC machen und daraus lernen.

Danach folgten sieben Jahre bei der SV Elversberg.

SVE-Sportvorstand Nils-Ole Book, mein ehemaliger Spieler bei der U 23 des MSV Duisburg, holte mich ins Saarland. Der Verein wollte diese Art von Fußball, wie wir ihn mit wenig Mitteln bei den Kickers spielten, sie wollten diese Art von Trainertypen. Das hat dann auch gepasst, es war eine sehr fruchtbare und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit kurzen Entscheidungswegen.

Horst Steffen (re.) im Gespräch mit Jürgen Klopp beim DFB-Pokalspiel SVK – BVB (1:4) am 16. August 2014 in Stuttgart. Foto: imago/Sportfoto Rudel

Mit der SVE scheiterten Sie in der Relegation zur Bundesliga im vergangenen Sommer am 1. FC Heidenheim. Wussten Sie da schon, dass Sie zu Werder Bremen wechseln?

Der Aufstieg mit Elversberg war mein größter Wunsch und er wäre nicht unverdient gewesen.

Jetzt sind Sie dennoch erstmals in der Bundesliga angekommen – als mit 56 Jahren ältester und gleichzeitig unerfahrenster Trainer. Was hat Sie bisher am meisten überrascht?

Dass ein paar Dinge anders sind als in der zweiten Liga, hat mich nicht überrascht. Dass die Zweikämpfe mit mehr Qualität geführt werden, dass das Spieltempo höher ist, dass die Genauigkeit höher ist, dass das Medieninteresse höher ist – all das wusste ich vorher schon.

Wissen Sie denn auch, wer den Satz gesagt hat: „Horst Steffen strahlt Dankbarkeit aus für sein Leben und das jeden Tag aufs Neue.“

Nein, das weiß ich nicht. Wer hat das gesagt?

Nick Woltemade, den Sie 2022/23 als Werder-Leihgabe bei der SVE trainierten.

Nick hat sehr wertgeschätzt, wie ich mit ihm und der Mannschaft in Elversberg umgegangen bin. Solche Sätze zu hören, tut natürlich gut.

War seine Entwicklung absehbar?

Dass er Bundesligaspieler wird, war völlig klar. Dass er ein Weltklassespieler wird, konnte ich auch nicht abschätzen. Ich glaube schon, dass die Station Elversberg für ihn so befreiend war, dass er wieder Selbstvertrauen tanken konnte. Es war klar, dass ihm mit seinem Talent vieles offen stand. Zudem ist er ein harter Arbeiter, der sich diese Bodenständigkeit bewahrt hat. Wenn ich Interviews von ihm höre, denke ich mir: Okay, Nick ist der Alte geblieben.

Was dachten Sie, als Sie von der 90-Millionen-Euro-Ablösesumme von Newcastle an den VfB hörten?

Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Das ist der Fußballmarkt, in dem diese Summen zwar bezahlt werden, aber kein Spieler hat das Gefühl, dass er 90 Millionen Euro Wert ist. Nick jedenfalls ist fern davon, das so zu sehen.

Horst Steffen tröstet seine Spieler nach dem verpassten Bundesliga-Aufstieg mit der SV Elversberg in der Relegation gegen den 1. FC Heidenheim. Foto: IMAGO/Ulrich Hufnagel

Werder-Geschäftsführer Klaus Filbry hat sich schwer geärgert über seinen ablösefreien Transfer 2024 von Werder zum VfB.

Ich kenne die Aussage nicht, das ist weit vor meiner Zeit in Bremen passiert, und daher möchte ich das gar nicht kommentieren.

Kommen wir zum Spiel am Sonntag. Beide Teams kassierten zuletzt Niederlagen in der Bundesliga. Was ist schlimmer: Eine Niederlage im Südgipfel oder im Nordderby?

Ich weiß nicht, wie man sich als Stuttgarter nach einem 0:5 gegen den FC Bayern fühlt, ich fand unser 2:3 beim HSV echt sehr ärgerlich und es hat mich genervt, denn da war für uns mehr drin.

Es hieß Gier, Kontrolle, Cleverness hätten bei Werder gefehlt.

Es ist immer leicht gesagt, wenn ein Derby nach einer Führung kippt, dass der andere mehr wollte. Wir haben Fehler gemacht, aber ich bin nicht der Meinung, dass man es auf die genannten Attribute reduzieren darf.

In der Tabelle ist alles eng beieinander. Mit einem Sieg wären Sie drei Punkte am VfB dran. Wie wichtig wird dieses Duell?

Jedes Spiel ist wichtig. Jedes Training, jeder Tag Arbeit ist wichtig. Deshalb wird auch das Spiel gegen den VfB wichtig sein. Mehr aber auch nicht.

Wie nehmen Sie den VfB und Trainer Sebastian Hoeneß wahr?

Ich sehe Sebastian sehr anständig unterwegs, er leistet super Arbeit. Seine Aussagen kann ich stets nachvollziehen und ich habe eine große Wertschätzung für das, was er dort leistet. Er lässt einen Fußball spielen, der mir gefällt, und er schafft es immer wieder, neue Dinge in sein Team zu bringen. Ich nehme wahr, dass er sich neugierig zeigt und sich weiterentwickelt.

Was Sie auch wahrnehmen, ist die zunehmende Zeitschinderei.

Ich kann das nicht haben, wenn sich die Jungs am Boden wälzen oder Krämpfe bekommen, wenn sie gerade mal 20 Minuten gespielt haben. Manchmal ist es schon auch unglücklich, wenn plötzlich am Spielfeldrand die Bälle fehlen. Eine Nettospielzeit von 60 Minuten wäre da gerechter. Außerdem halte ich nichts von der Regel, dass sich nur sechs Ersatzspieler warm laufen dürfen und nicht alle acht.

Sie sind auf der ganz großen Bühne angekommen. Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal einen Drittligisten zu trainieren?

Ich kann mir alles vorstellen. Wir wissen nicht, wo das Leben uns hinführt. Aber jetzt genieße ich es erst mal, Trainer bei einem tollen Bundesligisten zu sein.

 

Zur Person

Karriere
Horst Steffen wurde am 3. März 1969 in Meerbusch am Niederrhein geboren. Nach der Jugend bei Bayer 05 Uerdingen spielte er bei den Krefeldern auch bei den Aktiven, danach für Borussia Mönchengladbach, wieder in Uerdingen und beim MSV Duisburg. Trainerstationen: SC Kapellen-Erft, MSV Duisburg II, MSV Duisburg U 19, Borussia Mönchengladbach U 19, Stuttgarter Kickers (2013 bis 2015), Preußen Münster (2015 bis 2016), Chemnitzer FC (2017 bis 2018), SV Elversberg (2018 bis 2025), Werder Bremen (seit Sommer 2025).

Persönliches
Steffen ist verheiratet. Er hat vier Kinder und vier Enkelkinder, das fünfte ist unterwegs. Hauptwohnsitz der Familie ist in Kaarst-Büttgen. (jüf)