Der demografische Wandel stellt das deutsche Rentensystem vor ernstzunehmende Herausforderungen. Immer weniger Erwerbstätige müssen für eine wachsende Zahl von Renten-Beziehenden aufkommen. Mit dem Renteneintritt der Babyboomer-Generation verschärft sich die angespannte Lage zusätzlich. Zwar sind auch andere Länder vom Alterungsprozess ihrer Bevölkerung betroffen, doch eine aktuelle Auswertung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt, dass die Qualität der Altersvorsorge stark variiert. Warum deutsche Rentnerinnen und Rentner im internationalen Vergleich deutlich weniger Einkommen erhalten und welche Ansätze es für eine langfristig stabile Finanzierung gibt, erfahren Sie hier.
Demografischer Wandel: Wie ist die Prognose?
In ihrem aktuellen Bericht „Pensions at a Glance“ („Renten auf einen Blick“) hat die OECD einen Überblick über die gesetzlich verankerten Rentenmaßnahmen veröffentlicht, die die Mitgliedsländer zwischen September 2023 und September 2025 beschlossen haben. Neben einer ausführlichen Analyse der verschiedenen Rentensysteme erstellte die Organisation auch Prognosen – etwa zur Alterungsentwicklung der Bevölkerung oder zum künftigen Ruhestandseinkommen der heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Die Daten verdeutlichen unter anderem, dass die Alterung der Bevölkerung auch in den nächsten 25 Jahren rasch voranschreiten wird. In vielen Ländern werden die Geburtenraten weiter sinken und die Rentensysteme damit zunehmend unter Druck setzen. Während im Jahr 2000 durchschnittlich 22 von 100 Menschen im Rentenalter waren, sind es 2025 bereits 33. Laut Prognosen der OECD wird sich dieser Trend weiter zuspitzen: Bis 2050 werden demnach durchschnittlich 52 von 100 Personen älter als 65 Jahre sein. Ein direkter Vergleich der Mitgliedsländer zeigt, dass unterschiedliche Strategien entwickelt wurden, um den gesellschaftlichen Alterungsprozess zu bewältigen. Die Qualität der jeweiligen Rentensysteme unterscheidet sich dabei jedoch erheblich.
Wie steht das deutsche Rentensystem im internationalen Vergleich da?
Aus dem Bericht der OECD geht hervor, dass die Ausgangslage der Rentensysteme in den verschiedenen Ländern stark variiert. Deutschland liegt demnach lediglich im Mittelfeld – und damit hinter mehreren seiner europäischen Nachbarn. Eine entscheidende Rolle spielt hierbei die sogenannte Nettoersatzrate. Sie beschreibt den Prozentsatz des letzten Nettogehalts, den Rentnerinnen und Rentner im Ruhestand erhalten. Wer 2024 eine vollständige Erwerbsbiografie ab dem 22. Lebensjahr vorweisen konnte, kommt im Durchschnitt auf 63 Prozent des früheren Einkommens. Während die Nettoersatzrate in Ländern wie beispielsweise Frankreich oder Italien bei 70 oder knapp 80 Prozent liegt, beträgt sie in Deutschland gerade einmal 53 Prozent. Damit liegt die Bundesrepublik deutlich unter dem Durchschnitt.
Gegenüber dem WDR5-Wirtschaftsmagazin erklärte Monika Queisser, Rentenexpertin und Leiterin für Sozialpolitik bei der OECD in Paris, diese Differenz mit höheren Steuergeldern, die andere Länder in die gesetzliche Rente investieren: „Viele Länder – Österreich zum Beispiel, aber auch Spanien, Frankreich und Griechenland – geben durchaus mehr für die Rente aus.“
Ein weiterer Faktor seien höhere Beitragssätze. In Frankreich liegen diese nach Angaben der OECD bei rund 30 Prozent, in Italien sogar bei 33 Prozent des Bruttolohns. Zudem sind die Arbeitgeberanteile in vielen südeuropäischen Ländern deutlich höher als in Deutschland. Auch wenn sich Arbeitgeber in Deutschland laut der Tagesschau über die hohen Lohnnebenkosten am Standort beklagen, stehen sie im internationalen Vergleich günstig da. Denn der aktuelle Rentenbeitrag von 18,6 Prozent wird in Deutschland gleichmäßig zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden aufgeteilt.
Finanzierung eines stabilen Rentensystems: Welche Lösungsansätze gibt es?
Besonders problematisch gestalte sich in Deutschland die Versorgung jener Rentnerinnen und Rentner, die während ihres Berufslebens nur ein geringes Einkommen erzielt haben. Auch Rentenexpertin Queisser kritisierte diese Situation im Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin: „In Deutschland bekommen sie viel weniger als in den meisten anderen OECD-Ländern“. Das erhöhe das Risiko von Altersarmut. Menschen, deren Rente hierzulande nicht zum Leben reicht, müssen demnach die Grundsicherung beantragen. In Dänemark wird dieses Problem hingegen durch eine steuerfinanzierte Grundrente abgefedert. In Neuseeland wiederum findet dank einer Basisrente eine gezielte Umverteilung von Gut- zu Geringverdienern statt.
Von zentraler Bedeutung für die Finanzierung der Rentensysteme ist laut OECD auch das Renteneintrittsalter. Mit etwas über 64 Jahren liegt Deutschland hier etwa im Durchschnitt. Bis 2030 soll das Eintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre steigen. In Ländern wie den USA oder Japan müssen Menschen bereits heute so lange arbeiten. Ein Ansatz, der aus Sicht der Organisation durchaus gerechtfertigt ist. So schlägt die OECD vor, das Eintrittsalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. Nach Angaben von Queisser wird diese Regelung schon jetzt in neun Mitgliedsländern angewendet.
Eine weitere Empfehlung von Queisser lautet, das deutsche Betriebsrentensystem weiter auszubauen. „Wenn viele Leute zusammen in einem System sind und nicht einzeln sich mit den Finanzdienstleistern auseinandersetzen und verhandeln müssen, ist das günstiger und unkomplizierter“, erklärte die Rentenexpertin im Interview. Bereits jetzt würde die Hälfte der Bevölkerung einen Teil der Rente durch Pensionsfonds der Arbeitgeber erhalten.
-
Christina Bischof
Icon Haken im Kreis gesetzt
Icon Plus im Kreis
-
Rente
Icon Haken im Kreis gesetzt
Icon Plus im Kreis
-
OECD
Icon Haken im Kreis gesetzt
Icon Plus im Kreis