Ein neuer Slogan überschwemmt die sozialen Medien in Frankreich: „Je suis une sale conne“, „Ich bin eine dreckige Vollidiotin“. In weißen Lettern auf schwarzem Hintergrund geschrieben, knüpft er an das Solidaritäts-Schlagwort „Ich bin Charlie“ an, das nach dem brutalen Terroranschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 millionenfach geteilt wurde.

Die Empörung tausender Frauen ebbt nicht ab, seit Brigitte Macron feministische Aktivistinnen als „sales connes“, in etwa übersetzbar mit „dreckige Vollidiotinnen“, bezeichnet hat. Der Aufschrei ist berechtigt, nicht nur aufgrund der vulgären Wortwahl.

Ausgerechnet die französische First Lady, die sonst öffentlichkeitswirksam den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen unterstützt, würdigte in einem Gespräch mit dem Humoristen Ary Abittan Feministinnen herab. Zwar rechnete Macron nicht damit, dass ihr ätzender Kommentar veröffentlicht würde. Doch dass dieser in einem „privaten Rahmen“ fiel, macht ihn umso entlarvender.

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Feministinnen haben Recht auf Protest

In dem gefilmten Austausch mit Abittan ging es um die Frauen, die dessen Show gestört hatten, um auf den Vergewaltigungsvorwurf seiner Ex-Freundin aufmerksam zu machen. Ein Gericht hatte das Verfahren nach jahrelangen Untersuchungen eingestellt – wie bei der überwältigenden Mehrheit aller Klagen wegen Vergewaltigung, aufgrund mangelnder Beweise.

Aufgrund mangelnder Beweise von Vergewaltigungsvorwürfen freigesprochen: Der französische Schauspieler und Komiker Ary Abittan.
Archivfoto: IMAGO/Panoramic by PsnewZ

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Es ist Abittans Recht, weiter auf der Bühne zu stehen, und es ist das Recht von Feministinnen, dagegen zu protestieren, weil Vergewaltigungsopfern viel zu oft nicht geglaubt wird. Die #metoo-Bewegung, die in Frankreich ein starkes Echo findet, kämpft noch immer dafür, dass sich das endlich ändert.

Brigitte Macrons Bild bekommt Risse

Vor genau einem Jahr erschütterte der Prozess um Gisèle Pelicot das Land. Ihr früherer Ehemann hatte sie jahrelang mit Medikamenten betäubt, um sie gemeinsam mit dutzenden Fremden zu vergewaltigen. Die meisten Täter, die ausnahmslos schuldig gesprochen wurden, wiesen jede Verantwortung von sich. So deckte der Prozess auch ein gesamtgesellschaftliches Problem auf: Erschütternd viele Männer glaubten, das Einverständnis des Ehemanns reiche aus, um sich ungestraft an einer Frau zu vergehen. „Die Scham muss die Seite wechseln“, hielt Gisèle Pelicot dagegen.

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Brigitte Macron unterstützte sie demonstrativ, doch ihre jüngsten Kommentare untergraben ihre Glaubwürdigkeit. Sie trüben ihr Image weiter ein, nachdem schon die Ohrfeige, die sie ihrem Mann im Mai in einem Flugzeug gab, Fragen aufwarf. Bislang war es eher Emmanuel Macron, der mit unbedacht hingeworfenen Aussagen irritierte – wie jener, in einem Bahnhof treffe man auf Menschen, „die nichts sind“. Seine Frau trat demgegenüber ausgleichend und respektvoll auf. Dieses Bild bekommt nun Risse.

Brigitte Macron hat in ihrer Rolle als Première Dame, als „erste Dame“ Frankreichs, eine Vorbildfunktion. Eine Entschuldigung drängt sich auf. Bislang ließ sie sie vermissen.