Fröhliche Weihnacht überall? An den Weihnachtstagen geben sich viele Familien besondere Mühe, Frieden und Eintracht zu leben – und geraten genau deswegen in Stress und Streit. Der Wunsch nach Harmonie erhöht den Druck, Erwartungen prallen aufeinander, die Belastungen des Jahresendes tun ihr Übriges. Beratungseinrichtungen in Augsburg bestätigen: Die Wochen vor Weihnachten sind für viele die konfliktträchtigste Zeit des Jahres. Doch es gibt Wege, die Feiertage entspannter zu gestalten.
Die KJF Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung Augsburg beobachtet seit Jahren, dass sich in der Weihnachtszeit vermehrt Konflikte zuspitzen. „Tendenziell ja“, sagt die Psychologin Sabine Silaschi-Fuchs. Zwar gebe es auch andere Krisenzeiten, doch an Weihnachten bündelten sich typische Belastungen. Familien, die bereits Spannungen erleben oder Trennung und Scheidung bewältigen müssen, seien besonders gefährdet. In manchen Fällen eskaliere der Streit – bis hin zu verbaler oder körperlicher Gewalt. Entscheidend sei, wie belastbar ein Familiensystem grundsätzlich ist.
Ein häufiger Grund für Konflikte sind überhöhte Erwartungen. Weihnachten ist kulturell stark emotional aufgeladen: Es soll friedlich, schön und stimmungsvoll sein. Enttäuschungen – über den Ablauf des Tages, Besuchsregeln oder Geschenke – treffen deshalb umso härter. Hinzu kommen unterschiedliche Vorstellungen innerhalb der Familie, etwa bei Treffen mit Verwandten. Der Dezember sei zudem in vielen Haushalten ein besonders stressiger Monat, die Energien seien oft aufgebraucht. „Man ist anfälliger, wenn zur Erschöpfung noch etwas kommt, das schwierig läuft“, so Silaschi-Fuchs.
Hohe Erwartungen und Stress lassen Konflikte aufflammen
Diese Einschätzung teilt der Krisendienst Schwaben. „Die ‚stade Zeit‘ ist für viele alles andere als still“, sagen die Leiterinnen der telefonischen Leitstelle, Dr. Lena Grüber und Victoria Kramer. Hohe Erwartungen, Stress und der Wunsch nach einem perfekten Fest ließen Konflikte leichter aufflammen. Viele Menschen, die sich melden, leiden unter Einsamkeit oder machen sich Sorgen um depressive Angehörige. Der Krisendienst ist rund um die Uhr erreichbar – auch an den Feiertagen.
Auch pro familia berichtet von steigenden Belastungen in der Vorweihnachtszeit. Beruflicher Jahresendstress, Termine in Schule und Kita, Geschenke, Organisation – all das erhöhe den Druck. Besonders Frauen spürten häufig hohe Erwartungen an Perfektion. In Familien mit kleinen Kindern oder nach Trennungen könnten unterschiedliche Vorstellungen von „schönen Weihnachten“ schnell zu Spannungen führen. Gewalt entstehe zwar nicht durch Weihnachten selbst, könne sich aber durch Stress und Überforderung verstärken.
Das Bistum Augsburg sieht ebenfalls eine erhöhte Nachfrage nach Beratung vor den Feiertagen. Viele suchten noch vor Jahresende einen Termin, um Konflikte zu klären oder Trennungsentscheidungen vorzubereiten. „Weihnachten ist mit einem romantischen Bild von Heimeligkeit und Familienidylle verbunden, das oft überfordert“, sagt Maria Muther von den psychologischen Beratungsstellen. Gereiztheit, Jahresendstress und die dunkle Jahreszeit verstärkten die Belastungen zusätzlich.
Experten raten: Das Idealbild eines perfekten Festes loslassen
Doch wie lässt sich verhindern, dass aus Stress ein Familiendrama wird? Die Fachleute empfehlen übereinstimmend, Erwartungen frühzeitig zu besprechen und Kompromisse zu finden. Familien sollten realistisch planen, was möglich ist und was nicht, und konfliktträchtige Themen bewusst auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Hilfreich sei außerdem, Pausen einzuplanen, um Stress abzubauen, bevor man zusammenkommt. Wenn absehbar ist, dass einzelne Familienmitglieder in schwierigen Situationen ausfallen könnten, raten die Beratungsstellen dazu, einen Notfallplan bereitzuhalten. Und schließlich betonen alle: Das Idealbild eines perfekten Festes sollte man loslassen. Oft sei es besser, einfache Lösungen zu wählen, als ein krampfhaft harmonisches Weihnachten erzwingen zu wollen.
Die Polizei verzeichnet im Stadtgebiet Augsburg übrigens keinen Anstieg der Einsätze in der Weihnachtswoche – im Gegenteil: Streit-Einsätze gehen zwischen den Jahren sogar zurück. „Die Anzahl polizeilicher Einsätze mit dem Anlass „Streit“ ist in den ersten drei Dezemberwochen in etwas gleichbleibend – mit Beginn der Weihnachtszeit nehmen die Einsätze jedoch deutlich ab“, so die Polizei. Man spreche von einem Rückgang um zehn bis fünfzehn Prozent.
Die Botschaft aller Augsburger Beratungsstellen ist ähnlich: Streit an Weihnachten entsteht selten aus dem Nichts. Meist bricht auf, was schon vorher belastet. Wer rechtzeitig darüber spricht, Erwartungen dämpft und sich nicht überfordert, kann die Feiertage entspannter erleben. Weihnachten muss nicht perfekt sein – aber es kann friedlicher werden, wenn man den Druck aus dem Fest nimmt, sind sich die Experten einig.
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