Das Grüne Band Europa reicht vom Nordkap bis zum Schwarzen Meer beziehungsweise zur Adria. Wo der ehemalige Grenzstreifen zwischen Ost und West fast 40 Jahre lang vom Menschen kaum betreten werden durfte, hat sich heute ein Rückzugsraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten etabliert. Der Habitatverbund sichert dabei die Überlebensfähigkeit seltener Arten, denn er ermöglicht den genetischen Austausch zwischen Populationen – isolierte Lebensräumen zählen zu den stärksten Treibern des Artensterbens.

Fachleute beschreiben das Grüne Band auch als eine Art Perlenkette, bei der jede Perle einen als Lebensraum geeignete Insel darstellt. Besonders naturnahe „Wildnisgebiete“, in denen der Einfluss des Menschen minimal ist, sind dabei genauso wichtig wie Kulturland. Denn auf kleinstrukturierten, oft traditionell bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen ist die Artenvielfalt besonders hoch. In der Grenzregion, an der das Grüne Band verläuft, gibt es noch heute weniger Siedlungsdruck, Infrastruktur und Industrie als im weiteren Umkreis.

Der Verlauf des Grünen Bands vom Nordkap an der Barentsee bis zum Schwarzen Meer bzw. der Adria. Der österreichische Anteil des Grünen Bands beginnt in Oberösterreich und legt sich über Niederösterreich und Burgenland um den Osten des Landes, bis in die Steiermark und Kärnten

European Green Belt Initiative/Coordination Group

Der Verlauf des Grünen Bands vom Nordkap an der Barentsee bis zum Schwarzen Meer bzw. der Adria. Der österreichische Anteil des Grünen Bands beginnt in Oberösterreich und legt sich über Niederösterreich und Burgenland um den Osten des Landes, bis in die Steiermark und Kärnten

Rückkehr von Wildkatze, Bär und Luchs

Bedrohte Arten profitieren – im Süden Österreichs sind etwa die Karawanken zwischen Kärnten und Slowenien ein wichtiger Korridor für Braunbären. Im Osten sticht der Neusiedlersee als Rast- und Überwinterungsgebiet für Zugvögel hervor, darunter Weißstörche und ihre weniger häufigen Verwandten, die Schwarzstörche. Während vermehrte Sichtungen von Wildkatzen im Nationalpark Thayatal im nördlichen Niederösterreich die ersten Anzeichen für die Rückkehr der hierzulande ausgestorbenen Tiere sein könnten, beginnen sich in Oberösterreich Luchse der grenzüberschreitenden Böhmisch-Bayerischen Population auszubreiten.

Im österreichischen Teil des Grünen Bandes finden sich ganz unterschiedliche Habitate: Es umfasst Wälder und Auwälder, Moore und Streuobstwiesen, gebirgige Regionen und die besonders artenreichen Trockenrasen. EineStudie aus dem Jahr 2025 hat befunden, dass gerade Schutzmaßnahmen auf solch großer Skala wichtig sind im Kampf gegen das Artensterben.

Der Braunbär kann im Korridor des Grünen Bands sicher wandern

Hofrichter/Naturschutzbund

Der Braunbär kann im Korridor des Grünen Bands sicher wandern

Auch ökologisch leisten gut vernetzte naturnahe Lebensräume eine wertvolle Funktion. „Sie weisen etwa bei der Regulierung des Kleinklimas, bei der Bodenbildung oder dem Wasserrückhalt bessere Werte auf als fragmentierte Reste in übernutzten Agrar- oder Siedlungsgebieten“, sagt Thomas Wrbka, Ökologe und Präsident des Naturschutzbunds.

Ökotourismus für Wirtschaft der Region

Für die Natur ist die Initiative ein Erfolg, doch für die Wirtschaft bleibt sie eine Herausforderung. „Der Naturschutz tut sich schwer, in der nachhaltigen Regionalentwicklung eine anerkannte Rolle zu spielen“, sagt Alois Lang, Ansprechpartner für das Grüne Band Österreich und ehemaliger Koordinator der Weltnaturschutzunion (IUCN) für die europaweite Initiative.

Versuche, die ökonomische Entwicklung in den Grenzregionen voranzutreiben, gefährden oft die Biodiversität, so der Experte. „Wir reden beim Grünen Band fast ausschließlich von ländlichen Regionen – Grenzregionen, die ohnehin benachteiligt sind.“ Aufgrund ihrer Abgeschiedenheit steigt auch der Wert der Gebiete für den Naturschutz, je näher sie an der Grenze liegen.

Alter Grenzzaun entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs

Alexander Schneider

Alter Grenzzaun entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs

Geschützte Natur kann laut Lang einen signifikanten Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung liefern – wobei viele Akteurinnen und Akteure in der Umsetzung zu „fantasielos“ seien. „Ökotourismus ist nicht beschränkt darauf, Radwege zu bauen“, meint Lang, der lange im Tourismus gearbeitet hat. Vielmehr gehe es darum, lokale Wertschöpfungsketten zu etablieren und kleine Betriebe zu fördern. Deshalb sei nachhaltiger Ökotourismus so wichtig für diesen Gegenden.

Vorzeigebeispiele aus Balkanländern

Positive Beispiele gebe es aus den Balkanländern, etwa aus einem Projekt in den Südkarpaten. „In der Nähe von Temeswar in Westrumänien wurden mit heimischen Handwerkern Ferienhütten errichtet, eine Nachbarin aus dem Dorf übernimmt die Verpflegung mit lokalen Produkten.“ Lang sieht darin „astreinen Ökotourismus, selbst unter den schwierigsten ökonomischen Bedingungen“.

„Grenzen noch immer im Kopf“

Insgesamt nehmen 24 Länder an der Initiative teil und schützen ihren Abschnitt am Grünen Band. Die internationale Zusammenarbeit ist laut Lang aber ausbaufähig. „Die Grenzen sind immer noch im Kopf.“ Zwar funktioniere die Kooperation bezogen auf einzelne Projekte gut, sie sei aber nicht flächendeckend und langfristig genug. Wo das besser klappt, liege es meistens an persönlichen Beziehungen. Deshalb gilt es, diese im Rahmen des Netzwerks des Grünen Bandes stärker zu fördern, so der Tourismusexperte. „Das Netzwerk ist das Wertvollste an der Initiative“, sagt Lang.

An der Maltsch werden im Zuge der „Green Belt Camps“ Feuchtwiesen mit traditionellen Methoden gemäht

Josef Limberger

An der Maltsch werden im Zuge der „Green Belt Camps“ Feuchtwiesen mit traditionellen Methoden gemäht

Außerdem brauche es für eine bessere Sichtbarkeit der Initiative stärkeres Marketing. Das Grüne Band als Marke habe sich bereits etabliert, in der Öffentlichkeitsarbeit fehle es aber weithin an Organisationsstrukturen. „Die Bereitschaft, sich ‚hands on‘ für den Naturschutz zu engagieren, steigt. Aber die Möglichkeiten dazu steigen nicht gleichermaßen“, sagt Lang. Der Aufwand, solche Aktionen zu organisieren, würde oft unterschätzt und sei unter Zuständigen auch teils gefürchtet. „Wir könnten hier viel mehr Leute abholen“.

Naturschutz ist auch Öffentlichkeitsarbeit

Gut funktioniere das Näherbringen von Naturschutzarbeit etwa bei den „Green Belt Camps“, die der oberösterreichische Naturschutzbund seit 2006 jährlich mit einer Gruppe von Jugendlichen an der Maltsch veranstaltet. „Ich würde mir wünschen, dass sich wir solche Events künftig an vielen Abschnitten des Grünen Bands in den fünf betroffenen Bundesländern umsetzen können“, meint Lang.

Das sei vor dem politischen Hintergrund der Initiative besonders wertvoll. „Wir wollen das Grüne Band für die Generation, die den Fall des Eisernen Vorhang nicht mehr erlebt hat, sichtbar und erlebbar machen.“ Wo sich heute Natur ausbreiten kann, spannten sich einst Hochspannungszäune, Stacheldraht, Minenfelder und Panzersperren. „Je mehr Menschen aus der Generation der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen wegsterben, umso schwieriger ist es, zu erklären, was diese Grenze gemacht hat“, so Lang.

Zusammen mit Gemeinden stellt der Naturschutzbund Grenzmarken auf, um die historische und naturschutzfachliche Bedeutung des Grünen Bands zu unterstreichen – hier in Mörbisch im Burgenland

Naturschutzbund

Zusammen mit Gemeinden stellt der Naturschutzbund Grenzmarken auf, um die historische und naturschutzfachliche Bedeutung des Grünen Bands zu unterstreichen – hier in Mörbisch im Burgenland

Möglicherweise bald UNESCO Welterbe

Fachleute plädieren, das Grüne Band in das UNESCO Welterbe aufzunehmen, Deutschland hat seinen Abschnitt bereits nominiert. Dort gibt es seit Kurzem auch eine App, die Informationen zu Naturreservaten, regionalen Geschichten und Biographien von Menschen zusammenfasst, die an der Grenze gestorben sind.

Das Grüne Band umfasst in insgesamt 24 Ländern Schutzgebiete verschiedener Kategorien. In Österreich ist für das Management des Grünen Bandes der Naturschutzbund zuständig, der Flächen entweder pachtet oder ankauft (Naturfreikauf) und entsprechend pflegt. Wer sich dafür interessiert, kann bei den Landesgruppen der Organisation selbst Hand anlegen.