Während des Neubaus der im Sommer 2021 havarierten und ein halbes Jahr später gesprengten Salzbachtalbrücke mussten sich rund 80.000 Auto- und Lastwagenfahrer neue Routen suchen. Die Unterbrechung der Autobahn A66 zwischen den Anschlussstellen Biebrich und Mainzer Straße zwang die Auto- und Lastwagenfahrer zum Umdenken.  Nicht wenige nahmen den zeitraubenden Umweg quer durch die Landeshauptstadt in Kauf. Das bescherte nicht nur den Anwohnern der Ausweichrouten deutlich mehr Verkehr und Lärm, sondern der Stadt auch erhebliche Schäden im Straßennetz. Zudem mussten ohnehin anstehende Sanierungsarbeiten vertagt werden, um den Verkehrsfluss nicht zusätzlich zu erschweren.

Welchen Einfluss eine fehlende Brücke auf das Unfallgeschehen hatte, zeigte nach der Eröffnung des Neubaus eine Bilanz der Polizei: Nach Angaben der  Polizeidirektion Wiesbaden sank die Zahl der Unfälle im Jahr 2024 trotz eines Zuwachses an Einwohnern, an Fahrzeugen und an Pendlern um 476 Kollisionen. Die „Unfallhäufungen“ im Umkreis der Salzbachtalbrücke seien deutlich zurückgegangen, hieß es. Am Herzogsplatz und am Amöneburger Kreisel, wo es häufig zu Unfällen gekommen war, gab es nun fast keine mehr.

Verkehrszählungen während der Brückensperrung belegen nach Angaben des kommunalen Verkehrsdezernats allerdings eine Zunahme des Schwerverkehrs um mehr als 4000 Fahrzeuge je Werktag. Die Stadt hatte zudem Kosten von rund einer Million Euro zur Aufrechterhaltung des Verkehrsflusses und der Verkehrssicherheit sowie für die Erreichbarkeit der Ersatz-Bahnhöfe durch die Pendler zu tragen.

Es gebe massive Beschädigungen der direkt betroffenen Umleitungsstrecken und „substanzielle Verschlechterungen weiterer Strecken im Straßennetz“, heißt es in einer Aufstellung von Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Die Grünen) für die Stadtverordneten.

Wiesbaden will zwölf Millionen Euro

Daraus ergebe sich die Notwendigkeit einer Sanierung großer Fahrbahnflächen. Kowol beziffert die Kosten für diese Sanierung auf nahezu zwölf Millionen Euro. Aufgelistet werden in der Vorlage zudem „erhebliche Zusatzbelastungen“, weil Bauprojekte verschoben werden mussten.

Über diese Ansprüche verhandelt die Stadt schon seit dem Jahresende 2021 mit der Autobahn GmbH. Die Stadt sieht ihre Entschädigungsforderungen durch das Bundesfernstraßengesetz gedeckt. Darin heißt es unter anderem: „Nach Aufhebung der Umleitung ist der Träger der Straßenbaulast verpflichtet, auf Antrag des Eigentümers den früheren Zustand des Weges wiederherzustellen.“

Das Verkehrsdezernat hat gegenüber dem Bund die durch die Umleitung entstandenen Ausgaben sowie die geschätzten Kosten für die Beseitigung der Schäden nach eigenen Angaben „umfassend dargelegt.“ Eine Einigung aber gibt es bis heute nicht.

Bund erkennt Forderungen nicht an

Vielmehr habe ein Vertreter des Bundesverkehrsministeriums gegenüber Verkehrsdezernent Kowol alle rechtlichen Ansprüche der Landeshauptstadt zurückgewiesen. Das Ministerium stelle sich auf den Standpunkt, nach der Sprengung der Brücke keine konkrete Umleitung verfügt zu haben. Wiesbaden beruft sich hingegen darauf, alle Schritte zur Regelung des Verkehrs eng mit der Autobahn GmbH des Bundes abgestimmt zu haben. Eine einzige Umleitungsroute durch Wiesbaden sei angesichts der großen Verkehrsmengen nicht infrage gekommen.

Diese Route hätte die Belastung gar nicht verkraften können. Daher sei vereinbart worden, den Verkehr auf verschiedene Ausweichstrecken zu verteilen. Weil eine Einigung mit dem Bund noch immer nicht in Sicht ist, und weil zum Jahresende die Gefahr der Verjährung eines Teils der städtischen Ansprüche droht, will die Stadt nun Klage einreichen.

Weil gemäß hessischer Gemeindeordnung die Entscheidung über das Führen eines Rechtsstreits von größerer Bedeutung der Stadtverordnetenversammlung zukommt, legte Kowol die Sache dem Stadtparlament vor. Der zuständige Ausschuss hat der Einreichung einer Klage schon zugestimmt.

Am Donnerstag wird das Stadtparlament – vermutlich ohne Aussprache – den Magistrat ermächtigen, alle notwendigen Schritte einschließlich einer Klageerhebung einzuleiten, um eine Verjährung zu vermeiden. Eine Rechtsanwaltskanzlei ist schon mit der Prüfung des Sachverhalts und der Vorbereitung der Klage beauftragt worden. Vermieden werden kann die Klage nur noch, wenn die Autobahn GmbH bis zum Jahresende rechtsverbindlich erklärt, auf die Verjährung der Wiesbadener Forderungen verzichten zu wollen.