Es ist ein Projekt mit großer musikalischer, regionaler und bildungspolitischer Signalwirkung: der Zusammenschluss der Orchester der Musikhochschulen von Aachen, Lüttich und Maastricht zu einer gemeinsamen gewaltigen Kraftprobe wie Gustav Mahlers Neunter Symphonie, die jetzt im recht gut besuchten Eurogress erklang.
Mahlers letzte vollendete Symphonie ist ein 80-minütiges, groß besetztes Werk, das kein Hochschulorchester allein stemmen könnte. Wenn sich allerdings jeweils etwa 30 Studentinnen und Studenten der drei Institute zusammenfinden, lässt sich selbst eine solche Herkulesaufgabe zumindest quantitativ lösen. Und die Spielfertigkeit des heutigen Nachwuchses ist in den letzten Jahrzehnten auf ein Niveau geschossen, auf dem sich auch die hohen Hürden einer Mahler-Symphonie überwinden lassen.
Glänzende Soli
Das konnte man nicht nur den vielen heiklen, glänzend ausgeführten Solo-Passagen anhören, sondern auch dem Zusammenspiel im Gesamtaufriss. Das diesjährige Projekt wurde unter der Federführung des Maastrichter Konservatoriums ausgerichtet. Dem niederländischen, auf dem internationalen Parkett wie auch in der Hochschularbeit gleichermaßen versierten Dirigenten Arjan Tien gelang es souverän, die jungen Leute durch die unzähligen Klippen der ausgedehnten, von schroffen Stimmungs-, Klang- und Tempowechseln durchschüttelten Partitur zu führen. So war eine Interpretation zu hören, die mehr als eine Talentprobe bot, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Werk erkennen ließ.
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Schließlich geht es nicht nur darum, dass jeder Musiker seinen eigenen Part spieltechnisch zu bewältigen hat, sondern seine Fähigkeiten in einen gemeinsam atmenden und agierenden Organismus einbinden muss. Was angesichts der scharfen Kanten und Ecken des Werks ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit, Flexibilität und Einfühlungsvermögen erfordert.
Es wurde zwar in den einzelnen Hochschulen und in den gemeinsamen Proben in Maastricht hart und intensiv gearbeitet. Dennoch darf man von einem ad hoc zusammengesetzten Orchester natürlich nicht die klangliche Homogenität eines eingespielten Vollprofi-Ensembles erwarten. Erst recht nicht in einem akustisch so problematischen Saal wie dem Eurogress. Gleichwohl beeindruckte, dass der Dirigent angesichts der Spielfertigkeit des Orchesters weder die Tempi noch die dynamischen Eruptionen im Schongang angehen musste.
Spannung bis zum letzten Ton
Und dass er das Herzstück der Symphonie, das fast halbstündige, von entrückter Abschieds- und Endzeitstimmung getragene Adagio zum Finale nicht nur mit warmer Streicher-Opulenz zum Klingen bringen, sondern auch bis zu den letzten, unendlich langsam verhauchenden Schlusstönen unter Spannung halten konnte, so dass der Beifall erst nach gefühlt mehreren Minuten ergriffener Stille einsetzte, zeigt, dass die Studentinnen und Studenten viel vom Wesen und der Intention des Stücks begriffen haben. So zaghaft auch der Beifall einsetzte, so schnell wuchs er zu begeisterten Ovationen an.
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Nach Aufführungen in Maastricht und Aachen steht noch ein weiterer Auftritt in Lüttich (Donnerstag, 18. Dezember, 20 Uhr, Salle Philharmonique, Boulevard Piercot 25/27, Lüttich)
an. Für die jungen Musikerinnen und Musiker eine einzigartige Gelegenheit, ein solch gewaltiges Werk in drei großen Konzertsälen unter professionellen Bedingungen aufführen zu können. Für die Leitungen der Hochschulen ist ein solches Projekt natürlich mit enormem organisatorischem Aufwand verbunden, was die Leiter und Dozenten der Institute aber gern auf sich nehmen. Nicht vergessen sollte man dabei auch die Stärkung der Verbundenheit der Drei-Länder-Region.
Vorgesehen ist die Fortführung des Projekts im Zwei-Jahres-Rhythmus. 2027 übernimmt Lüttich im Rahmen der 200-Jahr-Feier des dortigen Conservatoires die Leitung, 2029 dann die Aachener Hochschule.