Welche Chancen hat der Verhandlungsprozess gegenwärtig, solange Moskau nicht direkt beteiligt wird? Ein genauerer und realistischer Blick auf die Positionen der beiden Kriegsparteien spricht Bände
Wolodymyr Selenskyj in Berlin: Das Wort „Sieg“ ist aus seinem Vokabular verschwunden
Foto: John MacDougall/AFP/Getty Images
Als Wladimir Putin sich am 11. Dezember mit Frontkommandeuren traf, war die Tonlage eindeutig. Die „Befreiung“ der Territorien Donezk, Lugansk, Saporoschije und Cherson vollziehe sich „rhythmisch“, die „strategische Initiative“ liege „voll in den Händen der russischen Streitkräfte“. Der Präsident würdigte die Einnahme der Stadt Sewersk nordöstlich von Slawjansk und Kramatorsk. Dies schaffe Voraussetzungen, um „ukrainische bewaffnete Formationen von unserem Territorium“ zu vertreiben und im Donbass wieder ein friedliches Leben zu führen. Da klang der Anspruch auf den gesamten Donbass durch, was in dieser Frage Kompromisse am Verhandlungstisch eher ausschließt.
Bereits Tage zuvor hatte Putin beim Besuch eines Kommandopunktes nahe der ukrainischen Front erkennen lassen, dass die derzeitige Regierung in Kiew für ihn kein Partner sei. Er sprach über die „Tragödie des ukrainischen Volkes“, die verbunden sei „mit der kriminellen Politik jener räuberischen Junta, welche die Macht in Kiew erobert hat“.
Die Ukraine und die europäischen NATO-Staaten befinden sich gerade in der schwierigsten Phase des Krieges
Parallel dazu äußerte Außenminister Sergej Lawrow die Erwartung, dass sich die Ukraine ausdrücklich verpflichten müsse, „blockfrei, neutral und kernwaffenfrei“ zu sein. Es müsste „kollektive Sicherheitsgarantien“ auch für Russland geben, aber schwer vorstellbar, dass das „Kiewer Regime ernsthafte Verhandlungen“ wolle. Erschwerend käme hinzu, dass Europa „bereit zu jeder Gaunerei“ sei.
Termini wie „räuberische Junta“ und „Kiewer Regime“ zeigen eindeutig, dass Russland beabsichtigt, Verträge über einen stabilen Frieden“ nur mit anderen ukrainischen Führern als der derzeitigen abzuschließen. Um dies zu erreichen, setzt Moskau darauf, die Ukraine weiteren territorialen Verlusten auszusetzen. Zum Kontext dieser primär militärtaktischen Strategie gehört, was Putin am 2. Dezember vor Journalisten erklärte, man suche keinen militärischen Konflikt mit den europäischen NATO-Staaten, scheue ihn aber auch nicht. „Wir haben nicht vor, mit Europa zu kämpfen. Aber wenn Europa plötzlich mit uns kämpfen will und anfängt, dann sind wir direkt bereit. Daran sollte man nicht zweifeln.“
Die russische Führung reflektiert, dass sich die Ukraine und ihre europäischen Alliierten gerade in der schwierigsten Phase des Krieges befinden. Die militärische Krise geht einher mit einer inneren Erosion der Staatsmacht in Kiew, seit durch Korruption beschleunigt, Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak gehen musste und die Dauerfehde im Verhältnis zwischen dem US-Präsidenten und Selenskyj, sich immer wieder in abfälligen Bemerkungen Donald Trumps manifestiert. Es hat den Anschein, als seien für die russische Führung weitere militärische Erfolge der Schlüssel für Verhandlungen, die sie mit den USA über die Ukraine und nicht mit der Führung der Ukraine führen will. Es geht um eine territoriale und politische Umgestaltung, die den Interessen einer russischen Großmacht gerecht wird.
Dort Wort „Sieg“ ist aus dem Vokabular von Präsident Selenskyjs verschwunden
Die ukrainische Führung dagegen verfolgt das Ziel, einen möglichst großen Teil des von ihr beanspruchten Gebietes militärisch und politisch zu kontrollieren und eng an den Westen zu binden. Dabei ist das Wort „Sieg“ aus dem Vokabular Selenskyjs verschwunden. Er spricht nur noch von „Frieden“, nicht mehr von einem „Siegesplan“, für den er noch Ende 2024 bei einer Rundreise durch westliche Länder warb. In einer Fernsehansprache am 10. Dezember sagte er, „die Welt“ habe „genügend Kraft, den Krieg zu beenden und Russland zu zwingen, dies zu tun“.
Diese Äußerung ist wirklich bemerkenswert. Selenskyj ignoriert, dass die meisten Staaten, darunter China und Indien, alle Länder Afrikas und die meisten Südamerikas keineswegs zu den Unterstützern der Ukraine zählen, sondern sich neutral verhalten. Zugleich ergibt seine Aussage, „die Welt“ müsse „Russland zwingen“, nur dann einen Sinn, wenn er auf noch mehr Waffen und eine Fortsetzung des Krieges setzt.
Dieses Vorgehen hat seine innere Logik der Machtsicherung, die in Europa ausgeblendet wird. Nur deutet vieles daraus hin: Solange die Regierung in Kiew durch westliche Länder aufgerüstet und finanziell gestützt wird, muss sich Präsident Selenskyj weder Wahlen stellen noch die Verantwortung für ein Friedensabkommen übernehmen, das angesichts der Lage nur eine Niederlage der Ukraine festschreiben kann.
Auch der jetzige Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Rustem Umerow, wird der Korruption verdächtigt
Hinzu kommt, was sich den Berichten ukrainischer Medien entnehmen lässt: Ermittler der Behörde zur Bekämpfung der Korruption, NABU, verdächtigen den früheren Verteidigungsminister und jetzigen Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Rustem Umerow, womöglich in korrupte Deals des nach Israel geflüchteten Selenskyj-Freundes Timur Minditsch involviert zu sein. Ein Ende des Krieges würde das Interesse an den Ermittlungen in der Gesellschaft verstärken und auch die Forderungen nach politischen Konsequenzen. Es würden auch Fragen untersucht, ob westliche Hilfsgelder in Kiew veruntreut wurden.
Insofern ist nach vier Jahren Krieg sowohl in Moskau als auch in Kiew der militärische Konflikt zur Legitimationsgrundlage der führenden politischen Akteure geworden, dessen Ausgang über die Zukunft der Staatsführungen entscheidet.
in beim Besuch eines Kommandopunktes nahe der ukrainischen Front erkennen lassen, dass die derzeitige Regierung in Kiew für ihn kein Partner sei. Er sprach über die „Tragödie des ukrainischen Volkes“, die verbunden sei „mit der kriminellen Politik jener räuberischen Junta, welche die Macht in Kiew erobert hat“.Die Ukraine und die europäischen NATO-Staaten befinden sich gerade in der schwierigsten Phase des KriegesParallel dazu äußerte Außenminister Sergej Lawrow die Erwartung, dass sich die Ukraine ausdrücklich verpflichten müsse, „blockfrei, neutral und kernwaffenfrei“ zu sein. Es müsste „kollektive Sicherheitsgarantien“ auch für Russland geben, aber schwer vorstellbar, dass das „Kiewer Regime ernsthafte Verhandlungen“ wolle. Erschwerend käme hinzu, dass Europa „bereit zu jeder Gaunerei“ sei.Termini wie „räuberische Junta“ und „Kiewer Regime“ zeigen eindeutig, dass Russland beabsichtigt, Verträge über einen stabilen Frieden“ nur mit anderen ukrainischen Führern als der derzeitigen abzuschließen. Um dies zu erreichen, setzt Moskau darauf, die Ukraine weiteren territorialen Verlusten auszusetzen. Zum Kontext dieser primär militärtaktischen Strategie gehört, was Putin am 2. Dezember vor Journalisten erklärte, man suche keinen militärischen Konflikt mit den europäischen NATO-Staaten, scheue ihn aber auch nicht. „Wir haben nicht vor, mit Europa zu kämpfen. Aber wenn Europa plötzlich mit uns kämpfen will und anfängt, dann sind wir direkt bereit. Daran sollte man nicht zweifeln.“Die russische Führung reflektiert, dass sich die Ukraine und ihre europäischen Alliierten gerade in der schwierigsten Phase des Krieges befinden. Die militärische Krise geht einher mit einer inneren Erosion der Staatsmacht in Kiew, seit durch Korruption beschleunigt, Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak gehen musste und die Dauerfehde im Verhältnis zwischen dem US-Präsidenten und Selenskyj, sich immer wieder in abfälligen Bemerkungen Donald Trumps manifestiert. Es hat den Anschein, als seien für die russische Führung weitere militärische Erfolge der Schlüssel für Verhandlungen, die sie mit den USA über die Ukraine und nicht mit der Führung der Ukraine führen will. Es geht um eine territoriale und politische Umgestaltung, die den Interessen einer russischen Großmacht gerecht wird.Dort Wort „Sieg“ ist aus dem Vokabular von Präsident Selenskyjs verschwundenDie ukrainische Führung dagegen verfolgt das Ziel, einen möglichst großen Teil des von ihr beanspruchten Gebietes militärisch und politisch zu kontrollieren und eng an den Westen zu binden. Dabei ist das Wort „Sieg“ aus dem Vokabular Selenskyjs verschwunden. Er spricht nur noch von „Frieden“, nicht mehr von einem „Siegesplan“, für den er noch Ende 2024 bei einer Rundreise durch westliche Länder warb. In einer Fernsehansprache am 10. Dezember sagte er, „die Welt“ habe „genügend Kraft, den Krieg zu beenden und Russland zu zwingen, dies zu tun“.Diese Äußerung ist wirklich bemerkenswert. Selenskyj ignoriert, dass die meisten Staaten, darunter China und Indien, alle Länder Afrikas und die meisten Südamerikas keineswegs zu den Unterstützern der Ukraine zählen, sondern sich neutral verhalten. Zugleich ergibt seine Aussage, „die Welt“ müsse „Russland zwingen“, nur dann einen Sinn, wenn er auf noch mehr Waffen und eine Fortsetzung des Krieges setzt.Dieses Vorgehen hat seine innere Logik der Machtsicherung, die in Europa ausgeblendet wird. Nur deutet vieles daraus hin: Solange die Regierung in Kiew durch westliche Länder aufgerüstet und finanziell gestützt wird, muss sich Präsident Selenskyj weder Wahlen stellen noch die Verantwortung für ein Friedensabkommen übernehmen, das angesichts der Lage nur eine Niederlage der Ukraine festschreiben kann.Auch der jetzige Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Rustem Umerow, wird der Korruption verdächtigtHinzu kommt, was sich den Berichten ukrainischer Medien entnehmen lässt: Ermittler der Behörde zur Bekämpfung der Korruption, NABU, verdächtigen den früheren Verteidigungsminister und jetzigen Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Rustem Umerow, womöglich in korrupte Deals des nach Israel geflüchteten Selenskyj-Freundes Timur Minditsch involviert zu sein. Ein Ende des Krieges würde das Interesse an den Ermittlungen in der Gesellschaft verstärken und auch die Forderungen nach politischen Konsequenzen. Es würden auch Fragen untersucht, ob westliche Hilfsgelder in Kiew veruntreut wurden.Insofern ist nach vier Jahren Krieg sowohl in Moskau als auch in Kiew der militärische Konflikt zur Legitimationsgrundlage der führenden politischen Akteure geworden, dessen Ausgang über die Zukunft der Staatsführungen entscheidet.