Der Pakt, der seit rund 25 Jahren verhandelt wird, soll die meisten Zölle zwischen der EU und Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay beseitigen. Doch wegen des großen Widerstands gegen das Abkommen wurden ergänzende Schutzklauseln für Europas Bauern hineinverhandelt, die nun im EU-Parlament beschlossen wurden.
Damit soll die EU die mit dem Abkommen abgeschafften Zölle notfalls wieder einführen können. Der Schutzmechanismus soll für Rindfleisch, Geflügel, Eier und Honig, für Reis, Zucker, Ethanol und Knoblauch gelten. Steigen die Einfuhren dieser Produkte aus den Mercosur-Staaten stark und drücken in der EU die Preise, kann die Kommission die Zölle wieder einführen.
Voraussetzung für ein Eingreifen der Kommission soll nach Vorstellung des Europaparlaments sein, dass die Preise für ein bestimmtes Produkt in den Mercosur-Staaten mindestens fünf Prozent niedriger sind als in der EU. Außerdem müssen im Schnitt der vorausgegangenen drei Jahre entweder die Einfuhrpreise um mindestens fünf Prozent gesunken oder die Einfuhrmenge um mindestens fünf Prozent gestiegen sein.
Von der Leyen will unterzeichnen
Die EU-Kommission gab längst grünes Licht für das Handelsabkommen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen plant, den Pakt am Samstag auf einem Gipfel in Brasilien zu unterzeichnen. Etliche Länder gehen aber weiterhin gegen das Abkommen auf die Barrikaden. Frankreich forderte kürzlich eine Verschiebung der letzten Abstimmung. „Die französischen Forderungen wurden nicht erfüllt“, hieß es aus Paris.
Auch Österreich ist dagegen und per aufrechten Parlamentsbeschluss aus dem Jahr 2019 an ein Veto gebunden. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und Europaministerin Claudia Plakolm (beide ÖVP) verwiesen im Vorfeld einmal mehr auf den Nationalratsbeschluss. An der Position Österreichs habe sich nichts geändert.
Qualifizierte Mehrheit nötig
Vertreter aus dem Parlament müssen nun mit dem Rat der 27 EU-Staaten über den Schutzmechanismus verhandeln. Dafür bleiben ihnen nur wenige Tage, wenn die Regelung vor der geplanten Unterzeichnung am Samstag feststehen soll. Das ist theoretisch zwar nicht notwendig, gilt aber als Voraussetzung, um Frankreich womöglich doch noch zu überzeugen. Für Verhandlungen mit den Staaten böte sich der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag an.
Benötigt wird eine qualifizierte Mehrheit aus mindestens 15 der 27 Mitgliedsstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen. Deutschland, Spanien und die nordischen Länder drängen auf die rasche Unterzeichnung.
Autos gegen Agrarprodukte
Das Mercosur-Abkommen sieht den Wegfall der meisten Zölle zwischen den beiden Handelsblöcken vor. Laut Kommission würde es europäischen Unternehmen jährlich rund vier Milliarden Euro an Ausfuhrzöllen ersparen. 60.000 EU-Unternehmen würden in die Mercosur-Staaten exportieren, davon 30.000 kleinere und mittlere Betriebe.
Während die Europäer unter anderem Autos und chemische Produkte über den Atlantik verkaufen, liefern die Mercosur-Länder hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe nach Europa. Brüssel will mit dem Abkommen die Abhängigkeit von China verringern und neue Handelspartnerschaften aufbauen.
Kritiker befürchten Druck durch billige Importe (vor allem Rinder, Geflügel und Zucker) sowie Streit über Umwelt- und Produktionsstandards. Die EU-Kommission hält dagegen, der Pakt ändere nichts an den EU-Lebensmittelstandards und gewähre nur „sehr begrenzten“ Marktzugang bei sensiblen Agrarprodukten.
Scharfe Kritik
Thomas Waitz, Delegationsleiter der Grünen im EU-Parlament, sagte in einer Aussendung: „Die angeblichen Schutzmaßnahmen sind ein Schlag ins Gesicht für klein- und mittelständische Landwirtschaftsbetriebe in Europa.“ Was von der Kommission als Novum verkauft werde, „ist im eigentlichen Sinne nur eine Durchführungsverordnung von Schutzmaßnahmen, die im Vertrag schon vorgesehen sind“. Weder seien diese ausreichend „noch wirken sie schnell genug, um den Schaden durch den toxischen EU-Mercosur-Handelsdeal abzufangen“.
Auch Greenpeace kritisierte „die angeblichen Sicherheitsmaßnahmen als Beschwichtigungsversuch der Landwirtschaft, der kaum reale Verbesserungen für die europäische sowie österreichische Landwirtschaft bringt“. Der Pakt bleibe „eine Hiobsbotschaft für Klima, Umwelt und die österreichische Landwirtschaft“, so Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace.