Mit „Ab ins Wasser“ schenkt Hamburg 19.000 Erstklässlern drei Schwimmbadbesuche. Die Aktion soll frühe Wassererfahrungen ermöglichen, soziale Unterschiede ausgleichen und Teil der Olympia‑Strategie für eine aktive, sichere junge Generation sein.

Hamburg startet eine neue Offensive, um Kinder früher und besser ans Wasser zu gewöhnen: Rund 19.000 Erstklässler, die im Sommer 2025 eingeschult wurden, erhalten Eintrittsgutscheine für drei kostenfreie Besuche in einem städtischen Schwimmbad ihrer Wahl. Die Aktion heißt „Ab ins Wasser“ und soll Familien einen niedrigschwelligen Zugang ermöglichen – der kostenlose Eintritt gilt für die Erstklässler plus ein Elternteil.

Hintergrund ist der weiterhin hohe Anteil von Kindern, die zu Beginn des Schulschwimmens nicht schwimmen können. Das startet für alle Hamburger Grundschüler verbindlich in der dritten Klasse und dauert zwei Halbjahre. Im letzten Jahrgang starteten rund 53 Prozent der Kinder ohne mindestens das Seepferdchenabzeichen.

Zwar machten Viertklässler zuletzt Fortschritte, am Ende der Grundschulzeit konnten 84 Prozent zumindest in Grundzügen schwimmen. Doch Hamburg will, dass dies 95 Prozent der Kinder gelingt. Zudem soll der größte Teil der Schulkinder mit dem Bronzeabzeichen die Grundschule verlassen. Erst dann gelte man als sicherer Schwimmer, erklärte Sport- und Innensenator Andy Grote (SPD) am Dienstag. Aktuell schaffen das etwas mehr als 60 Prozent der Hamburger Viertklässler. Ein früher Ansatz soll nun helfen, die Kinder fit fürs Wasser zu machen – und vielleicht sogar für den Schwimmsport zu begeistern.

Grote betont die Bedeutung früher Wassererfahrungen: „Schwimmen zu können, ist in Hamburg wie Laufen- und Sprechenlernen. Damit wirklich jedes Kind Bewegung und Aktivität im Wasser als etwas Selbstverständliches wahrnimmt, helfen wir beim ersten Schritt ins Wasser mit einem Gutschein für die rund 19.000 Erstklässler in unserer Stadt.“

Laut Senat stehen 950.000 Euro bereit, die für die Gutscheine und sogenannte Aquabags ausgegeben werden können. Die Gutscheine können vom 1. März bis zum 31. Mai eingelöst werden, ein großer Aktionstag in allen Bädern ist für den 15. Mai geplant. Verteilt werden die Coupons direkt über die Schulen, die sogenannten Aquabags mit Schwimmzubehör, dass den Kindern Spaß bringen soll, gibt es beim Einlösen der Gutscheine in den städtischen Schwimmbädern.

Umweltsenatorin Katharina Fegebank (Grüne) ist nicht nur im Senat für Bäderland zuständig, sie selbst war Leistungsschwimmerin und arbeitete Schwimmlehrerin. Aus der Praxis wisse sie, wie entscheidend frühe Begegnungen mit dem Element Wasser sei – und wie schnell Kinder Hemmungen entwickeln können, wenn diese Erfahrungen fehlten. Viele hätten zunächst Angst, die sich aber je leichter überwinden ließe, je kleiner die Kinder ans Wasser gewöhnt würden. Genau hier setze die Aktion an: Kinder, „die bisher noch nicht so viel Wasserberührung hatten“, sollten niedrigschwellig positive Erlebnisse im Wasser sammeln, bevor der Pflichtunterricht beginnt.

Die Gutscheine sind Teil der Active-City-Strategie Hamburgs und flankieren das Ziel des Senats, eine „Olympische Generation“ sportaktiver Kinder heranwachsen zu lassen. Besonders angesprochen werden sollen Stadtteile mit erhöhter Zahl nicht schwimmfähiger Kinder: Zwei der drei begleiteten Aktionstage finden in Bädern statt, die in sozial belasteten Gebieten liegen – Billstedt, Wilhelmsburg (Inselpark), Bramfeld und an der Elbgaustraße. Die regulären Gutscheine hingegen gelten für alle Bäder von Bäderland.

Der Senat verknüpft die Aktion zudem mit der Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele. Die Stadt wolle – so Andy Grote – nachhaltige Effekte erzielen, die über mögliche Spiele weit hinausreichen. Ziel sei es, dass die heute Fünf‑ bis Fünfzehnjährigen zur „aktivsten und fittesten Generation“ Hamburgs würden. Ein zentraler Baustein dafür sei die Schwimmfähigkeit: Jedes Kind solle die Grundschule künftig sicher schwimmend verlassen, unabhängig vom sozialen Hintergrund. In einer Stadt am Wasser sei das auch eine Frage von Teilhabe und Sicherheit. Die Initiative „Ab ins Wasser“ solle genau dafür konkrete Voraussetzungen schaffen.

Auch die Bäderland-Chefin sieht erheblichen Bedarf, Kinder ans Schwimmen heranzuführen. Geschäftsführerin Susan Zetzmann sagte, viele Kinder kämen erst spät zum ersten Mal ins Schwimmbad: „Man kann von fast 50 Prozent sprechen, die in der dritten oder vierten Klasse ein Schwimmbad noch nie von innen gesehen haben.“ Die frühe Wassergewöhnung sei zwischen sechs und sieben Jahren am effektivsten; zugleich sei die Begleitung der Eltern entscheidend.

Fachliche Unterstützung kommt vom Deutschen Schwimmverband. Bundestrainer Wissenschaft und Bildung, Stephan Haumann, sprach von einer bundesweiten Herausforderung: „Deutschland steht vor einer strukturellen Schwimmfähigkeitskrise – mehr als jedes zweite Kind kann am Ende der Grundschule nicht sicher schwimmen.“ Die Hamburger Initiative setze „ein wichtiges Signal weit über die Stadt hinaus“, weil sie Zugangshürden wie hohe Kosten oder lange Wartezeiten gezielt abbaue.

Aus wissenschaftlicher Sicht spielt dabei vor allem die frühe Wassergewöhnung eine Schlüsselrolle. Nils Schumacher von der Universität Hamburg erinnerte daran, dass Schwimmlernen „lange vor dem ersten Unterricht“ beginne. Müsse in der dritten Klasse zunächst Angst abgebaut werden, „bleiben oft nicht mehr genug Stunden, um die Kinder bis zum Bronze‑Abzeichen zu bringen“. Auffällig seien zudem die sozialen Unterschiede: „Ein niedriger Sozialstatus verdreifacht das Risiko, nicht schwimmen zu können.“ Frühzeitige, positive Erfahrungen im Wasser seien daher entscheidend, um schulische Lernziele überhaupt erreichen zu können.

Kritik kommt von mehreren Oppositionsfraktionen. Die Linke sieht in der Aktion „Ab ins Wasser“ vor allem eine „punktuelle Werbemaßnahme“ für die Olympia-Bewerbung. Ihr sportpolitischer Sprecher Martin Wolter bemängelt anhaltend eingeschränkte Öffnungszeiten und hohe Eintrittspreise bei Bäderland sowie fehlende nachhaltige Strategien, um Kindern in allen Stadtteilen sicheren Zugang zum Schwimmen zu ermöglichen. Die Fraktion fordert seit Jahren freien Eintritt für Kinder und Jugendliche sowie deutlich höhere Investitionen in die Schwimmbadinfrastruktur.

Auch die CDU äußert Zweifel am Nutzen der Gutschein-Aktion. Bildungspolitikerin Birgit Stöver begrüßt zwar grundsätzlich jede Maßnahme zur Verbesserung der Schwimmfähigkeit, sieht aber in „Gutscheinen und Giveaways“ keine Lösung für strukturelle Probleme. Es brauche vor allem mehr Wasserzeiten und zusätzliche Schwimmflächen, um verlässlichen Unterricht sicherzustellen. Die CDU hatte mehrfach mobile Schwimmcontainer an Kitas und Grundschulen gefordert, um vor Ort niedrigschwellige Angebote zu schaffen. Der Senat habe hier „eine große Chance vertan“.