
AUDIO: In Norddeutschland ist die Hälfte des Grundwassers belastet (5 Min)
Stand: 17.12.2025 06:00 Uhr
Der Deutschland-Vergleich zeigt: In Norddeutschland ist das Grundwasser im Schnitt stärker chemisch belastet als im Rest des Landes. Eine EU-Richtlinie sollte bis 2027 Abhilfe schaffen. Das Ziel wird aber nicht erreicht.
Grundwasser ist die wichtigste Quelle für unser Trinkwasser. Messdaten zeigen: In Deutschland befand sich 2021 knapp ein Drittel des Grundwassers in einem chemisch schlechten Zustand. Im Norden ist der Zustand noch schlechter. Hier gilt mehr als die Hälfte der Grundwasservorkommen als belastet.
Als schlecht gilt ein Grundwasserkörper wenn in mehr als 20 Prozent der Messstellen die festgelegten Grenzwerte für bestimmte Schadstoffe oder Nährstoffe überschritten werden. Grundwasserkörper sind klar abgegrenzte Bereiche im Untergrund, die jeweils separat untersucht werden. Insgesamt gibt es in Deutschland 1.291 solcher Grundwasserkörper.
Zu viele Pflanzenschutzmittel und zu viel Vieh
Die hohe chemische Belastung des Grundwassers im Norden ist laut Landesbehörden vor allem auf Nitrat sowie Pflanzenschutzmittel und deren Abbauprodukte zurückzuführen. Als Hauptursachen nennen sie den hohen Viehbestand und die intensive Landwirtschaft. „Der hohe Einsatz von Düngemitteln führt zu Nährstoffüberschüssen, die nicht vollständig von den Pflanzen aufgenommen werden und ins Grundwasser gelangen können“, so der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz.
Die geologischen Verhältnisse im Norden verschärfen das Problem: Sandige Böden können Nährstoffe nur schlecht zurückhalten. So sickern mehr Stoffe wie Nitrat ins Grundwasser als in Regionen mit dichteren und aufnahmefähigeren Böden. Insbesondere Nitrat reichert sich im Grundwasser an. Es ist an sich nicht gesundheitsschädlich. Allerdings kann es im Körper zu Nitrit umgewandelt werden, was vor allem für Säuglinge gefährlich sein kann.
Keine Gefahr für die Gesundheit, aber mehr Kosten fürs Trinkwasser
Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich trotzdem keine Sorgen machen, denn das Grundwasser wird umfassend aufbereitet, bevor es als Trinkwasser aus den Leitungen fließt. Für die Gesundheit besteht also keine Gefahr. Dennoch: Der schlechte Zustand des Grundwassers macht das Trinkwasser teurer: Gelangen mehr Schadstoffe ins Wasser, muss der Wasserversorger es aufwendig aufbereiten. “Das kostet Geld, und das zahlt der Verbraucher“, sagt Falk Hilliges vom Umweltbundesamt.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2022 bestätigt, dass steigende Nitratwerte im Wasser die Gesamtkosten für Trinkwasserunternehmen erhöhen. Konkret heißt es in der Studie, dass 10 Milligramm Nitrat pro Liter zu einem Kostenanstieg von etwa 110.000 Euro für ein durchschnittliches Unternehmen mit 50.000 Kundinnen und Kunden führen. Das Aufbereiten des Wassers mache zwar nicht den größten Teil der Kosten aus, sagt Studienautorin Astrid Cullmann, aber es seien Kosten, die hinzukämen und im Zweifel bei den Verbrauchern landeten.
Vorgaben für Grundwasserqualität nicht erreicht – EU verlängert Frist
Um die Qualität der Gewässer in Europa, inklusive Grundwasser, zu verbessern, legte die EU im Jahr 2000 Grenzwerte in der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) fest. Die Richtlinie sieht eigentlich vor, dass bis 2027 alle Gewässer, inklusive Grundwasser, in einem chemisch guten Zustand sein sollen. „Aber davon sind wir noch sehr weit entfernt“, sagt Falk Hilliges.
Die jüngsten Daten, auf denen die Grafik oben beruht, stammen von der letzten Messperiode, die von 2015 bis 2021 dauerte. 2027 wird es neue Zahlen geben. Aber es ist jetzt bereits klar, dass das Ziel nicht erreicht wird. Daher hat die EU die Frist vorläufig auf 2039 verschoben, in besonderen Fällen sogar bis 2045. „Aber selbst diese Frist wird die Mitgliedsstaaten vor große Herausforderungen stellen“, kommentiert Hilliges.
Ein großes Problem ist das „lange Gedächtnis“ des Grundwassers. Laut Hilliges kann es Jahrzehnte dauern, bis die Schadstoffe im Wasser abgebaut sind. Häufig geht der schlechte Zustand des Grundwassers auf frühere Einträge zurück. Als Beispiel nennt er das Pflanzenschutzmittel Atrazin, das seit 1991 in Deutschland verboten ist und dennoch am häufigsten im Grundwasser nachgewiesen wird.
Strengere Regeln für Düngereinsatz führen zur Verbesserung
Aus Sicht der zuständigen Behörde in Niedersachsen hat sich die Lage aber bereits verbessert. Das hat auch damit zu tun, dass der Europäische Gerichtshof Deutschland 2018 verurteilte, weil das Land nicht genug gegen hohe Nitratwerte unternommen hatte. Seitdem gelten strengere Vorgaben für den Düngereinsatz. Auch Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern geben auf Nachfrage an, das Grundwasser langfristig schützen zu wollen.
Dazu setzen sie unter anderem auf ausgewiesene Wasserschutzzonen und feste Zeiträume, in denen Dünger ausgebracht werden darf. Falk Hilliges vom Umweltbundesamt sieht ebenfalls Erfolge. Der chemische Zustand des Grundwassers habe sich über die Jahre insgesamt leicht verbessert. Um deutliche Fortschritte zu erzielen, sollten Nährstoffeinträge weiter reduziert werden und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln abnehmen, so Hilliges.

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