Ein Mitarbeiter arbeitet mit weißem Schutzanzug in einem Reinraum einer Batteriefabrik

AUDIO: So macht es sonst keiner: VW eröffnet eigene Batteriezellfabrik (3 Min)

Stand: 17.12.2025 12:45 Uhr

Nach rund drei Jahren Bauzeit hat am Mittwoch in der neuen Batteriezellfabrik der VW-Tochter PowerCO in Salzgitter die Serienproduktion begonnen. Die „Einheitszelle“ soll helfen, Elektromobilität für alle bezahlbar zu machen.

von Annette Deutskens

Die Zukunft der Automobilproduktion ist weiß. Zumindest, wenn es um das Herzstück der Autos geht, die Batteriezelle. Im sogenannten Reinraum einer nagelneuen Fabrikhalle auf dem VW-Gelände in Salzgitter laufen Beschäftigte mit weißen Schutzanzügen, Masken, Hauben und Handschuhen herum. Einige von ihnen tragen sogar Helme, bei denen die Sauerstoffzufuhr über ein Gerät am Rücken und einen langen Schlauch geregelt wird. Nirgendwo in dem klinisch weißen Raum findet sich auch nur ein Körnchen Staub, ein Haar oder ein Krümel, denn: All das könnte die Produktion der Batteriezellen empfindlich stören. Und so dient die Schutzausrüstung zwar einerseits den Menschen, die mit verschiedenen Chemikalien hantieren, andererseits aber auch dem Schutz der Produkte.

Wie will VW schaffen, woran andere scheiterten?

Der Start der neuen Fabrik von VW in Salzgitter ist allerdings nicht in erster Linie wegen der speziellen Produktionsbedingungen bemerkenswert. Es geht um viel mehr: Um den Wandel eines traditionsreichen Motorenwerks zu einem Leitwerk für Batteriezellen. Um bezahlbare Elektromobilität. Und am Ende geht es auch um Mut und Durchhaltevermögen. Beides werden sie bei VW brauchen, damit PowerCO am Ende ein Erfolg wird.

Eine Batteriezelle der VW-Tochter PowerCo in Salzgitter.

Was wird produziert? Wie viel wurde investiert? Wie viele Beschäftigte arbeiten in Salzgitter? Antworten gibt es in diesem FAQ.

Zwei Milliarden Euro Investitionen

PowerCo ist eine Tochter-Gesellschaft von VW, in der alle Aktivitäten rund um das Thema Batterien gebündelt sind. Nach eigenen Angaben ist VW der erste Autobauer europaweit, der Batteriezellen selbst entwickelt und produziert. Die Frage, die über all dem schwebt, ist: Wie will Volkswagen schaffen, woran andere – wie Northvolt – vorerst gescheitert sind? Was Autobauer wie BMW oder Mercedes auf Eis gelegt haben oder höchstens noch mit Partnern realisieren? Volkswagen investiert in Salzgitter bis zu zwei Milliarden Euro. Selbst für einen Riesen wie VW ist das eine Menge Geld.

Die Masse soll den Unterschied machen

Kann die Rechnung aufgehen? Ja, sagt Thomas Schmall, VW-Technikvorstand, im Interview mit dem NDR. Volkswagen habe vor allem zwei entscheidende Vorteile: Seine Fachkräfte und seine Größe. „Wir haben heute schon Hunderte Beschäftigte aus Salzgitter, die den Hochlauf fachlich unterstützen. Und was VW neben der Technologie noch auszeichnet, ist die Fähigkeit zu industrialisieren.“ Also: auf Masse zu kommen. VW will in Salzgitter eine sogenannte Einheitszelle in großer Stückzahl produzieren. Perspektivisch sollen 60.000 Zellen pro Tag gefertigt werden – eine Menge, die für etwa 500 elektrische Kleinwagen reichen soll.

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Konkurrenz ist VW 10 bis 15 Jahre voraus

„Ich glaube schon, dass das klappen kann“, sagt Automobilexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management zu den VW-Batterieplänen. Die große Herausforderung sei allerdings, eine große Kapazität zu wettbewerbsfähigen Kosten zu erreichen. Denn Fakt ist: Die Hauptkonkurrenten CATL, BYD und LG, die den Markt beherrschen, sind Volkswagen und den anderen europäischen Herstellern um etwa 10 bis 15 Jahre voraus. VW habe mit dem Einstieg in die Batteriezellproduktion die richtige Entscheidung getroffen, so Bratzel. „Nur leider viel zu spät.“

Kommt die Batterieproduktion bei VW zu spät?

Ein Punkt, den auch der einflussreiche VW-Betriebsrat dem Konzern gerne unter die Nase reibt. Während die Arbeitnehmervertretung schon 2010 für den Aufbau einer eigenen Batteriefabrik plädiert hatte, kommentierte Ex-VW-Chef Matthias Müller den Vorschlag 2016 mit den Worten: „So einen Blödsinn machen wir sicherlich nicht.“ Erst sein Nachfolger Herbert Diess stellte schließlich die Weichen für die heutige Fabrik. Klar ist aber auch: Wenn VW langfristig mit der Batterieproduktion erfolgreich sein will, braucht es mehr als gutes Kostenmanagement und hohe Stückzahlen. Auf lange Sicht muss es gelingen, bei den Innovationen wieder an die Spitze der Bewegung zu kommen, etwa bei den Festkörperzellen, den Batterien der nächsten Generation.

Ein Auspuff eines Volkswagens auf einem Mitarbeiterparkplatz, aufgenommen mit dem Verwaltungshochhaus des VW-Werks im Hintergrund.

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Die Einheitszelle – eine Art „Lasagne“

In den Laboren in Salzgitter forschen Beschäftigte aus Dutzenden Ländern an den neuen Technologien. Die sogenannte Einheitszelle, die aktuell in den Reinräumen entsteht, ist allerdings erst einmal eine klassische Lithium-Ionen-Batterie. Sie ist, sehr vereinfacht gesagt, in etwa wie eine aufwendige Lasagne mit extra dünnen Schichten aufgebaut: Es gibt 47 Kathodenblätter, 48 Anodenblätter und dazwischen Graphitbrei und Separatorfolien. Dass das Rezept funktioniert, hat VW schon in einer Art Versuchsküche erprobt: In China steht eine baugleiche Anlage, mit der die Abläufe getestet wurden. „Line zero“ heißt sie im Konzernsprech.

Chinesen helfen beim Fabrikhochlauf

Jetzt helfen chinesische Fachkräfte, die Anlagen in Salzgitter ans Laufen zu bekommen und die deutschen Beschäftigten zu schulen. In der alten Verbrennerwelt war es noch genau umgekehrt. Die ersten Schritte in Salzgitter sind also gemacht – oder, wie Konzernvorstand Schmall es ausdrückt: Die ersten fünf Kilometer der Marathonstrecke sind geschafft. Wie es weitergeht? Im kommenden Jahr will VW mit der Produktion in der Batteriezellfabrik in Spanien beginnen, im Jahr darauf in Kanada.

Fabrik soll „Erfolgsgeschichte von Salzgitter fortschreiben“

In Salzgitter ist bisher erst eine von zwei Hallen mit entsprechenden Anlagen bestückt. Ob und wann auch in der zweiten Halle produziert wird, hängt davon ab, wie sich die Elektromobilität in Europa entwickelt. Der Betriebsrat jedenfalls gibt sich zuversichtlich. „Salzgitter als stolzer Motorenstandort hat über Jahrzehnte Dutzende Millionen Fahrzeuge mit ihrem Antriebsherz versorgt“, so ein Sprecher. „Die Zellfabrik wird diese Erfolgsgeschichte nun fortschreiben.“

Blick auf das VW-Werk in Salzgitter.

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Ein Mitarbeiter von Volkswagen steht in einem Reinraum zur Produktion von Batteriezellen im VW Werk Salzgitter.

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