Überraschung im Spektrum

Aber es wird noch exotischer: Zhang und sein Team haben diesen Pulsar-Planeten jetzt erstmals mit dem hochauflösenden Nahinfrarot-Spektrometer (NIRSpec) des James-Webb-Teleskops genauer untersucht. Ziel war es, mehr Informationen über die Gashülle und Zusammensetzung von PSR J2322–2650b zu gewinnen. Weil der Pulsar vorwiegend Gammastrahlung aussendet, ist das Infrarotspektrum des Planeten besonders gut und störungsfrei zu erkennen.

Tatsächlich lieferte das Teleskop ein extrem klares Spektrum der heißen Tagseite des Exoplaneten – und zeigte etwas völlig Unterwartetes. „Das war eine absolute Überraschung“, erinnert sich Koautor Peter Gao von der Carnegie Institution in Washington DC. „Als wir die ersten Daten empfingen, war unsere kollektive Reaktion: Was zum Teufel ist das? Das war völlig anders als alles, war wir erwartet hatten.“

Moleküle aus reinem Kohlenstoff in der Gashülle

Denn im Spektrum von PSR J2322–2650b waren die zackigen Signaturen von molekularem Kohlenstoff zu erkennen – Verbindungen nur aus zwei oder drei Kohlenstoffatomen (C2 und C3). „Eine solche Planetenatmosphäre hat noch niemand zuvor gesehen“, sagt Zhang. „Statt der für Planetenatmosphären typischen Moleküle wie Wasser, Methan und CO2 sahen wir diesen molekularen Kohlenstoff.“

Ungewöhnlich ist dies deshalb, weil Kohlenstoff bei hohen Temperaturen fast nie in reiner Form vorkommt: Sobald andere Elemente wie Stickstoff oder Sauerstoff vorhanden sind, reagiert er sofort mit ihnen. Doch auf dem Pulsar-Planeten scheint es außer dem reaktionsträgen Helium kaum andere Elemente zu geben.
Pulsar-Begleiter im VergleichSchon durch seine geringe Masse und die Nähe zum Pulsar ist PSR J2322-2650b bisher einzigartig. © Zhang et al./ Astrophysical Journal Letters, CC-by 4.0

Einzigartig unter allen Exoplaneten

Damit ist der Pulsar-Planet PSR J2322–2650b ein absolutes Novum unter den bisher bekannten Exoplaneten. In seiner Gashülle könnten Wolken aus Ruß schweben, die in tieferen Schichten immer kompakter werden – bis der Kohlenstoff zu Diamant wird. Durch seine große Nähe zum Pulsar ist der exotische Gasriese zudem länglich verformt – er ähnelt eher einer Zitrone als einer Kugel, wie die Astronomen berichten. In der Gashülle von PSR J2322–2650b toben zudem starke und schnelle Westwinde.

Aber wie kommt ein solcher Exoplanet zustande? Und noch dazu in unmittelbarer Nähe zu einem Pulsar? Bisher stehen die Astronomen vor einem Rätsel. Denn schon die Präsenz eines Planeten so nah an einem Millisekundenpulsar ist extrem selten. Typischerweise bestehen solche Doppelsysteme aus einem Stern, der allmählich vom Pulsar ausgesaugt wird – solche Pulsare werden auch als „Schwarze Witwen“ bezeichnet. 

„Von rund 50 bekannten Schwarze-Witwe-Systemen hat nur eine Handvoll einen Begleiter von weniger als zehn Jupitermassen“, erklärt das Team. Und keiner dieser Begleiter hat eine so ungewöhnliche Zusammensetzung wie PSR J2322–2650b.

Entstehung dieses Exoplaneten bisher unerklärlich

„Es ist schwer sich auszumalen, wie ein solcher Pulsar-Planet eine so extrem kohlenstoffreiche Zusammensetzung bekommen kann“, sagt Zhang. „Jeder bisher bekannte Bildungsmechanismus scheidet hier aus.“ Theoretisch kann ein Schwarze-Witwen-Pulsar zwar seinen Begleitstern soweit aussaugen, dass nur noch ein planetenähnlicher Rest übrigbleibt. Aber solche Reste enthalten neben Helium typischerweise viel Stickstoff und Sauerstoff. „Die Kernphysik in einem solchen Stern produziert aber keinen reinen Kohlenstoff“, so Zhang.

Doch der Pulsar-Planet muss 100-mal mehr Kohlenstoff als Sauerstoff und 10.000-mal mehr Kohlenstoff als Stickstoff enthalten. „Wie dieser Prozess solche Elementverhältnisse erzeugt, ist schwer erklärbar“, schreiben die Astronomen. Zwar gibt es in seltenen Fällen Fusionsprozesse, die besonders viel Kohlenstoff erzeugen, aber selbst bei solchen Kohlenstoffsternen sind die Elementverhältnisse nicht so extrem wie bei PSR J2322–2650b.

Damit bleibt der exotische Kohlenstoff-Planet vorerst ein nicht erklärbarer Sonderling. Die Astronomen hoffen nun, dass die spektrale Untersuchung weiterer besonders leichter Pulsar-Begleiter vielleicht einige Antworten liefert. Zumindest könnte dies klären, ob PSR J2322–2650b ein Einzelfall ist oder nur der erste Vertreter einer ganz neuen Exoplanetenklasse. (The Astrophysical Journal Letters, 2025; doi: 10.3847/2041-8213/ae157c)

Quelle: NASA, Space Telescope Science Institute







18. Dezember 2025

– Nadja Podbregar