Am Übergang zwischen der U2 und der U8 am U-Bahnhof Alexanderplatz steht ein Pulk Menschen. Dahinter ein blauer Glaskasten. Nein – ein Klassenzimmer. Unterirdisch, und doch befinden sich etwa 15 Schüler darin, die sich mit dem Papier auf den kleinen Tischen beschäftigen, an denen sie sitzen.
„Für Kinder in der Ukraine ist das bittere Realität: das Lernen unter der Erde inmitten von Luftangriffen“, sagt Georg Graf Waldersee, der Vorsitzende von Unicef, mit dem Mikrofon in der Hand.
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Hintergrund ist eine von Unicef angeregte Aktion, um auf den Alltag von ukrainischen Kindern während des Krieges aufmerksam zu machen. Mit der Unterstützung der BVG hat Unicef ein provisorisches Klassenzimmer im U-Bahnhof errichtet. Ein Ort, an dem täglich hunderte Menschen vorbeilaufen. Bis zum 21. Dezember wird das Klassenzimmer dort zu sehen sein, gibt Unicef an.
Seit fast vier Jahren findet für viele ukrainische Kinder der Unterricht in Schutzkellern und U-Bahnhöfen statt, heißt es in der Pressemitteilung von Unicef. Seit Kriegsbeginn seien bereits über 1500 Bildungseinrichtungen in der Ukraine zerstört worden.
Der Innenraum des improvisierten Klassenzimmers im U-Bahnhof Alexanderplatz.
© Nadia Jusufbegovic
In Kooperation mit dem Bundesentwicklungsministerium trägt Unicef in der Ukraine dazu bei, sichere, warme Unterrichtsräume zu schaffen, und ruft mit dieser Aktion unter anderem zu Spenden auf.
Um den notgedrungenen Unterricht in U-Bahnhöfen der Ukraine zu illustrieren, sitzt während des Pressetrubels eine Schulgruppe der Jenaplanschule Neukölln im Klassenzimmer mitten im U-Bahnhof. Zwei von den etwa neunjährigen Schülern, Else und Luka, erklären gegenüber dem Tagesspiegel, was sie über die Aktion denken.
„Ich wurde während Corona eingeschult und weiß seitdem, wie wichtig es ist, in einer Gemeinschaft zu lernen“, sagt Else. Sie findet es sehr schön, dass das, was sie hier machen, auch wirklich den Kindern in der Ukraine hilft. Luka nickt bei dem, was Else sagt. „Im Gegensatz zu dem hier ist unsere Schule richtiger Luxus“, Luka deutet auf das Klassenzimmer hinter sich.
Else und Luka finden, dass ihre Schule im Gegensatz zu diesem Klassenzimmer Luxus ist.
© Nadia Jusufbegovic
„Lernen im Krieg ist für viele von uns unvorstellbar“
In seinem Redebeitrag sagt Unicef-Vorsitzender Waldersee, dass all diese unsicheren Unterrichtssituationen nicht spurlos an den ukrainischen Kindern vorbeigehen würden. „Dabei schafft gerade die Schule die Voraussetzung, dass diese Kinder ihr Land in wenigen Jahren wieder aufbauen können.“
Etwa eine Million ukrainische Kinder werden ausschließlich online gelehrt.
Georg Graf Waldersee, Vorsitzender von Unicef
Bei einer Reise in die Ukraine habe er erlebt, wie Kinder in jenen unterirdischen Klassenräumen endlich wieder mit Gleichaltrigen spielen konnten. „Etwa eine Million ukrainische Kinder werden ausschließlich online gelehrt, Frau Senatorin, das sind doppelt so viele, wie Schüler in Berlin insgesamt lernen.“
Vor dem symbolischen Klassenzimmer stehen von links nach rechts: BVG-Chef Henrik Falk, Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch, Matthi, Laura, Bundesministerin Reem Alabali Radovan, Unicef-Vorstandsvorsitzender Georg Graf Waldersee.
© Nadia Jusufbegovic
Die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch nickt und greift nach ihm zum Mikrofon. Sie freue sich, dass mittlerweile tausende geflüchtete ukrainische Kinder erfolgreich in Berlin beschult würden. „Lernen im Krieg ist für viele von uns unvorstellbar.“ Gerade deshalb müsse man sich bewusst machen, dass Schule normalerweise auch bedeute, sich auszutauschen, zu lachen und Quatsch zu machen.
Zwei Schülersprecher der Jenaplanschule Neukölln tragen zusammen vor, was ihre Schülergruppe den ukrainischen Kindern wünscht. Darunter immer wieder Wünsche für Frieden, Hoffnung, Gleichberechtigung, genug Essen und Trinken, aber auch ein schönes Weihnachten.
Laura und Matthie, Schüler der Jenaplanschule Neukölln, tragen die Wünsche ihrer Klasse an ukrainische Kinder vor.
© Nadia Jusufbegovic
Wie es jetzt weitergeht für die Kinder in der Ukraine berichtet Reem Alabali Radovan, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Vor kurzem habe sie eine Schule in einem Vorort Kiews besucht, die stark unter Beschuss stand. „Es hat mich sehr bewegt, wie normal es in der Ukraine ist, während des Unterrichts plötzlich in den Bunker gehen zu müssen.“ Mit Verweis auf den kürzlichen Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Berlin sagt sie, dass die Bundesregierung mit Hochdruck an Frieden in der Ukraine, mit der Ukraine arbeiten würde.
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Priorität sei es jetzt zu überlegen: „Wie geht es nach der Schule weiter in Hinblick auf, Berufsbildung und Ausbildung?“ Die Kinder bräuchten Hoffnung auf eine friedliche Zukunft in der Ukraine.