"Zu vermieten" steht auf einer Plane, die an einem Balkon-Geländer einer Neubau-Wohnung angebracht ist.

Stand: 18.12.2025 15:53 Uhr

Unter ihrem pakistanischen Nachnamen war die Wohnungssuche erfolglos – mit deutsch klingendem Nachnamen bekam Frau Waseem Besichtigungstermine. Sie verklagte daraufhin den Makler. Nun liegt der Fall beim Bundesgerichtshof.


Philip Raillon

Humaira Waseem sucht für sich, ihren Mann und ihr kleines Baby nach einer Wohnung. Als die Grundschullehrerin auf einer Onlineplattform ein attraktives Angebot im hessischen Groß-Gerau findet, kontaktiert sie den Makler. Nur wenige Minuten später erhält sie schon die Antwort: eine Absage. Es seien keine Besichtigungstermine frei. Waseem wird misstrauisch. Sie fragt wenig später wieder an, nutzt diesmal aber den Namen Julia Schneider – und hat Erfolg. Der Makler bietet Julia Schneider einen Besichtigungstermin an.

Das war vor drei Jahren. Humaira Waseem hatte schnell den Verdacht, sie bekäme die Absage wegen ihres pakistanischen Namens. Also machte sie ein sogenanntes Testing, wie es die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in solchen Fällen empfiehlt. Die Frau aus Hessen fragte weitere Male bei dem Makler an, nutzte immer dieselbe Personenbeschreibung, verwendete aber verschiedene Namen. Ihr Eindruck verfestigte sich: Anfragen mit ausländischem Namen erhielten eine Absage, mit deutschem Namen bekamen sie eine Einladung.

Wohnungsbewerberin bekam in zweiter Instanz Recht

Humaira Waseem fühlte sich wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert. Deshalb klagte sie gegen den Makler, forderte unter anderem 3.000 Euro Schadensersatz. Dabei stützte sie sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das AGG verbietet unter anderem Benachteiligungen wegen des Alters, des Geschlechts und eben wegen der ethnischen Herkunft.

Betroffene hatte Erfolg in der Vorinstanz

Vor dem Landgericht Darmstadt bekam Humaira Waseem Recht. Die Indizien sprächen dafür, dass der Makler die Wohnungsbewerberin allein wegen ihres pakistanischen Namens nicht eingeladen habe. Das Gegenteil konnte der vor Gericht nicht beweisen. Er hatte argumentiert, dass ausgerechnet bei den Anfragen mit pakistanischem Namen jeweils alle Besichtigungstermine belegt gewesen seien.

Außerdem hatte sein Mitarbeiter als Zeuge ausgesagt, dass in dem Wohnungskomplex auch Mieter aus Italien, Polen und anderen Ländern wohnten. Nach Auffassung des Landgerichts sprach das aber eher dafür, dass Humaira Waseem diskriminiert worden war. Denn der Mitarbeiter habe gerade keine mehrheitlich muslimisch geprägten Länder aufgezählt.

BGH klärt Grundsatzfragen zur Diskriminierung bei der Wohnungssuche

Der Makler wollte das Urteil nicht akzeptieren und legte Revision ein. Heute hat der BGH in dem Verfahren verhandelt. Entscheidend waren dabei zwei Grundsatzfragen: erstens, ob die Erkenntnisse aus dem Testing, also die Fake-Bewerbungen mit deutschem Namen, vor Gericht verwertbar sind? Und zweitens, ob ein Makler selbst für eine begangene Benachteiligung haftet, oder ob sich Humaira Waseem an den Vermieter wenden muss?

In der Verhandlung hat der I. Zivilsenat angedeutet, dass Humaira Waseem am Ende einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Makler haben könnte. Das Testing-Ergebnis sei ein zulässiges Mittel, um die Diskriminierung zu belegen. Das zähle auch vor Gericht, so die vorläufige Einschätzung der Richterinnen und Richter. Außerdem war herauszuhören, dass der BGH den Makler wohl für den richtigen Beklagten hält.

Makler seien bei der Wohnungssuche häufig das entscheidende Nadelöhr. Der Vorsitzende Richter Thomas Koch sprach von den Maklern als „Gatekeepern“, an denen Interessenten in der Regel vorbei müssten. Sinn des AGG sei es gerade, Diskriminierungen zu verhindern. Wenn Makler eine Wohnungsbewerberin aber benachteiligen könnten, ohne dafür zu haften, könnte der Sinn des Gesetzes womöglich verfehlt sein, so Koch.

Makler meint, die Bewerberin müsse den Vermieter verklagen

Den BGH-Anwalt des Maklers überzeugte das nicht. Er argumentierte, dass das betreffende Gesetz auf die Vertragsparteien abzielt – also auf Vermieter und Mieter. Der Makler sei hingegen davon nicht betroffen. Bei einer Diskriminierung müsse der Wohnungsbewerber den Vermieter verklagen.

Die BGH-Anwältin von Humaira Waseem, Ines Bodenstein, hielt dagegen. Wenn nur der Vermieter haften würde und nicht der Makler, gäbe es eine Schutzlücke. Denn Wohnungsbewerber würden oft gar nicht wissen, wer der Vermieter sei. Auch sei es in der Praxis für Bewerber oft schwierig nachzuweisen, ob der Makler quasi im Auftrag des Vermieters diskriminiert. Wenn der Makler nicht der richtige Ansprechpartner wäre, würden Wohnungsbewerber mit ausländischem Namen am Ende womöglich erst diskriminiert und dann leer ausgehen.

Der Bundesgerichtshof wird seine Entscheidung in einigen Wochen verkünden. Das Urteil dürfte für viele Menschen mit Migrationshintergrund sehr relevant sein. Laut einer aktuellen Feldstudie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung haben Menschen mit afrikanischem oder muslimischen Hintergrund deutlich schlechtere Chancen auf eine Wohnung oder Immobilie als Interessenten ohne diesen Hintergrund.

Aktenzeichen: I ZR 129/25